Wo einst der kleine Tholix lebte

Tholey · Im Saarland gibt es mehr als 100 Museen, in denen die Besucher den Lebenswegen und den Arbeitswelten der Vorfahren begegnen können. In einer Serie stellen wir Museen vor und suchen Antworten auf die Frage: Wie war das anno dazumal?

 Die Olga-Schwind-Musikalien-Sammlung befindet sich direkt neben dem früheren Gefängnis. Foto: ATB

Die Olga-Schwind-Musikalien-Sammlung befindet sich direkt neben dem früheren Gefängnis. Foto: ATB

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Adolf Spaniol führt die Besucher im Museum Theulegium am Rathausplatz in Tholey herum. Als ich ihn wegen eines Termins anrief, sagte er: "Sie werden einige Überraschungen erleben." Er hatte recht. Ich war erstaunt, was es im Kulturhistorischen Museum des Schaumberger Landes zu Tholey alles zu sehen gibt, und was Spaniol, Diplomkaufmann und kundiger Hobby-Heimatforscher, über die einzelnen Ausstellungsobjekte zu erzählen weiß.

Bei meinem Besuch klärt er mich auf, dass die Benediktinerabtei St. Mauritius in Tholey, das im Mittelalter Theulegium genannt wurde, das älteste Kloster Deutschlands ist, schon 634 nach Christus urkundlich erwähnt wurde und von großer Bedeutung für die Missionierung des Saarlandes und der Nachbarregionen war. Die Mönche des Klosters arbeiteten auch im benachbarten Lothringen. Bis ins 14. Jahrhundert hinein gab es rege Kontakte bis hin nach Verdun.

Doch zunächst sprechen wir über die Vor- und Frühgeschichte der Region. Im Schaumburger Land siedelten erst die Kelten, dann folgten die Römer, und danach kamen die ersten christlichen Missionare. Adolf Spaniol zeigt auf einen geformten, etwa 80 Zentimeter hohen und in mehrere Teile zerbrochenen hellgrauen Reliefstein, der 1957 bei archäologischen Grabungen gefunden wurde. Er erzählt, dass der Stein im Jahr 2006 behutsam gereinigt und so das noch erhaltene, aber unvollständige Relief eines schreitenden Mannes aus römischer Zeit freigelegt wurde. Vermutlich sollte es einen Legionär darstellen.

Und nun kommt die erste Überraschung. Spaniol geht um den Stein herum und erklärt: "Die Rückseite zeigt Augen, Nase, Bart und Ohr eines Mannes. Das deutet darauf hin, dass dieses Relief keltischen Ursprungs ist. Nach den Kelten kamen die Römer und bearbeiteten die andere Seite des Steins. Die Vorderseite des Steins ist also römisch, und hinten wurde das Gesicht eines Druiden, eines Keltenfürsten, eingemeißelt. Als die Keltenzeit vorbei war, wurde der Stein einfach rumgedreht. Nun waren die Römer vorne." So viel zur interessanten Geschichte dieses bemerkenswerten Steins.

Wenige Schritte weiter in der geologischen Abteilung des Museums wird ein gräulich schwarzer Stein gezeigt, der aussieht wie ein Faustkeil. Spaniol meint: "Das ist kein keltischer Faustkeil. Das ist die nach Tholey benannte Steinart." "Was? Nach Tholey ist eine Steinart benannt?", frage ich. Er: "Ja, das ist der Tholeiit. Das ist die bekannteste und weltweit am häufigsten vorkommende Gesteinsart." "Die weltweit bekannteste Steinart kommt aus Tholey?" Staniol bestätigt: "Ja, diese Steinart wurde nach Tholey benannt. Überall gibt es Tholeiit. Sogar auf benachbarten Planeten fanden Raumsonden es."

Wir gehen weiter und kommen vorbei an einer Statue des heiligen Wendelinus, des ersten Abts von Tholey. Einige Schritte weiter stehen wir vor einer Statue von Abt Peter von Salabert von 1768. Er ging später nach München, wurde dort Staatsminister und baute das Haus, in dem heute die bayrische Staatskanzlei residiert.

Spaniol erzählt, dass die Abtei Tholey nach der Französischen Revolution aufgelöst und die Kirche an Privatleute verkauft wurde. Im Jahr 1949 wurde die Abtei dann per Dekret von Papst Pius XII. wieder eröffnet. Durch den Verkauf von 80 Hektar Land an die Gemeinde Tholey und die Unterstützung des 200 Mitglieder zählenden Förderverein, so las ich im Internetlexikon Wikipedia nach, konnte sich die Abtei wirtschaftlich konsolidieren und Bau- und Renovierungsmaßnahmen in Angriff nehmen. Unter anderem entstanden ein Gästehaus, ein Gewächshaus und eine Imkerei. Zwölf Mönche leben heute in der Abtei.

Adolf Spaniol reicht mir eine kleine Broschüre mit der Überschrift "Die unglaublichen Abenteuer des Druiden Tholix und seines Raben Dolo". Unter dem Titel ist die Zeichnung eines Mannes mit einem langen weißen Bart und nur einem Ohr zu sehen. Auf der Schulter des Mannes sitzt ein Rabe. Und dazu heißt es: "Tholix, der erste Saarländer." In dem Prospekt, der an Kinder verteilt wird, die das Museum besuchen, lese ich, dass Tholix einen Kelten aus Tholey darstellt.

In einer kindgerechten und spannenden Sprache wird erzählt, wer Tholix war. Zitat: "Vor langer, langer Zeit, als Tholix noch nicht so hieß und ein ganz kleiner Wicht war, durfte er dabei sein, wie Gott die Welt erschuf. Bekanntlich brauchte er dazu sechs Tage, und am siebten Tag ruhte er sich aus." Geschrieben hat den Prospekttext Niko Leiß, 1. Vorsitzender des Historischen Verein zur Erforschung des Schaumburger Landes. Neben den Prospekten gibt es auch Verkaufsartikel, mit denen Kinder spielen können: ein Tholix-Puzzle zum Beispiel oder Tholix-T-Shirts.

"Wir gehen jetzt noch runter in den Gefängnis-Keller", sagt Spaniol. "In den was?", frage ich. ,,Oben war das Amtsgericht, und unten war das Gefängnis", erklärt er. Dann stehen wir tatsächlich vor der geöffneten Gefängniszelle, in der eine Männerfigur sitzt. Spaniol erzählt: "Das Gefängnis gab es von 1830 bis 1957. Der letzte Gefangene war ein Alkoholiker, der wegen Mordes an einem jungen Mädchen verurteilt wurde. Er starb später in einem anderen Gefängnis."

Dann macht mein Führer eine kleine Pause und meint: "Und jetzt kommt die letzte Überraschung." Wir gehen ein paar Schritte weiter und stehen in einem Kellergewölbe, in dem Noten und Musikinstrumente der Musikerin Olga Schwind (1887-1979) ausgestellt sind. Spaniol erzählt: "Sie wuchs in Saarbrücken auf, kam aber in jeden Sommerferien nach Tholey zu ihrem Opa. Sie spielte zunächst Gitarre, dann Laute und wurde Lautenlehrerin am Konservatorium in Saarbrücken, dann in München. Sie lebte später in Italien am Lago Maggiore und gab dort Konzerte: Sogar die Komponisten und weltberühmten Musiker Carl Orff und Wilhelm Furtwängler besuchten sie dort. Im Raum neben dem Gefängnis sind die alten Instrumente ausgestellt, die sie sammelte."

Mein Eindruck nach dem Besuch: Dieses Museum bewahrt wirklich so manchen Schatz und birgt so manche Überraschung.

 Links ist eine kleine Orgel mit zwei Oktaven aus dem 13./14. Jahrhundert zu sehen. Rechts spielt auf einem Foto die Musikerin Olga Schwind auf einer historischen Harfe. Fotos: D. Gräbner

Links ist eine kleine Orgel mit zwei Oktaven aus dem 13./14. Jahrhundert zu sehen. Rechts spielt auf einem Foto die Musikerin Olga Schwind auf einer historischen Harfe. Fotos: D. Gräbner

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Auf einen BlickKontakt: Museum Theulegium - Kulturhistorisches Museum des Schaumburger Landes zu Tholey, Rathausplatz 6, 66636 Tholey, Tel.: (0 68 53) 50 80, E-Mail: info@theulegium.de. Öffnungszeiten: montags bis freitags von 10 bis 12 und 14.30 bis 16.30 Uhr; samstags, sonn- und feiertags von 14.30 bis 16.30 Uhr; Führungen auch außerhalb der Öffnungszeiten nach Anmeldung unter Tel.: (0 68 53) 25 85.Eintrittspreise: Erwachsene 2,50 Euro, Schüler 1,50 Euro, Familien mit Kindern sechs Euro; mit Führung Erwachsene vier Euro, Schüler drei Euro, Familien mit Kindern neun Euro. gräbtheulegium.de

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