Schönheitskur für eine Diva

Berlin · Silvester ist vorerst Schluss: Die in die Jahre gekommene Berliner Neue Nationalgalerie wird vom Londoner Star-Architekten David Chipperfield runderneuert. Der genaue Termin der Wiedereröffnung steht allerdings noch in den Sternen.

 Eine Landmarke deutscher Nachkriegsarchitektur: Die Neue Nationalgalerie, entworfen von Mies van der Rohe. Foto: Heiko Klaas

Eine Landmarke deutscher Nachkriegsarchitektur: Die Neue Nationalgalerie, entworfen von Mies van der Rohe. Foto: Heiko Klaas

Foto: Heiko Klaas

Geplant in Chicago. Ursprünglich gedacht als Konzernzentrale des Rumherstellers Bacardi in Santiago de Cuba. Nach der kubanischen Revolution verworfen und 1968 realisiert als Neue Nationalgalerie in Berlin . Der 50 x 50 Meter große, streng reduktionistische Entwurf des deutsch-amerikanischen Architekten Ludwig Mies van der Rohe hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Heute gilt er als Paradebeispiel der Nachkriegsarchitektur in der deutschen Hauptstadt. Die Ausstellungsgeschichte reicht von der Eröffnungsschau mit Piet Mondrian über den legendären Blockbuster "Das MoMA in Berlin " im Jahr 2004 bis hin zur spektakulären Retrospektive Gerhard Richters 2012. Für Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin , eine Geschichte voller Segnungen, aber auch gelegentlicher Tiefpunkte, zu denen er ganz sicher die massive Beschädigung eines Bildes von Barnett Newman im Jahre 1982 durch einen Besucher zählt.

Am kommenden Silvestertag schließt die Neue Nationalgalerie bis auf Weiteres wegen dringend notwendiger Sanierungs-arbeiten. "Wir wissen schon, was wir vermissen werden", so Eissenhauer. Aber: "Wir freuen uns, dass erkannt wurde, dass wir dieses Haus von Grund auf sanieren müssen, wenn wir es für die nächsten Generationen sichern wollen."

Für die Renovierung konnte der britische Architekt David Chipperfield gewonnen werden. Chipperfield vergleicht seine Aufgabe mit der Restaurierung eines Oldtimers: "Ich fühle mich so wie ein Kfz-Mechaniker, der einen wunderschönen Mercedes 1965 in die Werkstatt gestellt bekommt." "Doch es geht nicht darum, einen Porsche-Motor einzubauen, so Eissemhauer. Sie werden unter Umständen in das Gebäude hereinkommen und sich fragen: Was ist denn hier neu?" So wird es auch nach der Renovierung bei der Einfachverglasung in der oberen Halle bleiben. Was an zusätzlicher Isolierung nötig ist, verstecken die Architekten geschickt in den alten Profilen.

Auch Udo Kittelmann, der Direktor der Nationalgalerie, hält die Renovierung für "bitternotwendig". "Dieses Gebäude konnten wir sicherlich so nicht weiter betreiben." Institutionell bleibt die Neue Nationalgalerie über den gesamten Bauzeitraum erhalten und weicht mit großen Ausstellungsprojekten auf andere Häuser der Staatlichen Museen aus. So ist ab Mai 2015 in der Alten Nationalgalerie die Ausstellung "ImEx" mit gut 160 impressionistischen und expressionistischen Meisterwerken deutscher und französischer Künstler geplant. Ab Herbst 2015 werden dann Teile der Sammlung der Klassischen Moderne und der Nachkriegskunst im Hamburger Bahnhof auf 800 Quadratmetern im halbjährlichen Wechsel unter dem Label "Neue Galerie" präsentiert.

Im Januar beginnt zunächst eine rund einjährige Abbauphase. Die circa 1600 zur Zeit im Haus untergebrachten Kunstwerke inklusive der Großskulpturen etwa von Henry Moore und Alexander Calder müssen demontiert und in andere Depots gebracht werden. Alle von Mies van der Rohe entworfenen Originalelemente wie Türgriffe, Sitzmöbel oder Garderoben aus englischer Mooreiche müssen gesichert werden. Im Anschluss daran rechnet Eissenhauer mit einer Bauzeit von drei bis vier Jahren. Im optimistischsten Fall wäre also 2019 mit einer Wiedereröffnung zu rechnen.

Wer allerdings die Berliner Verhältnisse kennt, kann davon ausgehen, dass dieser Termin nicht eingehalten werden kann. Die Kosten, so Eissenhauer, liegen "im hohen zweistelligen Millionenbereich". Die Mittel dafür werden aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt. Wobei die Finanzierung nicht endgültig gesichert ist. Es kann also, ähnlich wie auch bei der Restaurierung eines Oldtimers, zu unliebsamen Überraschungen kommen. Bleibt zu hoffen, dass das Gesamtprojekt nicht zu einem Fass ohne Boden wird.

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