Wulffs Fall: Erleichterung in Neunkirchen

Neunkirchen. "Das Image der Politik und der Politiker" - über dieses Thema diskutierte Christian Wulff vor knapp fünf Jahren mit Neunkircher Schülern. Damals kam er noch als Ministerpräsident von Niedersachsen ins Gymnasium am Steinwald

Neunkirchen. "Das Image der Politik und der Politiker" - über dieses Thema diskutierte Christian Wulff vor knapp fünf Jahren mit Neunkircher Schülern. Damals kam er noch als Ministerpräsident von Niedersachsen ins Gymnasium am Steinwald. Die damaligen Zwölftklässler haben Wulff nach dem Kennenlernen als "authentisch" beschrieben, wie Schulleiterin Karin Weiskircher-Hemmer der SZ nach dem Besuch berichtete.Authentisch - dieses Wort fiel den Neunkirchern bei einer Umfrage am Freitag nicht zu Christian Wulff ein. Kurz nachdem der 52-Jährige seinen Rücktritt als Bundespräsident bekannt gegeben hatte, war bei den Befragten mehr Erleichterung als Bedauern zu hören. "Es war längst an der Zeit, dass er zurücktritt", sagte Detlef Seegmüller (48) vom Eschweiler Hof und gab offen zu, dass er enttäuscht ist vom ehemaligen Bundespräsidenten. "Wenn es seine Entscheidung ist, ist es in Ordnung", fand Sven Neufang (14). Wulff habe nicht mehr das Standing in der Bevölkerung gehabt wie vorher. Außerdem habe es Druck vonseiten der Medien gegeben. "Es ist schlecht für die Politik, wenn sich alles nur noch um Skandale dreht", fügte Janik Ganster (14) aus Münchwies an.

Das lange Zögern vor dem Schritt, das Amt niederzulegen, missfiel dem Wiebelskircher Hans-Walter Lehberger (65). "Es ist richtig, dass er zurückgetreten ist, aber das hätte schon viel früher sein müssen." Zumal er 2000 gegen Johannes Rau so stark in die Kritik gegangen sei. Damals ging es um private Flüge, welche die Bank WestLB bezahlt haben soll. Wulff forderte lautstark den Rücktritt des Staatsoberhauptes.

Jetzt hat es ihn selbst getroffen. Das Amt als Bundespräsident ist er los und viele Befragte machen sich Sorgen darüber, dass das Amt an sich Schaden genommen hat. So auch Gertrud Dieders (71) aus Neunkirchen/Nahe. "Wahrscheinlich hat das Amt gelitten", sagte sie und zeigte sich erleichtert darüber, dass Christian Wulff endlich die Konsequenzen aus den Negativ-Schlagzeilen der vergangenen Monate gezogen hat. Jürgen Goldstein (63) aus Homburg hingegen fürchtet keinen längerfristigen Schaden fürs Amt. "Wenn ein neuer Präsident da ist, ist das alles schnell vergessen." Bei uns in Deutschland werde das alles ziemlich aufgebauscht. In Ländern wie Frankreich sei man nicht so verklemmt. Goldstein hält den Rücktritt auch für die richtige Entscheidung. Anna Kossowski (17) aus Eppelborn hat sich privat nicht mit der Affäre Wulff beschäftigt. Doch sei es Thema in der Schule gewesen. "Wenn ich nach dem gehe, was ich bei den Diskussionen gehört habe, ist es gut, dass er zurückgetreten ist."

Bei den jungen Leuten in Neunkirchen sorgte die SZ-Umfrage teilweise für nachdenkliche Gesichter: "Wer ist denn Christian Wulff?"Foto: Schneider

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Hintergrund

Am Freitag ist Christian Wulff vom Amt des Bundespräsidenten zurückgetreten. Schon seit Monaten war der 52-Jährige in der Kritik, unter anderem wegen seines Hauskredits oder seiner Drohungen gegenüber Medien. Zuletzt hat die Staatsanwaltschaft Hannover die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten beantragt. Es soll einen Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme geben. Vor zwei Jahren ist bereits Horst Köhler als Bundespräsident zurückgetreten. evy

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