„Saarstahl hatte viele Retter“

Ohne den Beitrag der Belegschaft, der Betriebsräte und der IG-Metall in der Zeit des Saarstahl-Konkurses gäbe es das Unternehmen heute nicht mehr. Darauf verweist Peter Hartz, lange Jahre Arbeitsdirektor der Dillinger Hütte und auch von Saarstahl. Mit ihm sprach SZ-Redakteur Thomas Sponticcia.

 Peter Hartz war von 1976 bis 1993 Arbeitsdirektor in der Saar-Stahlindustrie. Fotos: Rolf Ruppenthal

Peter Hartz war von 1976 bis 1993 Arbeitsdirektor in der Saar-Stahlindustrie. Fotos: Rolf Ruppenthal

 Albrecht Herold

Albrecht Herold

 Kurt Hartz Foto: Engel & Seeber

Kurt Hartz Foto: Engel & Seeber

Foto: Engel & Seeber

Wer hat Saarstahl vor 20 Jahren aus dem Konkurs gerettet?

Hartz: Es gab viele Retter. Alle hatten nur ein Ziel: Wir schaffen das. Das galt für die Landesregierung, das Unternehmen, die Konkursverwalter, die Betriebsräte, die IG-Metall und natürlich die Belegschaft.

Welchen Anteil haben die Belegschaft und die Betriebsräte an der Saarstahl-Rettung?

Hartz: Das Unternehmen wurde mit den Arbeitnehmern für die Arbeitnehmer gerettet. Die kluge Haltung der Betriebsräte hat enorm viel dazu beigetragen. Schon vor dem Konkurs musste die Belegschaft viele Opfer bringen. Es gab Wellen von Personalabbau, aber es wurde darauf geachtet, dass Betroffene anständig behandelt wurden, es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt.

Was haben die Betriebsräte eingebracht?

Hartz: Sie haben Verantwortung bewiesen mit Maßnahmen, die zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit führen sollten. So haben sie schon vor dem Konkurs mehrfach mitgetragen, dass übertarifliche Leistungen gekürzt wurden. Und Tariferhöhungen nicht immer in der üblichen Höhe weitergegeben wurden.

Der Konkurs kam aber doch.

Hartz: Nach dem Konkurs haben die IG Metall und die Belegschaftsvertreter erneut eine Meisterleistung vollbracht. Gegenüber den damaligen Anteilseignern von Saarstahl, aber auch gegenüber der Landesregierung unter Ministerpräsident Oskar Lafontaine haben sie unmissverständlich klargestellt, dass das Unternehmen weiterlaufen muss und die wettbewerbsfähigen Arbeitsplätze erhalten bleiben müssen. Am Ende haben sie sich durchgesetzt. Die Landesregierung stand eng an ihrer Seite.

Wie kampfbereit war die Belegschaft?

Hartz: Die IG Metall als öffentliche Vertretung der Betriebsräte und der Belegschaft hat immer wieder gezeigt, dass sie kämpfen kann. Es gab ständig Druck auf die Entscheider, Veranstaltungen im Betrieb, große Demonstrationen. Ich erinnere nur an die Großdemonstration in Völklingen, bei der auch das ganze Land eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, dass es zu den Stahlarbeitern steht.

Hatten die Mitarbeiter damals im Jahr 1993 mit dem Saarstahl-Konkurs gerechnet?

Hartz: Sie wussten, dass es eng war. Dank der Mitbestimmung im Unternehmen wurden sie ständig von den Arbeitnehmer-Vertretern im Aufsichtsrat informiert. Die Betriebsräte, Aufsichtsräte und Funktionäre der IG Metall waren höchst alarmiert und besorgt. Rudolf Judith, Vorstandsmitglied der IG Metall und seine rechte Hand Jürgen Peters, später IG-Metall-Vorsitzender, Konzern-Betriebsratschef Edwin Ebert und sein Stellvertreter Werner Fries, Ellen Neumann, Betriebsratsvorsitzende von Saarstahl-Neunkirchen, Dieter Raubuch, Betriebsratsvorsitzender von Saarstahl-Burbach und Heinz Gemenig, Betriebsratsvorsitzender von Dillingen, konnten wegen ihrer Machtposition im Aufsichtsrat auf Augenhöhe mit der Geschäftsführung die Lage und ihre Konsequenzen besprechen.

Welche Rolle hatten Albrecht Herold und Ihr Bruder Kurt?

Hartz: Beide haben die Anliegen der Stahlarbeiter koordiniert. Beide saßen auch im Landtag. Herold stand ständig im Zentrum der Macht. Ob als IG-Metall-Mitglied oder als Landtagspräsident. Er hat die Landespolitiker in der Stahlfrage zusammengehalten. Er wusste genau, wie man sich Respekt verschafft. Sein Wort hatte Gewicht. Zumal er als Vorstandsmitglied auch exzellente Kontakte in die IG Metall-Zentrale und zur Bundespolitik hatte. Mein Bruder war erster Bevollmächtigter der IG Metall in Völklingen und Organisator vor Ort. Er hat die Kontakte zu den Beschäftigten gehalten, die Belegschaften motiviert, den Kampf nicht aufzugeben. Er stand in vorderster Reihe wie ein Fels in der Brandung.

Wurde über die Saarstahl-Krise viel in Ihrer Familie diskutiert?

Hartz: Natürlich. Das Thema hat einen mit Haut und Haaren Tag und Nacht beschäftigt. Es ging immer nur um das Ziel: Keiner kommt unter die Räder.

Oskar Lafontaine lässt sich heute gerne als der Retter von Saarstahl feiern. Wie sind Sie mit ihm zurechtgekommen?

Hartz: Wir haben in unserer gemeinsamen Stahlzeit gut zusammengearbeitet. Eins war klar: Um Saarstahl zu retten, braucht man die Macht, die Mittel und die Ideen. Wir haben mit jeder Landesregierung gut zusammengearbeitet.

Welche Rolle fiel Ihnen nach dem Saarstahl-Konkurs zu?

Hartz: Die Geschäftsführung hatte nicht mehr das Sagen. Es half, dass einer der Konkursverwalter Jean Lang war, mit dem ich zuvor über zehn Jahre im Vorstand in der Dillinger Hütte saß. Lang war dort Vorstandsvorsitzender und kannte die Saar-Stahlindustrie schon 40 Jahre. Hans Ringwald als weiterer Konkursverwalter war ein rabiater Mann, aber mit einem guten Herzen. Er hatte immer ein Ohr für die Belange der Belegschaft. Mir fiel noch einige Zeit die Aufgabe zu, die Stahlstiftung zu betreuen - ich ging dann ja zu VW. Die Struktur der Stahlstiftung hatten wir schon in den vorausgegangenen Krisenjahren geschaffen.

Was ist das Besondere der Stahlstiftung?

Hartz: Jeder, der formal entlassen werden musste, damit er nicht mehr vom Unternehmen bezahlt wird, bekam Arbeitslosengeld und eine Unterstützung über die Stiftung. Wir hatten auch Maßnahmen geschaffen, um Mitarbeiter in das Unternehmen zurückzuholen. Etwa als Nachfolger für Mitarbeiter, die in Rente gehen. Viele Regelungen wurden nur mündlich abgesprochen wegen des Vertrauensverhältnisses zwischen den Verantwortlichen.

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