Zug rauscht einfach am Bahnhof vorbei

Niederlinxweiler · Mit vereinten Kräften erklimmen am Dienstagmorgen Reisende einen Regionalexpress. Dessen Lokführer hatte den planmäßigen Stopp in Niederlinxweiler offensichtlich verschwitzt, so dass sein Zug erst hinter dem Bahnsteig gehalten hat. Das machte den Einstieg zum Kraftakt.

 Eben noch so ist die letzte Kante vom Bahnsteig in Niederlinxweiler zu erspähen. Der Regionalexpress hielt erst komplett hinter dem Bahnhof. Foto: Leserreporter

Eben noch so ist die letzte Kante vom Bahnsteig in Niederlinxweiler zu erspähen. Der Regionalexpress hielt erst komplett hinter dem Bahnhof. Foto: Leserreporter

Foto: Leserreporter

8.54 Uhr: Aus Richtung St. Wendel braust der Regionalexpress (RE) nach Saarbrücken an. Auf dem Bahnsteig in Niederlinxweiler warten Passagiere, die zusteigen wollen. "Doch der Zug sauste einfach weiter", berichtet wenig später eine junge Frau, die zu Vorlesungen an die Uni in der Landeshauptstadt will. "Dann bremste er doch noch, blieb aber erst hinter dem Bahnsteig stehen." Die 27-Jährige ist davon überzeugt, dass der Lokführer einfach vergessen hatte, hier einen Zwischenhalt einzulegen.

Damit ist doch am Dienstagmorgen ja nochmal alles gut gegangen - oder? Schon, aber mit etlicher Kraftanstrengung, wie die Sportstudentin ironisch schildert. "Denn der Zugführer war bereits hinter einer Kurve weit entfernt von uns verschwunden." Als die wartenden Kunden den Bahnsteig aufs Gleisbett verließen, habe er ihnen per Hand Zeichen gegeben, den Versuch abzubrechen, so in die Wagen zu steigen. "So blieben die Türen auch zuerst verriegelt. Und von drinnen winkten uns Passagiere zu, die in Niederlinxweiler aussteigen wollten." Die nun ebenfalls vor verschlossenen Pforten standen.

Die Niederlinxweilerin weiter: "Dann kam ein Schaffner und öffnete uns die Eingänge." Damit begann nun der eigentliche Kraftakt. Denn die Treppenaufgänge in die Regionalzüge seien ohnehin zumeist auch vom Bahnsteig aus besonders für Ältere schwer zu erklimmen. Zum einen klafften wegen des Abstands zur Bahnsteigkante erhebliche Lücken, zum anderen seien die Stufen recht hoch. Nun aber standen die Reisenden noch ein gutes Stück tiefer, ebenerdig zu den Gleisen. "Eine ältere Frau sagte uns, dass sie auf alle Fälle mit müsste, sie habe einen Termin in Saarbrücken", schildert die Studentin weiter und amüsiert sich darüber bei der Vorstellung, wie dies auf Beobachter gewirkt haben müsse. Denn das gelang demnach nur mit vereinten Kräften: "Ich habe von unten die Frau hochgedrückt, der Schaffner und ein weiterer Fahrgast haben von innen an ihr gezogen." Und auch für die sportliche junge Frau sei die Eingangshöhe eine stramme Hürde gewesen. Ähnlich sei es denen ergangen, die aussteigen wollten.

Ein Pressesprecher der Deutschen Bahn (DB) in Frankfurt/Main spricht in diesem Zusammenhang von "menschlichem Versagen. Sowas darf nicht vorkommen." Was den Einstieg jenseits der Bahnsteige betrifft, sei dies in der Tat ein Problem. Der DB-Sprecher konkret: "Der Zugverkehr ist eine gefährliche Sache, wenn sich Menschen im Schienenbereich aufhalten." Darum dürften Kunden lediglich in Ausnahmefällen und dann mit Zustimmung des Zugpersonals außerhalb der Steige die Waggons verlassen oder zusteigen. Zwar komme prinzipiell auch infrage, dass der Lokführer zurückstößt. "Das ist aber technisch sehr komplex", sagt der DB-Vertreter, und führe zu Verspätungen auch nachfolgender Züge. Wie die Betroffenen in diesem Fall berichten, kam der RE in Saarbrücken sieben Minuten zu spät an. Laut Bahnsprecher untersuche sein Unternehmen zurzeit den Vorfall.

Übrigens: Die meisten RE-Züge fahren ohnehin zwischen St. Wendel und Ottweiler an Niederlinxweiler vorbei; nur einige wenige am Tag stoppen hier. Anders die Regionalbahnen (RB), die alle in dem St. Wendeler Stadtteil planmäßig anhalten.

Den Tipp für diesen Artikel bekamen wir von einer Leserin (27) aus Niederlinxweiler. Wenn auch Sie Interessantes zu erzählen haben, hinterlassen Sie einfach eine Sprachnachricht: Telefon (06 81) 5 95 98 00; E-Mail: leser-reporter@sol.de

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