Schweiz zieht die Notbremse

Zürich. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) stemmt sich mit aller Macht gegen den historisch starken Franken. Künftig wollen die Währungshüter in Zürich keinen Euro-Kurs unterhalb von 1,20 Franken pro Euro tolerieren. Faktisch heißt das: Ein Franken soll nach dem Willen der Schweizer künftig höchstens 0,833 Euro wert sein

Zürich. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) stemmt sich mit aller Macht gegen den historisch starken Franken. Künftig wollen die Währungshüter in Zürich keinen Euro-Kurs unterhalb von 1,20 Franken pro Euro tolerieren. Faktisch heißt das: Ein Franken soll nach dem Willen der Schweizer künftig höchstens 0,833 Euro wert sein. "Die gegenwärtige massive Überbewertung des Schweizer Frankens stellt eine akute Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft dar und birgt das Risiko einer deflationären Entwicklung", hieß es gestern in einer Mitteilung der Notenbank."Die Nationalbank wird den Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen und ist bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen", kündigt die SNB an. Das bedeutet: Die Zentralbank würde immer, wenn der Wechselkurs die Zielmarke überschreitet, Euro kaufen und dafür Franken auf den Markt werfen. "Der Franken ist auch bei 1,20 pro Euro hoch bewertet und sollte sich über die Zeit weiter abschwächen", lautet die Prognose.

Der starke Franken belastet die Schweizer Exportwirtschaft enorm, weil er deren Waren auf Auslandsmärkten deutlich verteuert. Auch die Einzelhändler im Schweizer Grenzgebiet bekommen die Folgen zu spüren: Die gewaltig gestiegene Kaufkraft des Franken hat einen kräftigen Einkaufstourismus ausgelöst, von dem deutsche Händler in grenznahen Orten kräftig profitieren.

Hintergrund des Eingreifens ist die heftige Aufwertung des Franken in den vergangenen Monaten und Jahren: Ausgehend von einem Kurs von 0,60 Euro Ende 2007 hat der Franken zu vielen wichtigen Währungen stark zugelegt. Seither stieg die Schweizer Währung zum Euro um bis zu 60 Prozent auf fast einen Euro. Nachdem die SNB in der Vergangenheit mehrmals daran gescheitert war, wesentlich geringere Kurse als 0,833 Euro je Franken zu verteidigen, hatte sie ihre Maßnahmen unlängst intensiviert. Den Leitzins senkte sie auf faktisch null Prozent, den heimischen Geldmarkt flutete sie massiv mit Geld. All dies hinderte die Investoren aber nicht, die Schweizer Währung wegen der Schuldenkrise weiter als "sicheren Hafen" anzulaufen.

An den Finanzmärkten fiel die Reaktion auf den jüngsten Eingriff der SNB heftig aus: So gab der Franken zu vielen wichtigen Währungen kräftig nach, insbesondere zum Euro und zum Dollar. Umgekehrt sprang der Euro innerhalb weniger Minuten über die von der Notenbank anvisierte Untergrenze von 1,20 Franken je Euro.

"Die Schweizer Notenbank hat die Märkte mit ihren scharfen Aussagen vehement überrascht", sagte Devisenexperte Sebastian Sachs vom Bankhaus Metzler. Das direkte Eingreifen der SNB am Devisenmarkt verbunden mit einer festen Kursobergrenze sei "die letzte Möglichkeit", um den starken Franken zu schwächen und der heimischen Export-Wirtschaft Luft zu verschaffen. dpa

Meinung

Warnendes Beispiel

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

So manche Euro-Gegner möchten die D-Mark wiederhaben. Was aber passiert, wenn die Politik dieser Forderung nachgäbe, erlebt zurzeit die Schweiz. Wegen des starken Franken leiden die Exporte und der Tourismus. Genauso liefe es bei einer Wiedereinführung der D-Mark. Die Anleger würden sich auf die Mark stürzen, der Kurs stiege rasant wie jüngst der Franken. Und der für die deutsche Wirtschaft lebenswichtige Export bräche ein, weil die Waren im Ausland unerschwinglich teuer würden. Daher ist klar: Gerade Deutschland ist auf die Gemeinschaftswährung angewiesen. Mag die Rettung des Euro auch teuer werden, sie ist das gegenwärtig entscheidende wirtschaftspolitische Ziel.

Hintergrund

Commerzbank-Chef Martin Blessing rechnet angesichts der Euro-Krise mit "blutleerem" Wirtschaftswachstum und schwächeren Renditen bei den Banken. Zudem deutete er Zweifel an der Krisenbewältigung durch die Politik an. "Wir haben uns bis jetzt im wesentlichen nur Zeit gekauft", sagte der Chef des staatlich gestützten Geldhauses gestern in Frankfurt. dpa

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