Schwer verdauliche Kunstwerke

Düsseldorf. Essen ist in aller Munde - und das auch im übertragenen Sinne. Medial gesehen ist Kochen zur Show und die Nahrungsaufnahme zum Event geworden. Ganz so neu ist diese Entwicklung nicht. Nur standen deren Ursprünge in einem etwas anderen Kontext. Alles begann Ende der 60er-Jahre in Düsseldorf

Düsseldorf. Essen ist in aller Munde - und das auch im übertragenen Sinne. Medial gesehen ist Kochen zur Show und die Nahrungsaufnahme zum Event geworden. Ganz so neu ist diese Entwicklung nicht. Nur standen deren Ursprünge in einem etwas anderen Kontext.

Alles begann Ende der 60er-Jahre in Düsseldorf. Das neue Restaurant des Schweizer Künstlers Daniel Spoerri wurde zum Ausgangspunkt einer eigenen Kunstrichtung. Illustre Gäste wie Arman und Christo, Nikki de Saint Phalle und Tinguely trafen sich hier nicht nur zu legendären Gelagen, sondern zeigten in Spoerris wenig später eröffneter Eat Art Gallery auch Leckerbissen wie die "1a gebratene Fischgräte" von Beuys, einen "Blauen Busenengel" aus bemalten Lebkuchen von Richard Lindner und Spoerris Hostie mit dem Palindrom "Dogma I am God". Oder sie fixierten die Hinterlassenschaften der Mahlzeit auf dem Tisch und erklärten das Durcheinander kurzerhand zum Kunstwerk.

Mit Objekten und Dokumenten aus jener Zeit serviert die Ausstellung "Eating the Universe" Appetithäppchen. Die weitere Speisenfolge, mit der die Düsseldorfer Kunsthalle "Vom Essen in der Kunst" erzählt, besteht aus vielen Sättigungsbeilagen und manch schwer Verdaulichem. Dem Rückblick auf die Anfänge und frühen Positionen, zu denen auch Lili Fischers Drehbücher - etwa für ihre "Gewürzpredigt für Pfeffersäcke" - zählen, steht die zeitgenössische Koch- und Ess-Kunst zur Seite: Spoerri und die Folgen sozusagen.

Düsseldorf hat mächtig aufgetischt. Feinschmecker sollten sich aber in Acht nehmen. In der Kunsthalle haben viele Köche einen Brei angerührt, der aus den unterschiedlichsten Zutaten besteht. Hier naturwissenschaftliche Forschung, die zu Kunst wird, dort fettig riechende Konsumkritik: Während Philip Ross von ihm gezüchtete Pilze als Baumaterialien entdeckt, nagelt Judith Samen ihre Reibekuchen zu einem großen Quadrat an die Wand. Der Niederländer Zeger Reyers lässt seine komplett eingerichtete Küche langsam um die eigene Achse rotieren - mit allen zerstörerischen Konsequenzen. Davor verharrt Thomas Rentmeisters Einkaufswagen unter einem Zuckerberg. Wer mag, darf angesichts dieser Arbeiten über Verfallsprozesse und Überflussgesellschaft reflektieren. Sättigendes Gedankenfutter sieht anders aus. Wie seinerzeit Spoerri fasziniert auch heute noch viele Künstler die Nähe von Leben und Kunst. Ob man deshalb gleich einen ganzen Raum mit Schokoladenglasur bestreichen muss wie Anya Gallaccio, als wär's ein Kabinett monochromer Malerei? Was nicht nur gut riecht, sondern auch den Genussmenschen versöhnt, findet sein Pendant in Paul McCarthys Video, in dem er fast nackt an rohem Fleisch lutscht, mit Ketchup herumschmiert und mit einem Dildo ein Mayonnaiseglas penetriert: kein Augenschmaus. Mit Essen spielt man nicht, heißt es.

Daran hat sich zumindest Carsten Höller erinnert. In seiner Installation liegen neben einem in einer Steckdose befindlichen Kabel verlockend viele Schokobonbons. Sonja Alhäuser konserviert ihre Butterskulptur in einem gläsernen Kühlschrank, Jana Sterbak legt einen Brotlaib als Matratze auf ein Stahlbett und Arpad Dobriban hängt geräuchertes Schweinefett an die Wand. Wer mag, darf sogar kosten.

Der Speiseplan der Schau lässt einem nicht gerade das Wasser im Munde zusammenlaufen. Die Rolle der "Eat Art" im Kunstbetrieb ist denn auch eher Convenience Food als Haute Cuisine. Daran ändert auch die nachgebaute Küche von Christian Jankowski nichts, in der der Künstler mit Alfred Biolek Bohnensuppe gekocht hat - fast wie im TV.

Läuft bis 28. Februar.

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