Schwitzen im Sumpf

Saarbrücken. Das kommt am Staatstheater auch nicht alle Tage vor, dass man eine Premiere verschiebt, weil man dafür plötzlich das O.K. aus Hollywood braucht. Noch vor der Verfilmung mit Johnny Depp am Mittwoch mit der Bühnenfassung von Hunter S

Saarbrücken. Das kommt am Staatstheater auch nicht alle Tage vor, dass man eine Premiere verschiebt, weil man dafür plötzlich das O.K. aus Hollywood braucht. Noch vor der Verfilmung mit Johnny Depp am Mittwoch mit der Bühnenfassung von Hunter S. Thompsons Roman "The Rum Diary" herauszukommen, als Weltpremiere, damit gelang der kleinen Sparte 4 - unabhängig vom Ergebnis - ein echter Coup. Der 1998 mit 39 Jahren Verspätung publizierte Roman-Erstling des Kult-Autors wirkt mit seiner Kritik an Amerika und den Medien erstaunlich frisch. Thompson schildert in seinem "Rum-Tagebuch" die Erfahrungen seines Alter-Egos Paul Kemp, der sich 1959 als Reporter bei der Zeitung "The Daily News" auf Puerto Rico verdingt. Der beobachtet, wie die Amerikaner das Eiland mit der Heilsbotschaft eines ungezügelten Kapitalismus überrennen, und lässt sich mittreiben im trüben Sumpf der Verhältnisse.

Trügerisch ist das Gruppenbild, zu dem der Zeitungschef Lottermann seine - auf der Bühne auf nur drei reduzierte - Jungs, den Reporter Yeamon, den Fotografen Sala und Kemp, den verheißungsvollen Neuen, mit festem Griff und breitem Grinsen umschließt. Das opportunistische Blatt ist von der Pleite bedroht, sein Chef, den Hans Georg Körbel als mal wutbrüllenden, mal charmierenden Choleriker gibt, müht sich verzweifelt, die "Daily News" mit dubiosen Sponsoren und Zusatz-Werbeaufträgen zu halten. Ziellose Abenteurer um die 30 sind sie, der spröde Kemp (Johannes Schmidt) und mehr noch die Kollegen: Reporter Yeamon, ein Genussmensch mit Hang zur Schlägerei (etwas zu bieder: Jan-Piet Lößer), und Fotograf Sala, den Florian Steiner leicht karikierend als manisch-depressiven Neurotiker präsentiert. Sich bei ständiger Rum-Zufuhr herumtreibend zwischen Redaktion, Bar und sogar mal Gefängnis, tritt man, was der enge, fast kahle Sparte-Raum betont, auf der Stelle - bis der Geld-Hahn endgültig abgedreht ist. Gute Textbearbeitung! möchte man Phillipe Roth sagen, doch die Inszenierung hätte weniger brav, hätte extremistischer sein können.

Termine: Heute, 4. und 19. Juni, 3. und 4. Juli, je 20 Uhr.

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