Schrumpfen will gelernt sein

Vor ein paar Jahren hat Illingens Bürgermeister Armin König, dessen Gemeinde in den 90ern als erste im Saarland den Folgen des demographischen Wandels offensiv begegnete - als man sonstwo weiter die Augen vor Überalterung und Schrumpfung verschloss, ließ Illingen immerhin ein Leerstandskastaster erstellen und riss auch mal ab - einen aufschlussreichen Satz fallen lassen: Mit Blick auf

Vor ein paar Jahren hat Illingens Bürgermeister Armin König, dessen Gemeinde in den 90ern als erste im Saarland den Folgen des demographischen Wandels offensiv begegnete - als man sonstwo weiter die Augen vor Überalterung und Schrumpfung verschloss, ließ Illingen immerhin ein Leerstandskastaster erstellen und riss auch mal ab - einen aufschlussreichen Satz fallen lassen: Mit Blick auf Bürgermeisterwahlen und das Wachsen überbauter Flächen sprach König 2009 auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Demographie von einer Art "Naturgesetz, dass man mit Beton und Asphalt Stimmen gewinnen konnte". Konnte? Gehört dieses Denken mittlerweile überall der Vergangenheit an? Wohl kaum.Unstrittig ist: Keines der alten Westländer ist stärker vom demographischen Wandel betroffen als das Saarland. Bis 2050 wird die Bevölkerung um mehr als ein Viertel sinken, im Bundesschnitt mutmaßlich nur um gut sechs Prozent. Wenn also die neue schwarz-rote Koalition den Erhalt der Eigenständigkeit des Landes als ihre Kernaufgabe umreißt, so muss man fragen: Bleibt dies auf lange Sicht realistisch? Bezweifeln darf man jedenfalls, dass die bestehende, für dieses überschaubare Land viel zu kleinteilige Verwaltungsstruktur (fünf Landkreise, 52 Kommunen) - sie scheint ohnedies bisweilen eher politischen Begehrlichkeiten (Postenschacher!) als realen Erfordernissen geschuldet - dauerhaft Bestand haben kann.

Viel gravierender noch sind die Folgen der Schrumpfungsprozesse für die Identität und Infrastruktur der Orte: Absehbar ist, dass im ländlichen Raum nicht nur Straßenzüge, sondern womöglich ganze Ortschaften verwaisen. Überall dort wird es so kommen, wo künftig im Sinne einer funktionierenden Sozialbalance passable Dienstleistungsangebote fehlen (Kinder- und Altenbetreuung, Schulen, medizinische Versorgung, Freizeitangebote, Einzelhandelsnetz). Gleichzeitig aber, dies wird die Lage beträchtlich verschärfen, dürfte sich die finanzielle Lage der Kommunen aufgrund wegfallender Steuereinnahmen zuspitzen, während die Unterhaltungsaufwendungen trotz Bevölkerungsrückgang tendenziell gleich bleiben werden.

Immobilien werden vielerorts wohl unverkäuflich und Zuwanderungsbewegungen in Ballungsräume zunehmen. Auch wird jene Politik der "Grünen Wiese" sich rächen, die zur Verödung der Kernbereiche führt. Das Kirchturmdenken in den Gemeinden muss folglich weichen. Das Gebot der Zukunft, das hat sich herumgesprochen, heißt interkommunale Kooperation. Ob Sportstätten, Kulturhäuser oder Feuerwehren: Statt weiter örtliche Besitzstandswahrung zu pflegen, wird man in größeren, regionaleren Einheiten denken und Siedlungsentwicklung am künftigen Wohnraumbedarf bemessen müssen.

Gegenwärtig ist von alledem nicht viel zu sehen: Trotz sinkender Bevölkerungzahlen (und Haushalte!) wird vielfach die alte Baulandpolitik fortbetrieben, um neue Einwohner zu ködern. Dass jedes Neubaugebiet woanders Leerstand erzeugt, spielt keine Rolle: Jede Gemeinde ist sich selbst am nächsten. Hinzu kommt, dass privatwirtschaftliche Interessen von Wohnungsbaugesellschaften, Investoren und Banken ungebrochen auf Zuwachs setzen und die Politik in ihrem Sinne bearbeiten. Rückbau gilt als unpopulär, weil damit fälschlicherweise ein Negativimage verbunden wird. Dabei wäre es Ausdruck nachhaltiger, auch Ressourcen schonender Politik. So erhalten sich viele lieber ihre Wachstumsillusionen und verharmlosen die Folgen des demographischen Wandels. Auf den saarländischen Minister für Demographie, er heißt Storm, warten viele Aufgaben.

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