"Zu frühe Auslese in Saar-Schulen"

Es gibt rund 22000 Italiener im Saarland, aber nur 4557 von ihn haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Wie bewerten Sie das?Schlein: Ich werbe dafür, auch die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Das hat keine Nachteile, denn jeder Italiener behält ja dann als EU-Bürger die italienische Staatsangehörigkeit

 Die italienische Konsulin Susanna Schlein im Gespräch mit Ministerpräsident Peter Müller (CDU) in der Staatskanzlei. Foto: Maurer

Die italienische Konsulin Susanna Schlein im Gespräch mit Ministerpräsident Peter Müller (CDU) in der Staatskanzlei. Foto: Maurer

Es gibt rund 22000 Italiener im Saarland, aber nur 4557 von ihn haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Wie bewerten Sie das?

Schlein: Ich werbe dafür, auch die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Das hat keine Nachteile, denn jeder Italiener behält ja dann als EU-Bürger die italienische Staatsangehörigkeit. Und der Vorteil besteht darin, dass man dann auch an der politischen Willensbildung, also an Landtags- und Bundestagswahlen in Deutschland, teilnehmen kann.

Warum haben bisher so wenige Italiener im Saarland die deutsche Staatsangehörigkeit?

Schlein: Einerseits ist es dank der Unionsbürgerschaft und den damit verbundenen Rechten für die Italiener in Deutschland nicht mehr ganz so zwingend, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Eine andere Ursache könnte einfach Unkenntnis über die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft sein. Dennoch dürfte die Zahl der Menschen mit italienischer und deutscher Staatsangehörigkeit im Saarland im Laufe der Zeit zunehmen. Denn in Deutschland geborene Kinder von Italienern erhalten in den meisten Fällen automatisch beide Staatsangehörigkeiten.

40 Prozent der Schüler an weiterführenden Schulen im Land besuchen das Gymnasium, aber nur 14 Prozent der italienischen Schüler. Warum ist das so?

Schlein: Auch hier könnte Unkenntnis ein Grund sein, denn das deutsche Schulsystem ist anders als das italienische. In Italien besuchen die Schüler acht Jahre lang ein Schule, bevor eine Auslese stattfindet. In Deutschland findet diese Auslese schon nach dem vierten Schuljahr statt. Kultusministerium und Konsulat haben daher unlängst eine italienischsprachige Broschüre herausgebracht, die das deutsche Schulsystem erklärt. Unabhängig davon bleibt der Zwang, sich bereits nach dem vierten Schuljahr für eine weiterführende Schule entscheiden zu müssen, gerade für Schüler mit Migrationshintergrund sowie aus unteren sozialen Schichten sicherlich ein Problem.

Die Italiener sind die mit Abstand größte ausländische Minderheit im Saarland, aber nur wenige Gymnasien bieten Italienisch als dritte Fremdsprache an. Wie stehen Sie dazu?

Schlein: Ich denke, dass das ausbaufähig ist, zumal dies derzeit nur in St. Wendel, Ottweiler und Lebach angeboten wird - also gerade da, wo relativ wenige Italiener leben. Wir sind deshalb mit dem Kultusministerium und verschiedenen Gymnasien im Saarland im Gespräch. Im übrigen gibt es einige gute Beispiele für bilingualen deutsch-italienischen Unterricht an Grundschulen. Ich würde mir wünschen, dass man diesen Weg weiter beschreitet, denn er hat sich bewährt.

Wenn man die Selbstständigen außen vor lässt, gibt es in der Gruppe der 50- bis 55-jährigen Italiener im Saarland eine Arbeitslosenquote von 40 Prozent. Worauf führen Sie das zurück?

Schlein: Das betrifft vor allem jene Generation, die vor Jahrzehnten mit nur geringer beruflicher Qualifikation nach Deutschland gekommen ist, um hier Arbeit zu finden. Das italienische Konsulat ist mit den zuständigen Behörden im Saarland in Kontakt, um diesem Problem entgegenzutreten.

Zur Person

Susanna Schlein (30) wurde in Lugano (Schweiz) als Tochter einer Italienerin und eines Amerikaners geboren. Sie besitzt die italienische und die amerikanische Staatsbürgerschaft. Nach dem Abitur promovierte sie an der italienischen Universität Pavia im Fach Politische Wissenschaft und schlug eine Diplomatenlaufbahn ein. Sie war Beauftragte Italiens bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), bevor sie im November 2006 italienische Konsulin in Saarbrücken wurde. nof

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