Anstieg von Asylklagen Zahl der Asylklagen rasant gestiegen

Saarlouis · Immer mehr abgelehnte Asylbewerber versuchen, sich vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes ein Bleiberecht zu erstreiten.

 Um einer Abschiebung – wie hier am Baden-Airport in Rheinmünster – zu entgehen, ziehen viele abgelehnte Asylbewerber vor Gericht.

Um einer Abschiebung – wie hier am Baden-Airport in Rheinmünster – zu entgehen, ziehen viele abgelehnte Asylbewerber vor Gericht.

Foto: dpa/Daniel Maurer

Rund die Hälfte aller abgelehnten Asylbewerber zieht vor Gericht. Im ersten Quartal dieses Jahres habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 118 959 Asylanträge abgelehnt, 47,3 Prozent der Betroffenen hätten daraufhin Klage bei den Verwaltungsgerichten eingereicht, teilte die Behörde mit. Auch das Verwaltungsgericht des Saarlandes in Saarlouis bekommt diese Entwicklung zu spüren. Aktuell betreffen fast die Hälfte aller eingereichten Klagen Asylverfahren. Die neue „Klagewelle“ treibt nicht nur die Verwaltungsrichter an die Grenzen der Belastbarkeit. Auch andere Verfahren bleiben auf der Strecke. Vor dem Anstieg der Asylverfahren zählten öffentlich-rechtliche Streitigkeiten wie Abwassergebühren, Baugenehmigungen und Kita-Plätze zu den Kernaufgaben der Verwaltungsrichter.

Christoph Schmit, Pressesprecher des Verwaltungsgerichts, fasst die Entwicklung auf SZ-Anfrage in Zahlen: 2014 waren von den 2134 eingegangenen Verfahren 428 Asylklagen – also etwa ein Fünftel. 2015 blieb das Verhältnis fast gleich. 2016 waren plötzlich ganze 1254 der 2752 anhängigen Verfahren Asylklagen. „Ein Anstieg von knapp 200 Prozent“, rechnet Schmit vor. Hauptgrund für die Klagewelle scheint kurioserweise eine erfreuliche Nachricht zu sein: die Schaffung zusätzlicher Stellen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Anfang 2016. Seither arbeitet das Amt mehr Asylanträge ab. So landen auch unweigerlich mehr Asylklagen vor den Gerichten.

Vor allem abgelehnte Asylbewerber legen gegen ihren negativen Bescheid Berufung ein. „Teilweise handelt es sich auch um Klagen von Flüchtlingen, denen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde“, sagt Schmit. Mit diesem Status haben Flüchtlinge kein Recht auf Familiennachzug, und ihre Aufenthaltserlaubnis läuft nach einem Jahr ab. Sie hoffen, durch die Berufung doch noch das große Asyl oder die Flüchtlingsanerkennung zu bekommen.

Am Verwaltungsgericht in Saarlouis sind derzeit 16 Richter beschäftigt. Wegen der angespannten Situation befinde man sich im Dialog mit dem Justizministerium. Sirin Özfirat, Sprecherin des Ministeriums, teilt auf SZ-Anfrage mit, dass als Reaktion auf die Flüchtlingskrise dem Verwaltungsgericht seit dem Jahr 2016 insgesamt drei Richterinnen zugewiesen worden seien.

Auch in der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts habe man personell aufgestockt. In beiden Fällen habe man keine neuen Stellen geschaffen, sondern mit Versetzungen gearbeitet oder bisher unbesetzte Stellen besetzt. Trotzdem bestätigt Özfirat, selbst Richterin am Verwaltungsgericht, dass in der saarländischen Verwaltungsgerichtsbarkeit Personalmangel herrsche (wir berichteten). Justiz-Staatssekretär Roland Theis (CDU) versichert: „Wir nehmen die Sorgen sehr ernst und steuern wie aktuell zum Beispiel am Verwaltungsgericht oder bei der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Personalbewirtschaftung nach, soweit es der Haushalt zulässt.“

„Im Bundesvergleich hatten wir jahrzehntelang eine absolute Unterbelastung im Saarland“, erklärt Özfirat den Grund, warum im Zuge der Flüchtlingskrise das Verwaltungsgericht des Saarlandes personell erst ab 2016 aufgestockt wurde und nicht wie bundesweit bereits 2015. Die Unterbelastung sei vor allem durch die im Zuge der Flüchtlingswelle in den 90er Jahren neu geschaffenen Richter-Stellen zustande gekommen. Die Stellen, die damals dringend gebraucht wurden, waren nach Abklingen der Krise quasi nutzlos geworden. Wegen der richterlichen Unabhängigkeit können Richter aber nicht einfach gegen ihren Willen versetzt werden.

„Längere Laufzeiten in Asyl- wie in Allgemeinverfahren werden – auch bei vollem Einsatz der Richterschaft – künftig kaum zu vermeiden sein“, sagt Verwaltungsgerichtssprecher Christoph Schmit. Dafür, dass sich die Situation bald entschärft, gibt es wenig Anzeichen. „Bis Ende Juli dieses Jahres sind bereits 565 Asylverfahren bei Gericht eingegangen“, sagt Schmit. Das sind bereits 142 Asylverfahren mehr, als im gesamten Jahr 2015 verhandelt wurden.

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