Schlingmanns Turbo-Faust

Saarbrücken. Dagmar Schlingmann hat's gern kurz und knackig. Umso mehr überrascht die Mitteilung der Intendantin, dass sie sich nicht nur den sauber abschnurrenden ersten Teil von Goethes "Faust" (1808) vornimmt, sondern das gesamte "Weltgedicht" samt dem parabelhaft aufgeladenen zweiten Teil

Saarbrücken. Dagmar Schlingmann hat's gern kurz und knackig. Umso mehr überrascht die Mitteilung der Intendantin, dass sie sich nicht nur den sauber abschnurrenden ersten Teil von Goethes "Faust" (1808) vornimmt, sondern das gesamte "Weltgedicht" samt dem parabelhaft aufgeladenen zweiten Teil. Sieben Stunden, verteilt auf zwei Abende, brauchte 1993 ihr Vorgänger Kurt Josef Schildknecht für seine Version. Und Peter Stein schrieb im Jahr 2000 mit einer viertägigen Großproduktion Theatergeschichte: Er ließ in 15 Stunden Aufführungsdauer jeden Vers sprechen. Schlingmann will das Mammut-Werk in drei Stunden abspulen und kommt damit ran an die legendäre Hamburger Skelettier-Nummer von Christoph Marthaler. Er zog in 2,5 Stunden die "Wurzel aus Faust I und II" (1993). Goethes Vermächtnis, an dem er 57 Jahre lang feilte, als Theater-Sprint-Disziplin? "Ich wollte Schlankheit erreichen", sagt Schlingmann, verzichtet deshalb in "Faust I" auf "Auerbachs Keller" und in "Faust II" auf episch-metaphorisch Ausschweifendes. Sie habe die szenisch ergiebigsten Teile freigelegt und sich gefreut: "Es steht alles noch drin!" Die Zuschauer sollen am Ende sagen: "Ich hab's verstanden. Das ist die Spirale, die das Stück erzählt."

Ihr geht es, wie sie versichert, nicht um ein Kräftemessen mit ihrem Vorgänger, auch nicht um einen Leistungs-Test fürs Ensemble, eher schon um ihre Lust, sich herausgefordert zu fühlen: "Ich mag das." Und meint damit: Reibung, nicht Routine. "Der Stoff war nach 16 Jahren einfach dran", meint sie und berichtet über ihr eigenes Erstaunen, als sie dessen Tages-Aktualität entdeckte. Globalisierung, die Maßlosigkeit und Rücksichtlosigkeit Märkte erobernder Unternehmer - all dies sei bei Goethe schon vorgedacht.

Und wer wird ihr Helden-Paar? Mit Georg Mitterstieler hat sie sich einen eher feinnervigen Faust ausgesucht. In der dankbaren Rolle des Mephisto kommt der in vorderer Reihe noch nicht erprobte Boris Pietsch (Fotos: A. Mailänder) zum Zug. Gelingt den beiden ein ähnlicher Publikums-Durchmarsch wie 1993 Helmut Krassnitzer und Hartmut Volle? Nach Schildknechts "Faust" war ihnen unverbrüchliche Zuschauer-Gunst gewiss. Isabella Archan gab damals ein eher robustes Gretchen, einen Gefühlskraft-Knoten. Schlingmann hat die Rolle einer Neuen anvertraut - Natalie Hanslik -, über deren Anmut und Klarheit sie ins Schwärmen gerät.

Die Intendantin verspricht üppige Theater-Kost. Das vielköpfige Personal habe sie in einem Chor versammelt, was Volumen und Bewegung garantiere: "Das hat theatrale Wucht." Schaun wir mal.

Premiere: 12. September; Karten noch heute, Samstag, bis 13 Uhr. Dann wieder nach den Theaterferien ab 21. August: Tel. (06 81) 30 92 486.

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