„Schock für Beckinger Werk“

Beckingen · Die angespannte Lage im Whitesell-Schraubenwerk Beckingen hat sich zugespitzt. Nachdem BMW, der letzte Großkunde, abgesprungen ist, fürchten die Mitarbeiter den Verlust ihrer Jobs und die Schließung des Werks.

 Schon im Sommer demonstrierten Beckinger Whitesell-Beschäftigte in Saarbrücken gegen das Geschäftsgebaren des US-Unternehmers. Foto: Becker & Bredel

Schon im Sommer demonstrierten Beckinger Whitesell-Beschäftigte in Saarbrücken gegen das Geschäftsgebaren des US-Unternehmers. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

"BMW ist raus." Gerfried Lauer, Betriebsratschef des Whitesell-Schraubenwerks in Beckingen , musste der Belegschaft Anfang der Woche eine Schreckensbotschaft verkünden. Der Betrieb hat damit den letzten Großkunden verloren, nachdem zuvor schon VW und Ford abgesprungen waren. "Das ist ein Schock für das Beckinger Werk. Die Belegschaft ist in Schockstarre", sagte Guido Lesch, zweiter Bevollmächtigter der Gewerkschaft IG Metall in Völklingen. Die rund 340 Mitarbeiter fürchten um ihre Jobs und bangen um die Zukunft des Standorts. Zumal jetzt auch noch ein weiterer Kunde, der Autozulieferer Brose, angeblich wegen Streitigkeiten um Zahlungen nicht mehr beliefert wird.

Die Gewerkschaft hat für Montag, 15. Dezember, 11.59 Uhr zu einer Demonstration in Beckingen aufgerufen. Außerdem haben IG Metall und die Belegschaften aller vier deutschen Standorte der Schraubengruppe, neben Beckingen noch Neuss , Neuwied und Schrozberg, ein Manifest verfasst. Die Kernforderung: US-Eigner Neil Whitesell, der das Unternehmen Anfang des Jahres aus der Insolvenz heraus übernommen hat, soll die Betriebe veräußern. Denn er habe "mit aggressiven Preiserhöhungen alle Kunden vertrieben, die für Auslastung und Beschäftigung sorgten", heißt es im Manifest. Mit Whitesell aber "gibt es keine seriöse Zukunft". Die Landespolitiker der betroffenen Bundesländer sollen helfen, den Eigentümer von einem Verkauf zu überzeugen.

Vor drei Wochen hieß es noch, dass 300 der 340 Arbeitsplätze in Beckingen erhalten bleiben könnten. Auch würde der Standort von der Schließung des Werks in Neuss profitieren. Die Auslastung in Beckingen von etwa 40 Prozent werde auf über 60 Prozent steigen, schätzten Gewerkschaft und Betriebsrat. Diese Hoffnungen sind nun dahin. Der Standort Neuss hängt Lauer zufolge zu 80 Prozent von BMW-Aufträgen ab. Die Verlagerung nützt dem saarländischen Werk daher kaum noch. Der Betriebsratschef rechnet damit, dass jetzt die Auslastung auf 25 bis 30 Prozent sinkt.

Vom Rückzug des Münchner Autobauers sind offenbar alle überrascht worden, zumal nach SZ-Informationen der bislang so treue Kunde Anfang des Jahres noch einen Zehn-Jahres-Vertrag unterzeichnet hat. BMW erklärt die Vertragskündigung damit, von Whitesell "mit nicht marktgerechten und branchenunüblichen Bedingungen" unter Druck gesetzt worden zu sein. Whitesell äußerte sich dazu nicht. Auf ein Schreiben des Betriebsrats reagierte das Management mit der Aufforderung, "Ruhe zu bewahren". Vor Jahresende ist nach SZ-Informationen nicht damit zu rechnen, dass Whitesell die Belegschaft darüber informiert, wie es weitergeht.

Meinung:

Schiere Profitgier

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Whitesell steuert seine deutschen Schrauben-Werke auf eine Katastrophe zu - und scheffelt dabei vermutlich Millionen. Gewerkschaft und Betriebsrat warnen, klagen, appellieren, schimpfen und protestieren. Bislang vergeblich. Das Management hält stur an seinem Kurs fest. Und die Beschäftigten müssen ohnmächtig und verzweifelt zusehen, wie ein Kunde nach dem anderen abspringt. Es gibt eigentlich nur eine Erklärung für dieses Vorgehen: Neil Whitesell will schnellstmöglich viel Profit machen. Offenbar kümmert es ihn nicht, wenn das Unternehmen zugrunde geht.

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