Saudi-Arabien leitet Generationswechsel ein

Riad · Die Politik des saudischen Königshauses zu analysieren, ist ein schwieriges Unterfangen. Aus dem Inneren der Macht des streng islamischen Landes dringt so wenig nach außen, dass es kaum handfeste Informationen gibt.

Mit einer überraschenden Personalrochade hat König Salman bin Abdelasis jetzt jedoch ein deutliches Signal gesetzt: Seine neue Thronfolge-Regelung ebnet den Weg für die Machtübernahme der nächsten Generation in einem Königreich, das sich mit Reformen äußerst schwertut.

Bislang erklommen in Saudi-Arabien stets Söhne von Staatsgründer Ibn Saud den Thron, der bei seinem Tod 1953 Dutzende Nachkommen hinterlassen hatte. Mit dieser Tradition hat der 79 Jahre alte Salman nun gebrochen. Er setzte seinen Halbruder Mukrin als Kronprinz ab und hob seinen Neffen Mohammed bin Naif auf diesen Posten. Erstmals steht damit ein Vertreter aus Ibn Sauds Enkelgeneration an erster Stelle der Thronfolge. Zugleich verschob Salman die Macht zugunsten seines eigenen Blocks im Königshaus, der "Sudairis". Die neue Regelung sei "ein Putsch der Sudairis", sagt Guido Steinberg, Golf-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das Nachsehen hätten die Anhänger von Salmans Vorgänger Abdullah.

Beobachter und Analysten hielten eine Entscheidung zugunsten der Enkelgeneration für überfällig. Die bisherige Thronfolge hat mehrfach dazu geführt, dass greise Männer an die Macht kamen. Auch viele Saudis fanden sie zu alt, um das Land für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu wappnen. Das Königreich ist zwar dank des Öls eines der reichsten Länder der Welt - trotzdem hat es mit vielen Problemen zu kämpfen.

Da ist zunächst das starke Bevölkerungswachstum. Verlässliche Daten gibt es nicht, doch sollen 60 Prozent der mehr als 27 Millionen Einwohner jünger als 21 Jahre sein. Die jungen Menschen strömen auf den Arbeitsmarkt und wollen ihren Anteil am Reichtum. International steht das Land wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Für Aufsehen sorgte in diesem Jahr vor allem der Fall des Bloggers Raif Badawi, der zu 1000 Stockhieben verurteilt wurde, weil er im Internet den Islam beleidigt haben soll. Saudi-Arabien ist zudem weltweit das einzige Land, in dem Frauen kein Auto fahren dürfen. Von ihnen wird stattdessen verlangt, dass sie nur mit Schleier auf die Straße gehen.

Auch Extremisten setzen das Land unter Druck. Im Norden ist die Terrormiliz Islamischer Staat bis an die saudische Grenze herangerückt. Im Süden hat sich im Jemen ein mächtiger Al-Qaida-Ableger etabliert. Beide Gruppen wollen das Königshaus stürzen, das die Hoheit über die heiligsten Stätten des Islam in Mekka und Medina hat. Und dann ist da noch die Konkurrenz des sunnitischen Saudi-Arabiens mit dem schiitischen Iran um die Macht in der Region. Teheran hat seinen Einfluss im Irak und in Syrien stark ausgedehnt. Die Saudis werfen dem Iran zudem vor, die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen zu unterstützen - ein Grund, warum die Saudis mit Luftangriffen auf die Huthis begannen.

Golf-Fachmann Steinberg geht davon aus, dass Saudi-Arabien nach der Personalrochade an einer "sehr anti-iranischen, aggressiven Regionalpolitik" festhält. Ein deutliches Indiz dafür ist eine weitere Entscheidung: Zum neuen Vize-Kronprinzen ernannte der König seinen Sohn Mohammed bin Salman - als Verteidigungsminister ist er einer der Hauptverantwortlichen der Militäraktion im Jemen.

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