Zum Reinbeißen gutReichtum an Tier- und Pflanzenarten

Homburg. Der Arbeitskreis "Obstsorten" des Verbandes der Gartenbauvereine Saarland/ Rheinland-Pfalz hat den Tafel- und Wirtschaftsapfel "Kaiser Wilhelm" zur Streuobstsorte des Jahres 2011 für das Verbandsgebiet gekürt. Die Sorte kommt auf den Streuobstwiesen im Saarland, insbesondere im Saarpfalz-Kreis, und in Rheinland-Pfalz bis heute noch relativ häufig vor

Homburg. Der Arbeitskreis "Obstsorten" des Verbandes der Gartenbauvereine Saarland/ Rheinland-Pfalz hat den Tafel- und Wirtschaftsapfel "Kaiser Wilhelm" zur Streuobstsorte des Jahres 2011 für das Verbandsgebiet gekürt. Die Sorte kommt auf den Streuobstwiesen im Saarland, insbesondere im Saarpfalz-Kreis, und in Rheinland-Pfalz bis heute noch relativ häufig vor. Als Streuobstwiesen werden die traditionellen Formen des Obstbaues bezeichnet, bei denen unterschiedliche alte Hochstämme verschiedener Obstarten und -sorten auf den Wiesen "zerstreut" stehen: davon rührt auch der Name "Streuobstwiesen". Sie sind ein typischer und althergebrachter Bestandteil der bäuerlichen Kulturlandschaft. Ab Christi Geburt brachten die Römer Kulturformen der heute ge-bräuchlichen Arten nach Europa - und auch in den Bliesgau.

Zunächst waren die Obstbäume als um die Ortschaften und in Gärten anzutreffen ("Bungerte"). Sie dienten einerseits als siedlungsnahe Viehweide und lieferten außerdem Futter und vor allem Obst. Etwa im 15. und 16. Jahrhundert dehnten sich die Streuobstwiesen in die weitere Landschaft aus. Besonders gerne wurden sie in ehemaligen Weinbergen angepflanzt, aus denen sich der Weinbau infolge des starken Auftretens der Reblaus zurückgezogen hatte. Die heutigen Strukturen der großflächigen Streuobstbestände im Bliesgau entwickelten sich im 18./19. Jahrhundert. Dominante Obstart im Bliesgau war die Zwetschge. Sie gehörte im 19. Jahrhundert zu den Grundnahrungsmitteln und wurde sogar in viele Teile Deutschlands exportiert. Mehr im Norden des Bliesgaus dominieren aufgrund der klimatischen und geologischen Gegebenheiten hingegen die Apfelbäume.

Grund für die Beliebtheit der Sorte "Kaiser Wilhelm" sind sicherlich die vielfältigen Verarbeitungsmöglichkeiten der Früchte. Die Äpfel behalten beim Backen ihre schöne helle Farbe und bleiben bissfest. Als Gelee schmecken sie fein fruchtig, erklärt der Verband. Als Obstbrand können sie - auch sortenrein gebrannt - gut bestehen und auch für die Saftherstellung sind sie geeignet.

Die meist rot gestreiften, recht großen Früchte lachen ihre Betrachter förmlich an und laden zum Reinbeißen ein, heißt es. Kein Fehler, denn der Apfel ist auch zum Frischverzehr geeignet. Er schmeckt feinsäuerlich und hat ein leichtes, feines Aroma. Das gelblich-weiße Fruchtfleisch ist fest, aber nur mäßig saftig. Insbesondere sehr große Früchte neigen zu Fleischbräune und Stippe. Dieser Apfel bildet große bis mächtige, breitrunde Kronen aus. Die stattlichen, landschaftsprägenden Bäume benötigen nährstoffreiche, wärmere Böden, die nicht zu trocken sein sollten. Auch in höheren, raueren Lagen kann die Sorte angepflanzt werden.

1864 entstand "Kaiser Wilhelm" als Sämling der Sorte "Harberts Renette" und galt früher als eine der Hauptsorten. Geerntet wird Ende September bis Mitte Oktober. Die Früchte können direkt verzehrt oder verarbeitet werden. Eine Lagerung ist bis März/April möglich. Der Ertrag schwankt von Jahr zu Jahr, die Sorte neigt zu Alternanz. Darunter versteht man die Schwankung des Fruchtertrages im zweijährigen Rhythmus an Obstbäumen. Die "Kaiser-Wilhelm-Bäume" blühen mittelspät, lange anhaltend und sind unempfindlich. Die Apfelsorte ist in Obstbaumschulen erhältlich oder kann dort auf Nachfrage veredelt und kultiviert werden.

Verwertung und Vermarktung von Streuobstprodukten gewinnen wieder an Beutung und Interesse in der Bevölkerung. Aus dem Obst werden Säfte, Schnäpse, Marmelade oder sonstige Produkte hergestellt. Die Obst- und Gartenbauvereine mit ihren Keltereien und Brennereien haben hierbei eine besonders wichtige Bedeutung. Homburg/Bexbach/Kirkel. Die Streuobstwiesen sind bekannt für ihren großen Reichtum an Tier- und Pflanzenarten. Bis zu 1000 verschiedene Tierarten können in Streuobstbeständen leben. Zahlreiche Arten, wie der Gartenrotschwanz, der Wendehals, der Steinkauz oder auch viele Insekten, sind durch den zunehmenden Verlust an Obstwiesen aller Orten vom Aussterben bedroht. Die artenreichen Pflanzengemeinschaften auf den extensiv genutzten Wiesen werden von Arten wie der gelb blühenden Schlüsselblume, dem blau blühenden Wiesensalbei oder verschiedenen Orchideenarten dominiert. Streuobstwiesen dienen auch als Gen-Reservoir für alte Obstbaum-Sorten. Die schönsten und erhaltenswertesten Obstbaumwiesen befinden sich im südwestlichen Bliesgau um die Gemeinden Mandelbachtal, Gersheim und Blieskastel. Haupt-Obstarten sind Äpfel, Zwetschge, Süßkirsche und Birne. Eine Bestandserhebung vor Jahren ergab, dass im Kreis 100 000 Obstbäume wachsen dürfen. Vor 40 Jahren waren es noch über 200 000 Bäume. jkn

Auf einen Blick

 "Kaiser Wilhelm", den es oft in der Saarpfalz gibt, ist Apfelsorte des Jahres 2011. Foto: SZ

"Kaiser Wilhelm", den es oft in der Saarpfalz gibt, ist Apfelsorte des Jahres 2011. Foto: SZ

Die besten Ratgeber für Streuobst sind in den Orten die jeweiligen Obst- und Gartenbauvereine. Informationen gibt es zudem in Homburg beim Saarpfalz-Kreis, Tel. (0 68 41) 10 40, beim Bisophärenzweckverband in Blieskastel, Tel. (0 68 42) 96 00 90 und beim Verband Gartenbauvereine Saarland/Rheinland-Pfalz, Tel. (0 68 87) 9 03 29 99. jkn

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