Sachsen steuert auf Schwarz-Rot zu

Berlin · Angela Merkel war gekommen. Auch Gregor Gysi trat auf, und sogar ein gewisser Gerhard Schröder gab sich die Ehre. Mit ihren bundesweit bekannten Zugpferden gingen CDU , Linke und SPD in Sachsen gestern noch einmal auf Wählerfang.

Am Sonntag wird im Freistaat ein neuer Landtag bestimmt. Und nach allen Umfragen gibt es einen klaren Favoriten: Stanislaw Tillich von der CDU . Der 55-jährige Sorbe residiert bereits seit sechs Jahren in der Dresdner Staatskanzlei und erfreut sich größter Beliebtheit im Volk. Dass der alte Regierungschef auch der neue sein wird, stellt nicht einmal die Opposition ernsthaft in Frage. Doch dahinter wird es spannend. Auch für die bundespolitische Stimmung.

Als gesichert gilt, dass sich Tillich einen neuen Partner suchen muss. Für eine Alleinregierung ist die CDU nicht stark genug. Nach den letzten Umfragen liegt sie bei gut 40 Prozent. Und die FDP ist zu schwach, um die letzte noch existierende schwarz-gelbe Bastion zu verteidigen. Nach allen Prognosen fliegt sie sogar ganz aus dem Parlament. Eine Wiederauferstehung der Liberalen im Bund wird damit immer schwieriger. Parteichef Christian Lindner könnte sich allenfalls damit trösten, dass die Sachsen-FDP ihren eigenen Kopf hat und auf Schützenhilfe im Wahlkampf demonstrativ verzichtete. Insofern wäre Lindner für das absehbare Desaster auch schwerlich verantwortlich zu machen.

Ein weiterer bundespolitischer Aspekt: Mit der AfD dürfte erstmals eine konservative Partei rechts von der CDU in ein Landesparlament einziehen. Sie wird auf sieben Prozent taxiert. Diese Stärke lässt auch alle rot-rot-grünen Träume in Sachsen platzen. Zwar könnten Linke, SPD und Grüne zusammen womöglich mehr Gewicht auf die Waage bringen als die CDU allein. Aber zu einer Regierungsbildung wird es nicht reichen.

Da Tillich keinerlei Neigung verspürt, mit der AfD zu paktieren, bleibt als wahrscheinlichste Lösung eine große Koalition. Wobei diese Bezeichnung der sächsischen SPD sehr schmeichelt. Schon vor fünf Jahren kamen die Genossen nur auf 10,4 Prozent. Die aktuelle Vorhersage 15 Prozent ist auch kein Ruhmesblatt. Sei's drum. Bei der großen Koalition in Berlin wäre man über ein schwarz-rotes Sachsen sicher alles andere als traurig.

Für etwas Zündstoff im Berliner Regierungsalltag könnte dagegen ein schwarz-grünes Bündnis in Dresden sorgen. Ministerpräsident Tillich werden große Sympathien für dieses Farbenspiel nachgesagt. Die grüne Spitzenkandidatin Antje Hermenau stünde ebenfalls bereit für ein solches Experiment. Nach Hessen wäre es der zweite schwarz-grüne Feldversuch in einem Flächenland. Damit ließen sich zweifellos auch schwarz-grüne Phantasien für 2017 im Bund beflügeln - zur Freude der CDU , zum Ärger der SPD . Allein, aus rechnerischen Gründen ist ein Duo Tillich/Hermenau unwahrscheinlich. Die Grünen liegen derzeit nur bei 5,5 Prozent, müssen also sogar um den Wiedereinzug in den Landtag bangen.

Zum größten Gegner der etablierten Parteien droht indes die Wahlmüdigkeit der Sachsen zu werden. Auf Betreiben der CDU wurde der Urnengang auf den letzten Ferientag terminiert. So könnte auch die NPD wieder über die Fünf-Prozent-Hürde springen. Als kleine Rechtsaußen-Partei profitiert sie in aller Regel von einer geringen Wahlbeteiligung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort