Zwischen Müdigkeit und wachen FragenJunge Filmfans mit Händchen für Kontakte

Saarbrücken. Als erstes fällt auf: Es ist ziemlich kühl in "Lolas Bistro" in der Garage, wo beim Mitternachtstalk ab 23 Uhr je eine halbe Stunde lang vier Filme besprochen werden

 Brian Goff und Philippe Weibel ("Trapped") stellen sich Oliver Hottongs Fragen (v.l.). Foto: Iris Maurer

Brian Goff und Philippe Weibel ("Trapped") stellen sich Oliver Hottongs Fragen (v.l.). Foto: Iris Maurer

Saarbrücken. Als erstes fällt auf: Es ist ziemlich kühl in "Lolas Bistro" in der Garage, wo beim Mitternachtstalk ab 23 Uhr je eine halbe Stunde lang vier Filme besprochen werden. Soll die Temperatur die vielleicht schon erschöpften Festivalbesucher vor dem Einnicken bewahren? Zu Beginn ist die Veranstaltung am Dienstagabend noch eher schwach besucht, doch nach den ersten Worten des Moderators strömen schnell ein paar Leute von draußen nach.Der Mitternachtstalk ermöglicht eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Filmen, als es die kurzen Besprechung nach der Vorstellung im Kinosaal erlaubt. Einspieler stellen sicher, dass auch die, die den Film nicht gesehen haben, einen Eindruck bekommen. Die Moderatoren Oliver Hottong und Shirin Sojitrawalla sind bemerkenswert gut vorbereitet. Sie diskutieren abwechselnd mit Regisseuren und weiteren Mitschaffenden je zwei Filme und entlocken ihnen viele interessante Antworten.

"Ist euch der Wald eigentlich nicht irgendwann auf den Zeiger gegangen?", fragt Hottong Philippe Weibel und Brian Goff, Regisseur und Kameramann des Films "Trapped". Dieser handelt von zwei Zoologie-Studenten, die für ihre Abschlussarbeit tief im Wald Wölfe beobachten wollen - und dabei in seltsame Ereignisse verwickelt werden. "Bäume, Bäume, Bäume - jeden Tag musste ich überlegen, was ich heute mit ihnen mache", sagt Goff lachend. Weibel erklärt: "Einen Wald kann man schön inszenieren oder bedrohlich wirken lassen - unser Ziel war, mit verschiedenen Stimmungen zu arbeiten."

Im Laufe der Gespräche füllt sich "Lolas Bistro" mehr und mehr. Ebenso wächst wahrscheinlich bei den meisten das Verständnis der Filme, die sie gesehen haben. Zum Beispiel "Ein schmaler Grat" mit Felicitas Woll und Heiner Lauterbach. Der Film ließ einen nach der Vorstellung etwas ratlos zurück. Aber nach dem Gespräch ist man deutlich schlauer. "Der Film soll nicht den Täter in den Fokus stellen, sondern die Traumatisierung des Opfers", erklärt Regisseur und Autor Daniel Harrich. Deshalb habe er den Film auch aus der Perspektive der Journalistin Dana Herrendobler gedreht, nicht aus der des Serienmörders Johannes Heintz.

Nicht nur die Moderatoren, auch die Gäste können ihre Fragen loswerden. Und die sind durchaus kritisch. "Befürchten Sie nicht, dass Ihr Film das Klischee des kriminellen Russen festigt?", fragt ein Besucher die Macher von "Nemez". "Der Film soll Klischees aufbrechen", hält Regisseur Stanislav Güntner dagegen. "An welchen Stellen passiert das denn?", kommt die Gegenfrage. Ein Deutschrusse aus dem Publikum klinkt sich in die Diskussion ein. "Ich habe mich in der Geschichte wiedergefunden. Die Realität ist oft klischeehafter, als es der Film zeigt." Im Gespräch über "Nemez" erklärt Güntner außerdem schön die enge Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten: "Ich erzähle Levan Basharuli, dem Komponisten, welche Stimmung ich erzeugen möchte, welche Gefühle ich übermitteln will, und dann setzt er sich ans Klavier und spielt eine passende Melodie - das ist Teamwork."

Wer nach den Talks noch Redebedarf hat, kann sich persönlich an die Filmemacher wenden. Auch nachdem sie die Bühne verlassen haben, bleiben viele von ihnen noch im Zuschauerraum stehen und sind für ein Gespräch bereit.

 Die Jugendjury des 34. Filmfestivals Max Ophüls Preis: Laura Maurer, Jan Schröder, Hannah-Lisa Paul, Jörn Michaely und Stella Kirpoglau (von links). Foto: Oliver Dietze

Die Jugendjury des 34. Filmfestivals Max Ophüls Preis: Laura Maurer, Jan Schröder, Hannah-Lisa Paul, Jörn Michaely und Stella Kirpoglau (von links). Foto: Oliver Dietze

Ab halb eins leert sich die Talk-Ecke immer mehr, im Hintergrund entsteht das Gemurmel privater Gespräche, die Konzentration des Publikums sinkt spürbar. Wenn der erste Film des Tages um elf Uhr vormittags läuft, ist ein Talk bis ein Uhr nachts vielleicht doch ein wenig zu viel des Guten. Saarbrücken. Gerade haben sie ihr erstes Fotoshooting absolviert, vor der Festival-Wand, vor der sonst die Stars und Sternchen posieren. Die Kameras sind schon längst weitergezogen. Doch noch immer stehen die zwei Jungs und drei Mädels der Schülerjury vor der Wand. Das Lächeln aus ihren Gesichtern will gar nicht mehr weichen. "Vielleicht liegt's ja am Sauerstoffmangel, dass wir so aufgekratzt sind", spekuliert Stella Kirpoglau, 16, schließlich säßen sie heute schon seit neun Stunden im Kino. Vier Wettbewerbsfilme müssen sich die Schülerjuroren täglich ansehen, um am Ende des Festivals den besten zu küren. Doch als Tortur empfindet das die Saarbrückerin Kirpoglau das nicht. "Ich bin ganz begeistert, was für gute Sachen bei den Nachwuchs-Regisseuren herauskommen, denn die haben ja alle nur kleine Budgets", staunt sie. Laura Maurer, 16, spricht zwar sehr gut Deutsch, kannte bisher kaum deutsche Filme. Denn die Französin lebt eine Autostunde entfernt in Waldhambach. Aber einer ihrer Freunde sei voriges Jahr Schülerjuror beim MOP gewesen, der habe ihr so davon vorgeschwärmt, dass ihr gar nichts anderes übrig blieb, als sich auch mal für die Jury zu bewerben. Ähnlich verhielt es sich bei Hannah-Lisa Paul. In ihrer Freizeit spielt die 16-jährige Saarbrückerin Theater im Überzwerg-Jugendclub. Eine ihrer Freundinnen hat ihr erzählt, wie toll es sei, als Schülerjurorin das Festival, die jungen Schauspieler und Regisseure hautnah mitzuerleben. "Es ist superleicht, mit den Filmemachern Kontakte zu knüpfen, sie sind super zugänglich", hat Jörn Michaely festgestellt. Der 18-Jährige St. Ingberter dreht selbst Kurzfilme, genau so wie sein Mit-Juror Jan Schröder, 16. Beim gemeinsamen Essen in der VIP-Lounge haben die Beiden schon mit etlichen Profi-Kollegen gefachsimpelt. Michaely, ziemlich clever, hat ihnen dabei jedesmal eine DVD mit seinen eigenen Filmen überreicht. "Sogar Michael Ballhaus habe ich eine angedreht", grinst Michaely stolz. Ihren nächsten Kurfilm wollen Michaely und Schröder vielleicht gemeinsam drehen. Die Mädchen könnten ja als Schauspielerinnen mitmachen, sind sie sich einig. Doch jetzt wartet erstmal der nächste Wettbewerbsfilm auf die Jung-Juroren. Gerard Rouget mahnt zur Eile. Der Leiter der Medienabteilung bei der Volkshochschule betreut wie jedes Jahr die Schülerjury und hat sie mit einem Filmseminar vorher gebrieft. Nach dem letzten Film übernimmt Rouget sogar noch Chauffeur-Dienste, um die junge Leute zum Festivalclub zu begleiten. "Die meisten sind ja noch nicht volljährig", erklärt er, "da muss ich ja ein bisschen auf sie aufpassen". sbu

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