Schwarz-Rot kann noch regieren

Union und SPD machten zuletzt nur noch mit Streit und Nickligkeiten von sich reden. Die Quittung offenbart sich in Form immer düsterer Umfragewerte, derweil sich die AfD im Höhenflug sonnen kann. Möglicherweise hat das für ein Umdenken bei den Polit-Promis von Schwarz-Rot gesorgt. Vielleicht ist ja fortan erlaubt, was gefällt. Und nicht, was den größten Krach schlägt. Mit der Einigung auf wichtige arbeitsmarkt- und rentenpolitische Neuregelungen haben beide Seiten daran erinnert, dass sie noch gemeinsam regieren können. In der Schublade schlummerten die Vorlagen freilich schon lange. Aber besser spät als nie.

Zu Wochenbeginn war SPD-Chef Sigmar Gabriel provokant gefragt worden, warum die Genossen überhaupt noch mit den "Schwarzen" paktierten, wo es doch so schlecht um seine eigene Partei steht. Eine mögliche Antwort steckt im jetzt erzielten Kompromiss. Ja, die Sozialdemokraten haben der Union tatsächlich positive Veränderungen abgerungen, die Leih- und Werkvertragsarbeitern zugutekommen. Gnadenloses Lohndumping wird künftig schwerer möglich sein. Und auch die Rolle von tariflichen Abmachungen wird gestärkt. Manche Arbeitgeber müssen daran künftig ein größeres Interesse haben, denn nur mittels solcher Vereinbarungen sind Ausnahmen von der Regel gestattet. Das aber ist auch ein Problem. Es bleiben weiterhin Möglichkeiten, Leiharbeiter länger als neun Monate lang schlechter zu bezahlen. Warum eigentlich?

Und auch die im Grundsatz festgelegten eineinhalb Jahre, bis zu denen Leiharbeit in einem Betrieb Leiharbeit bleiben kann, sind fragwürdig. Bedenkt man, dass über die Hälfte der Zeitarbeitbeschäftigten kaum länger als drei Monate in einem Unternehmen tätig ist, dann muten die beschlossenen Fristen für Lohn- und Statusgleichheit ohnehin ziemlich praxisfremd an. Die Union wollte es so. Doch am Ende ist ein kleiner Fortschritt besser als gar keiner.

Für die rentenpolitischen Beschlüsse gilt dasselbe. Weil die von der SPD durchgesetzte, abschlagsfreie Frühverrentung allen bevölkerungspolitischen Notwendigkeiten zuwider läuft, wollte die Union mit der Flexirente eine Art Wiedergutmachung kreieren. So weit, so gut. Dass Ältere nun in Scharen über ihr mögliches Renteneintrittsalter hinaus arbeiten, ist jedoch nicht zu erwarten. Dafür sind die verabredeten Anreize viel zu dürftig. Immerhin werden die Regeln entschlackt, um als Ruheständler mehr hinzuverdienen zu können. Warum es überhaupt Hinzuverdienstgrenzen geben muss, bleibt indes ein Rätsel.

Gibst du mir, gebe ich dir. Nach diesem Muster sind die neuen Abmachungen gestrickt. Für das Regierungsklima ist das sicher gut. Für Betroffene, die mehr erwartet haben, weniger.

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