Wo Rokoko auf neue Technik trifft

Dagstuhl · Im Landkreis Merzig-Wadern gibt es viele Schlösser, jedes davon hat seine eigene, einzigartige Geschichte. Schloss Dagstuhl ist Kulturstätte, Trauungsort und ein modernes Zentrum für Informatik.

 Eine traumhafte Kulisse bildet das im Jahr 1763 errichtete Schloss Dagstuhl. Fotos: Jennifer Back

Eine traumhafte Kulisse bildet das im Jahr 1763 errichtete Schloss Dagstuhl. Fotos: Jennifer Back

Fernab von Trubel und Hektik liegt es im Tal der Löster am Fuße einer Burgruine - Schloss Dagstuhl. Die Geschichte des Schlosses ist geprägt von vielen wechselnden Besitzern. Doch nur wenige haben solche Spuren hinterlassen wie Octavie de Lasalle von Louisenthal. Im 19. Jahrhundert wohnte sie zusammen mit ihrer Familie in dem Schloss aus der Epoche des Rokoko, als Dagstuhl zu Frankreich gehörte. Noch heute sind die eindrucksvollen Wand- und Altargemälde der "Malergräfin", wie Octavie genannt wurde, im Schloss, vor allem aber in der Schlosskapelle zu bewundern.

Trauungen in der Kapelle

In einem Nebenraum der Kapelle ist der Bilderzyklus eines Kreuzweges ausgestellt, den sie einst für die Pfarrkirche Lockweiler malte. Für die abgebildeten Menschen auf den Bildern sollen Octavie Bekannte als Vorlage gedient haben. "Beinahe sind die Kreuzzug-Gemälde beim Kapellenumbau auf dem Müll gelandet", berichtet Petra Lauk vom Kulturamt der Stadt Wadern bei der Führung durch das Schloss. In den 1980er Jahren wurden die Werke in der heutigen Form aufbereitet und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gerne wird die Kapelle für Trauungen genutzt.

Im Schloss selbst ist der Wohlstand der de Lasalles noch heute auf eine unaufdringliche Art zu spüren: Böden aus Marmor, Kronleuchter an den Decken, ein Kaminzimmer mit einem wertvollen Wandteppich, der vermutlich aus der Karibik stammt. "Schloss Dagstuhl war der Lebensmittelpunkt der Familie de Lasalle von Louisenthal, hier wurde zusammen gelebt, musiziert und gefeiert", sagt Lauk. Dagstuhl sei seinerzeit der kulturelle und gesellschaftliche Mittelpunkt der ganzen Region gewesen. Zum Feiern wurde - und wird immer noch - vorrangig der weiße Saal, der so genannte Theatersaal, genutzt. Auf dem Weg dorthin durchschreiten die Besucher hohe Flügeltüren, die von Engeln auf Säulen und goldenen Ornamenten eingerahmt sind. Die Wände zieren Selbstporträts der jungen Octavie, die Decke ein gut erhaltener Stuck.

Nur wenige Gehminuten vom Schloss entfernt, auf der anderen Seite der Straße, liegt der Schlossgarten, der Teil des Projektes "Gärten ohne Grenzen" ist. Umrahmt von Hainbuchenhecken ist der barocke Garten auf zwei Ebenen angelegt. Lebhaft kann man sich vorstellen, wie sich Familie de Lasalle oder die Franziskusschwestern, die das Schloss später bewohnten, inmitten bunter Blumenbeete zum Verweilen niederließen.

Ein beliebter Tagungsort

Heute wird der Garten auch gerne von den Besuchern des Leibniz-Zentrums für Informatik besucht, ein 1995 erbautes Zentrum, das über eine Art gläserne Brücke mit dem Schloss verbunden ist. Es dient als Tagungsort für renommierte Informatiker aus aller Welt ist. Wo es drüben im Schloss nahezu andächtig ruhig war, herrscht im Obergeschoss des Leibniz-Zentrums reges Treiben; Fachleute unterhalten sich in mehreren Sprachen miteinander. "Die Besucher des Leibniz-Zentrums können sich, so abgeschieden von der Zivilisation, voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren", sagt Hanns Peter Ebert, Tourismusbeauftragter der Stadt Wadern. Von der Arbeit abschalten können die Informatiker in den Räumlichkeiten des Schlosses nebenan, wo es Aufenthaltsräume mit Instrumenten und einem Billardtisch gibt.

Für weitere Abwechslung sorgen wechselnde Kunstausstellungen im Erdgeschoss des Neubaus, wo sich auch die Zimmer der Tagungsteilnehmer befinden. Diese Ausstellungen sind - im Gegensatz zum Schloss, das nur an Tagen der offenen Tür die Pforten öffnet - für die Öffentlichkeit zugänglich. "Viele sagen, dass die Kunst die strikte Trennung zwischen Rokoko und moderner Technik auf dem Schlossgelände aufhebt", berichtet Lauk. Für sie und Ebert stehen diese beiden Welten jedoch ohnehin in keinerlei Widerspruch zueinander. Im Gegenteil: "Durch seine internationale Anerkennung wertet das Zentrum das Schloss auf. Die Gäste des Zentrums wiederum werden von der einmaligen Atmosphäre des Standortes inspiriert", sagt Ebert.

 Der Zugang zum barocken Garten von Schloss Dagstuhl.

Der Zugang zum barocken Garten von Schloss Dagstuhl.

 In der eindrucksvollen Kapelle lassen sich heutzutage viele Brautpaare trauen.

In der eindrucksvollen Kapelle lassen sich heutzutage viele Brautpaare trauen.

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GeschichteGraf Joseph Anton von Öttingen-Baldern und Soetern errichtet Schloss Dagstuhl im Jahr 1763 als Stammsitz. Drei Jahre später wird die Schlosskapelle erbaut, die zum Pfarrverband Lockweiler gehört. Während der Französischen Revolution flüchtet die verwitwete Frau des Grafen mit ihren Kindern vor dem französischen Heer. 1806 erwirbt Wilhelm Albert de Lasalle von Louisenthal das verwahrloste Schloss von den Franzosen. Ein Jahr später zieht er mit seiner Familie ein. 1905 wird ein repräsentativer Turmbau zwischen Kapelle und Haupthaus errichtet.Nach dem Tod des letzten Erben der Familie de Lasalle übernehmen 1957 Franziskusschwestern das Grundstück und bauen es zu einem Altenheim um. Die Franziskanerinnen von Waldbreitbach führen es weiter, müssen es jedoch bald wieder aufgeben. Das Saarland kauft das Anwesen 1989. Zusammen mit dem Land Rheinland-Pfalz wird das "Internationale Begegnungs- und Forschungszentrum für Informatik" erschaffen. Im Zuge dessen entsteht 1995 ein moderner Anbau. jeb

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