„Wir wollen diese Anlagen verhindern“

Völklingen/püttlingen · Vor großer Zuschauerkulisse haben der Völklinger Ortsrat und der zuständige Stadtratsausschuss am Mittwoch über Windkraft-Pläne in der Nachbarschaft diskutiert – lange, leidenschaftlich, manchmal gereizt, meistens sachlich.

 Die Firma Dunoair will drei Windräder nahe an der Röchlinghöhe errichten. Für die Erschließung benötigt sie ein Nutzungsrecht, etwa für 250 Meter Weg.Symbolfoto: Wagner

Die Firma Dunoair will drei Windräder nahe an der Röchlinghöhe errichten. Für die Erschließung benötigt sie ein Nutzungsrecht, etwa für 250 Meter Weg.Symbolfoto: Wagner

So viel Publikum hatten Völklinger Räte lange nicht mehr. Rappelvoll ist der große Saal des Rathauses, als am Mittwochabend der Ortsrat und der zuständige Stadtratsausschuss über geplante Windkraftanlagen in der Nachbarschaft diskutieren. In Bous und Schwalbach will die Firma Dunoair im Wald Windräder errichten. Haarscharf vorm Jahreswechsel hat sie die Genehmigung dazu bekommen.

Was die Zuhörer davon halten, zeigen die Transparente, die sie hochrecken: nichts. Ihre "Stopp"-Forderung gilt vor allem dem Windpark Bous. Der liegt, wie berichtet, an der Gemeindegrenze, Völklinger und Püttlinger Wohnhäusern näher als der Bouser Bebauung. Erst durch überraschende Rodungen im Wald erfuhren die Anwohner vom Wind-Projekt. Damit sie mal zu Wort kommen, hat die SPD-Ortsratsfraktion beantragt, die Verwaltung möge die neue Bürgerinitiative (BI) "Gegenwind Völklingen-Püttlingen-Elm (VPE)" einladen zur Sitzung. Und einen Vertreter der Püttlinger Knappschaftsklinik. Sie sind da.

Wie kam es zu den Genehmigungen? Joachim Sartorius, Bereichsleiter im Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA), erläutert das am Bouser Beispiel. Die Regeln geben Bundesgesetze vor, betont er. So gelte für nur drei Windräder ein vereinfachtes Verfahren, ohne Beteiligung der Öffentlichkeit. Aber mit Beteiligung vieler Behörden und sonstiger Stellen; 16 Stellungnahmen mussten her, nachdem Dunoair im Juli 2016 den Windrad-Bau beantragt hatte. Und "es sprach kein Belang gegen das Vorhaben". Auch nicht gegen die Sondergenehmigung für den Bau im Wasserschutzgebiet, "die Gas- und Wasserwerke Bous/ Schwalbach hatten keinerlei Bedenken" - die Zuhörer lachen.

Davon lässt Sartorius sich nicht beirren. Waldrodungen? "Die forstlichen Belange wurden durch die Forstbehörden hinreichend abgehandelt." Naturschutz? Lärmschutz? Berücksichtigt. Denkmalschutz? Das Landesdenkmalamt halte die Beeinträchtigung des Völklinger Weltkulturerbes für "nicht wesentlich". Beim Weltkulturerbe aber komme die Unesco ins Spiel. Erst wenn die Ja sagt, darf Dunoair zu bauen beginnen; das steht als "auflösende" Bedingung in der Genehmigung. Nun analysiere ein Gutachter den "Wirkraum" der Alten Hütte. Wie lange der braucht? Sartorius weiß es nicht. Auf Nachfragen wird er deutlich: "Wenn das ein Jahr dauert, bauen die eben nicht in diesem Jahr." Rodungen seien noch kein Baubeginn. Und: "Der Antragsteller weiß, dass er das, was er jetzt tut, auf eigenes Risiko tut."

Zu allen Prüf-Aspekten gibt es Gutachten, vom Antragsteller Dunoair bezahlt. Wie sich denn da die Unabhängigkeit der Gutachter sicherstellen lasse, erkundigt sich Oberbürgermeister Klaus Lorig (CDU).

Sartorius verzieht keine Miene: "Herr Oberbürgermeister, bei allem Respekt, das müssten Sie besser wissen", sagt er und erklärt, wie das Netz öffentlich bestellter Sachverständiger funktioniert. Lorig grinst: beim Dummstellen erwischt.

Kurz und knapp bringt Ralf Beckstein, Verwaltungsdirektor der Püttlinger Klinik, seine Sorgen vor. 15 000 stationäre und 80 000 ambulante Patienten pro Jahr, sensible medizinische Geräte - gibt es Extra-Auflagen für Windräder in der Nähe von Krankenhäusern? Nein, sagt Sartorius, die bundesweit gültigen Lärmschutzvorschriften sähen das nicht vor.

Michael Altpeter von der BI nutzt sein Rederecht ausführlich. Nach grundsätzlichen Anmerkungen zu Windkraft und Mindestabstand will er wissen, wie es - "ganz konkret" - aussieht mit der Wegeführung.

Über die Erschließung werde im Vorfeld gesprochen, sagt Sartorius. Das LUA prüfe und genehmige dann aber nur den Eingriff in die Natur für die Ertüchtigung von Wegen; ein zweites Verfahren, nicht immer zeitgleich. Jurist Altpeter lässt das nicht gelten: "Das ist rechtswidrig, was Sie da machen!" Eine Genehmigung zum Bau dürfe es erst geben, wenn die Erschließung geregelt sei.

Um sie zu sichern, braucht Dunoair Völklinger Hilfe. Die Stadt besitzt Grundstücke auf Bouser Bann, unter anderem 250 Meter Weg. Dunoair hat um ein Nutzungsrecht gebeten. Aber ob aus dem Gestattungsvertrag etwas wird? Erik Kuhn (SPD) und Ulrike Müller (CDU) erklären kategorisch, dass ihre Stadtratsfraktionen dem Vertrag in der nichtöffentlichen Hauptausschusssitzung am Donnerstag nicht zustimmen wollen; "wir werden alles tun, um diese Anlagen zu verhindern" sagt Kuhn - lebhafter Beifall von den Zuhörern.

 Joachim Sartorius, Bereichsleiter LUA Foto: Wagner

Joachim Sartorius, Bereichsleiter LUA Foto: Wagner

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 Ralf Beckstein, Klinik-Verwaltungschef Foto: Klinik

Ralf Beckstein, Klinik-Verwaltungschef Foto: Klinik

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Wie geht das Verfahren weiter, wenn der Vertrag nicht beschlossen wird?, fragt Lorig. Fehle die "Flächenverfügbarkeit", sagt Sartorius trocken, sei die Erschließung nicht gesichert. Dann habe der Antragsteller möglicherweise "eine Genehmigung, die er nicht nutzen kann".

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