Schuldner gewinnen – Sparer verlieren

Berlin · Wer sich für seine Altersversorgung ein Vermögensziel gesetzt hat, muss wegen der Niedrigzinsen deutlich mehr sparen. Wie stark die Auswirkungen sind, zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen müssen Sparer immer tiefer in die Tasche greifen, um ihre ursprünglich gesteckten Ziele für die Altersversorgung zu erreichen. Dagegen sind Schuldner die Gewinner der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Das geht aus einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor, die gestern in Berlin vorgestellt wurde.

Es gab Zeiten, da vermehrte sich das Geld der Sparer wie von Geisterhand. Wer früher zum Beispiel 100 Euro im Monat auf die hohe Kante legte und darauf vier Prozent Zinsen erhielt, der konnte nach fünf Jahren neben seiner Einzahlung von 6000 Euro noch 640 Euro Zinsen verbuchen. Vorausgesetzt, die Zinsen wurden immer mit angelegt. Durch den Absturz des Zinsniveaus hat sich diese Geldvermehrung nahezu in Luft aufgelöst. Nach der IW-Studie strich jeder Bundesbürger im Jahr 2003 durchschnittlich 239 Euro an Zinsen ein. 2008 waren es sogar 545 Euro. Dann brach die Finanzkrise aus, und die Zinserträge auf Spareinlagen erlebten einen rasanten Niedergang. Im vergangenen Jahr lag der durchschnittliche Einlagezins nur noch bei 0,4 Prozent (2008: 2,8 Prozent) und der Zinsertrag pro Kopf bei 95 Euro - fast fünf Mal weniger als 2008.

Sieben Jahre hält die Niedrigzinsphase nun schon an. Und vor 2018 wird es nach Einschätzung des IW kaum zu einer Entwicklung in Richtung des alten Zinsniveaus kommen. Das habe jedoch erhebliche Folgen für die Altersvorsorge. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag das durchschnittliche Jahresnettoeinkommen der privaten Haushalte 2014 bei 42 214 Euro. Davon wurden im Schnitt 4000 Euro gespart. Bei einer früheren Verzinsung von drei Prozent käme ein solcher Haushalt nach 30 Jahren auf fast 170 000 Euro, sofern die Zinserträge immer reinvestiert werden. Bei einem zehn Jahre andauernden Niedrigzins von 0,5 Prozent, der im folgenden Jahrzehnt linear auf drei Prozent ansteigt, müsste der gleiche Haushalt seine jährliche Sparrate um 350 auf 4350 Euro erhöhen, um das Sparziel von 170 000 Euro nach 30 Jahren zu erreichen. Über die gesamte Laufzeit bedeutet das einen Konsumverzicht von immerhin fast 12 000 Euro.

Nun könnte man meinen, dass sich zumindest vermögende Haushalte weiter eine goldene Nase verdienen, weil sie statt auf Spareinlagen mehr auf Aktien und Immobilien setzen, die einen Boom erleben. Doch offenbar trügt der Eindruck. Denn laut IW sind selbst die reichsten zehn Prozent im Land vorsichtig mit dem Besitz von Wertpapieren. Nur 2,6 Prozent ihres Vermögens besteht demnach aus Aktien. Auch gebe es keinen Anstieg der Immobilienpreise auf breiter Front. In vielen ländlichen Regionen hätten sie sich kaum verändert. Zudem müsse eine Immobile veräußert werden, um von der Wertsteigerung zu profitieren.

Signifikante Umverteilungseffekte im Zuge der Niedrigzinsphase würden dagegen zwischen Schuldnern und Sparern auftreten, erläuterte IW-Chef Michael Hüther . So waren für Konsumkredite und Baudarlehen im vergangenen Jahr im Schnitt nur 3,9 Prozent an Zinsen fällig. 2008 waren es noch 5,3 Prozent. Hüthers Fazit: Insbesondere jüngere Haushalte, die gerade eine Immobilie erworben hätten, müssten weniger Zinsen zahlen als noch vor einigen Jahren. "Im Vergleich dazu sind bei den älteren Haushalten, die tendenziell mehr verzinsliche Spareinlagen als Schulden haben, die Zinserträge stärker gefallen als die Zinslasten." Und da Ältere im Schnitt wohlhabender seien als Jüngere, begünstige die Niedrigzinsphase sogar einen Rückgang der Vermögensungleichheit, sagte Hüther.

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