Wühlen im Sperrmüll

Kürzlich war Sperrmüll-Abfuhr in Sulzbach. Herrlich, diese großen Abfallhaufen vor den Häusern. Sie erinnern an die Kindheit in Dudweiler. Damals, als wir noch klein und das Wirtschaftswunder groß war, da flog so manches vor die Tür, wonach man sich heute die Finger lecken würde. Damals musste alles neu und bunt und modern sein

Kürzlich war Sperrmüll-Abfuhr in Sulzbach. Herrlich, diese großen Abfallhaufen vor den Häusern. Sie erinnern an die Kindheit in Dudweiler. Damals, als wir noch klein und das Wirtschaftswunder groß war, da flog so manches vor die Tür, wonach man sich heute die Finger lecken würde. Damals musste alles neu und bunt und modern sein. Die Zeit des Darbens war vorbei, in vielen Familien kroch der Wohlstand in Küche und Keller. Omas Vollholz-Kleiderschrank? Raus damit. Tutige Kronleuchter? Auf den Schutt. Verschnörkelte Spiegel und bräsige Sessel? Nichts wie weg! Wir Kinder haben es nach den regelmäßigen Wegwerf-Orgien sehr genossen, von Sperrmüllhaufen zu Sperrmüllhaufen zu eilen und sie gründlich zu durchwühlen. Weil im Wald das ein oder andere Erdloch gemütlich eingerichtet werden musste. "Unser Heißje", wie das Erdloch hieß, wollte schließlich auch was abbekommen von der Ära des Aufschwungs. Also sind wir am Sperrmülltag losgezogen und haben die Spreu vom Weizen getrennt. Es war aber nicht eben so, dass unsere Eltern das gutgeheißen hätten, nein. Die haben sich manchmal doch sehr geschämt. Sah halt nicht gut aus, wenn Beamtensohn August mit dem abgelegten Teppich der (ebenfalls verbeamteten) Nachbarn über der Schulter die Straße Richtung Wald langlief. Noch peinlicher für die Väter und Mütter war eigentlich nur noch die Eigenart des Nachwuchses, an Fastnacht in der Nachbarschaft an jeder Haustür zu klingeln und zu betteln: "Binn e klääner Keenisch, gebb ma nit zu wenisch." Heute sind die Zeiten des Wohlstandsmülls vorbei. Es fliegt meist nur noch raus, was wirklich nichts mehr taugt. So lässt sich an der Qualität des Sperrmülls der wirtschaftliche Auf- oder Abschwung ablesen. Wenn ich demnächst mal wieder in der Regenrinne einen properen Maria-Theresia-Kronleuchter entdecken sollte, dann weiß ich: Wir haben's geschafft. Es geht wieder aufwärts.

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