Sarkozy gibt vor den Wahlen Gas

Paris. Nicolas Sarkozy will drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen seinen Reformwillen unter Beweis stellen. Er traf sich deshalb gestern mit Vertretern der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften zu einem Krisengipfel, um ihnen vorzustellen, wie er die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen und die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie steigern will

Paris. Nicolas Sarkozy will drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen seinen Reformwillen unter Beweis stellen. Er traf sich deshalb gestern mit Vertretern der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften zu einem Krisengipfel, um ihnen vorzustellen, wie er die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen und die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie steigern will. Auf die geplante "soziale Mehrwertsteuer" ging er nicht ein. Stattdessen kündigte er ein Notprogramm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Umfang von 430 Millionen Euro an. "Der Ernst der Krise zwingt uns dazu, Entscheidungen zu treffen", sagte er. "Wir können damit nicht bis zu den Wahlen warten."Demnach sollen in den überlasteten Arbeitsämtern tausend zeitlich befristete Stellen geschaffen werden, um Arbeitssuchenden besser zu helfen. Gleichzeitig will Sarkozy 100 Millionen Euro für Firmen bereitstellen, die statt zu entlassen Kurzarbeit einführen wollen. Kleinstbetriebe, die Jugendliche einstellen, sollen von den Sozialabgaben befreit und das Aus- und Weiterbildungsangebot für Langzeitarbeitslose gestärkt werden.

Sarkozy steht nicht erst nach der Abwertung durch die Ratingagentur Standard & Poor's unter Druck. Seine wirtschaftspolitische Bilanz gilt seit längerem als enttäuschend. So dürfte Frankreich 2011 ein Rekord-Handelsbilanzdefizit von 70 Milliarden Euro verbucht haben. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit im Dezember auf ihren höchsten Stand seit 1999. Sie liegt bei fast zehn Prozent. Nach Ansicht Sarkozys sind daran vor allem die hohen Arbeitskosten Schuld. "Bei einem Bruttogehalt von 2500 Euro sind die Arbeitgeber-Abgaben in Frankreich doppelt so hoch wie in Deutschland", sagte er bei dem Treffen mit den Sozialpartnern.

Sarkozy will daher noch vor den Wahlen im Eilverfahren die "soziale Mehrwertsteuer" durchsetzen, um die Unternehmen so dazu zu bewegen, mehr Arbeitskräfte einzustellen. Das Projekt sieht vor, die Sozialabgaben für Arbeitgeber zu senken und im Gegenzug dafür die Mehrwertsteuer von 19,6 Prozent um zwei bis vier Prozentpunkte zu erhöhen. Dies stößt bei Gewerkschaften, der sozialistischen Opposition und auch in der Regierungspartei UMP auf Widerstand. Sie befürchten, dass die Bevölkerung so einen wichtigen Teil ihrer Kaufkraft einbüßen wird. wü

Foto: dpa

Meinung

Verzweifelter

Wahlkämpfer

Von SZ-MitarbeiterinGesche Wüpper

Drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen liegt Sarkozy noch immer hinter seinem sozialistischen Herausforderer François Hollande. Deshalb setzt er jetzt alles auf eine Karte. Er will sich als tatkräftiger Bekämpfer der Krise präsentieren. Doch es ist zu spät. Statt nach seiner Wahl 2007 milliardenschwere Steuergeschenke zu verteilen, hätte er besser daran getan, seine damals große Beliebtheit zu nutzen, um unbequeme Reformvorhaben anzupacken. Jetzt wirkt sein Eifer nur noch wie der verzweifelte Versuch eines Ertrinkenden, nicht unterzugehen.

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