Sarkozys Bildungsreformen spalten Frankreich

Paris. Über 15 Wochen Streik und kein Ende in Sicht: Die Protestwelle, die Frankreichs Universitäten erfasst hat, ebbt nicht ab. Professoren, Dozenten und Studenten wehren sich erbittert gegen die von der Regierung geplanten Reformen - mit Demonstrationen und der Störung des Lehrbetriebs

Paris. Über 15 Wochen Streik und kein Ende in Sicht: Die Protestwelle, die Frankreichs Universitäten erfasst hat, ebbt nicht ab. Professoren, Dozenten und Studenten wehren sich erbittert gegen die von der Regierung geplanten Reformen - mit Demonstrationen und der Störung des Lehrbetriebs. Ein Dutzend der 84 französischen Universitäten wird blockiert, und in mindestens der Hälfte davon fielen oder fallen Vorlesungen aus. Ob das Semester anerkannt wird, ist unklar. Genau wie die Frage, ob und wann Prüfungen stattfinden. Denn noch beharren beide Seiten auf ihren Forderungen und schieben sich die Schuld zu. So erklärte Präsident Nicolas Sarkozy erneut, er werde das Universitätsautonomie-Gesetz nicht zurücknehmen. Doch Professoren und Studenten wollen ihre Proteste erst beenden, wenn Hochschulministerin Valérie Pécresse mit ihnen verhandelt. Auslöser für die Proteste sind gleich mehrere Reformen. Da ist zum einen das direkt nach der Wahl Sarkozys beschlossene Autonomie-Gesetz, das die Universitäten zwingt, spätestens ab 2012 mehr für ihre Einnahmen zu tun. Bisher überweist der Staat einen festen Betrag, der sich nach der Anzahl der Studenten und der Größe des Campus richtet. Künftig jedoch sollen die Hochschulen nach Leistung bezahlt werden. Diese soll anhand der Zahl der von den Professoren veröffentlichten Fachartikel gemessen werden und daran, wie schnell die Absolventen nach dem Studium eine Arbeit finden. Gleichzeitig sollen sich die Universitäten um private Sponsoren bemühen, um neue Hörsäle und Labors zu finanzieren. "Die Universität ist kein Unternehmen, und Bildung ist keine Ware", wehrt sich die Protestbewegung. Sie fürchtet, dass die Reform zu einem gnadenlosen Konkurrenzkampf führen wird, bei dem die Lehre auf der Strecke bleibt und gleichzeitig eine Kluft zwischen Elitestudiengängen und anderen Fächern entsteht. Professoren und Dozenten bangen jedoch auch um ihre Privilegien. Denn künftig können die Rektoren der Universitäten direkt ihre Laufbahn beeinflussen, sie für Forschungssemester freistellen oder sie für mehr Lehrveranstaltungen einteilen. Bisher sind die Professoren verpflichtet, 128 Stunden pro Jahr für die Lehre zur Verfügung zu stehen. Kritiker fürchten, dass künftig Stellen wegfallen könnten - und dass Dozenten, die wenig forschen, mehr unterrichten müssen. Daneben erregt auch die von Bildungsminister Xavier Darcos angekündigte Reform der Lehrerausbildung Unmut. Künftig soll das einjährige Referendariat wegfallen, dafür sollen die Kandidaten statt des bisher vorgeschriebenen dreijährigen Licence-Studienganges einen fünfjährigen Master sowie ein deutlich schlechter bezahltes mehrwöchiges Praktikum absolvieren. Der Staat spart dadurch Geld, doch die Lehrerausbildung wird damit im Gegenzug noch praxisferner als ohnehin. Statt wie geplant mit der Reform die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Universitäten im internationalen Vergleich zu steigern, hat die Regierung das Gegenteil erreicht. Denn die Protestwelle ruiniert den Ruf der Hochschulen. Partneruniversitäten aus den USA stornieren bereits Austauschprogramme und wollen das Auslandssemester in Frankreich wegen fehlender Leistungsnachweise nicht anerkennen. Die eigentlich Leidtragenden sind jedoch die Studenten, denn sie müssen entweder im Sommer nachsitzen, oder sie verlieren ein Semester.

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