Zeitreise mit einem Zeitzeugen

Wellesweiler. Die Schüler sind erst mal geplättet. Zwei Stunden zuvor noch hatten sie mit ihrer Lehrerin Karin Hoffmann-Hantke darüber gesprochen, welche Fragen sie an den Auschwitz-Überlebenden Alex Deutsch nach dem Dokumentarfilm über sein Leben stellen könnten. Doch jetzt müssen die Achtklässler der Erweiterten Realschule Kirkel-Limbach das eben Gesehene und Gehörte erst einmal verdauen

Wellesweiler. Die Schüler sind erst mal geplättet. Zwei Stunden zuvor noch hatten sie mit ihrer Lehrerin Karin Hoffmann-Hantke darüber gesprochen, welche Fragen sie an den Auschwitz-Überlebenden Alex Deutsch nach dem Dokumentarfilm über sein Leben stellen könnten. Doch jetzt müssen die Achtklässler der Erweiterten Realschule Kirkel-Limbach das eben Gesehene und Gehörte erst einmal verdauen. "Im Geschichtsbuch liest man nur Zahlen und Fakten. Wie es damals im Konzentrationslager wirklich zuging, kann man sich gar nicht vorstellen", bringt Phillip Hoffmann die Gefühle seiner Mitschüler auf den Punkt.Eben haben sie erfahren, welchen Albtraum Alex Deutsch als deutscher Jude in Berlin von 1933 bis 1945 erlebt und überlebt hat. Es grenzt an ein Wunder, dass dieser Mann heute mit fast 97 Jahren im "Raum der Begegnung" vor ihnen sitzt und mit fester, klarer Stimme sagt: "Ich habe vergeben, aber vergessen kann ich die Zeit nicht." Weil er nicht vergessen kann und dies auch nicht will, ist Alex Deutsch seit Jahren unermüdlich unterwegs, um vor allem jungen Menschen zu sagen: "Lasst Euch nicht hineintreiben in Hass und Gewalt gegen andere Menschen. Lernt miteinander zu leben, nicht gegeneinander." Gestern war mit der ERS Kirkel-Limbach die erste Schulklasse zu Gast, die über einen neuen, vom Schulförderverein konzipierten Flyer auf den "Raum der Begegnung" in der nach Alex Deutsch benannten ERS Wellesweiler aufmerksam gemacht worden war. Den Dokumentarfilm über das Leben des Mannes, der seit gut 30 Jahren mit seiner dritten Frau Doris in Wiebelskirchen lebt, verfolgen die Schüler mit großer Aufmerksamkeit. Danach ist erst einmal Stille. Bis sich ein Schüler ein Herz fasst und fragt: "Haben Sie die Nummer noch auf Ihrem Arm?" Im Film hatte er gesehen, dass den jüdischen Zwangsarbeitern auch ihr Name genommen worden war. Sie waren nur noch eine Nummer, die auf den Arm tätowiert wurde. Langsam schiebt Alex Deutsch die Ärmel von Anzugjacke und Hemd hoch: 105613 steht da in großen Ziffern. Nach dem Krieg habe er in Amerika die Tätowierung entfernen lassen wollen, was damals noch sehr aufwendig und teuer gewesen sei. Später in Deutschland habe er sich gedacht: "Man kann die Tätowierung von meinem Arm wegmachen, aber aus meinem Herzen können sie sie nicht entfernen." Die Schüler sind erstaunt, wie "fit" Alex Deutsch für sein Alter ist. "Ich bin beeindruckt von diesem Mann", gesteht Angelina Ulrich. Es berühre einfach viel mehr, wenn man mit einem Zeitzeugen sprechen könne als über die Zeit des Nationalsozialismus nur in Büchern zu lesen, fügt Jonathan Thiel hinzu. Ob sie etwas von der Botschaft von Alex Deutsch mitnehmen könnten in den Alltag, werden die Schüler gefragt. Tolerant auch gegenüber Andersdenkenden zu sein, das sei eine große Aufgabe. "Man kann sich Mühe geben", findet Julian Kachel.

HintergrundMit einem neuen Flyer macht der Förderverein der Alex-Deutsch-Schule in Wellesweiler auf den "Raum der Begegnung" aufmerksam, der der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Über den Förderverein der Schule oder das Adolf-Bender-Zentrum in St. Wendel können Veranstaltungen im Raum der Begegnung gebucht werden. Alex Deutsch tritt dort gern in den Dialog, insbesondere mit jungen Menschen. Daneben werden Führungen durch die Ausstellung und Filmvorführungen mit Diskussionsrunden angeboten. red

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