„Wir verändern Gebäude auf Zeit“

Daniel Hausig: · Ein Projekt der Kunsthochschule begleitet den Umbau der Berliner Promenade künstlerisch. Durch Licht wird das Aussehen der Häuser verändert. SZ-Redakteurin Ilka Desgranges sprach mit Kunstprofessor Daniel Hausig darüber, wie Lehrende und Studierende Gebäude neu lesbar machen.

 Wenn sie nachts angestrahlt sind, verändert sich der Blick auf die Häuser an der Berliner Promenade. Bisher haben Lehrende und Studierende der Kunsthochschule das nur geprobt, im Herbst soll die Lichtinstallation den Saarbrückern vorgestellt werden. Foto: HBK/Hausig

Wenn sie nachts angestrahlt sind, verändert sich der Blick auf die Häuser an der Berliner Promenade. Bisher haben Lehrende und Studierende der Kunsthochschule das nur geprobt, im Herbst soll die Lichtinstallation den Saarbrückern vorgestellt werden. Foto: HBK/Hausig

Foto: HBK/Hausig
 Professor Daniel Hausig. Foto: Oliver Dietze

Professor Daniel Hausig. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Was wollen Sie mit Ihren Lichtinszenierungen im städtischen Raum erreichen?

Es ist wichtig, eine Stadt, die man kennt, mal mit anderen Augen zu sehen. Man kann auch an Orten, die nicht aufgeräumt sind, die keine Postkartenidylle darstellen, im relativen Sinn Schönheit entdecken. Die Stadt besteht eben nicht nur aus Repräsentationsarchitektur. Manchmal ist es ganz gut, wenn Gebäude oder Orte eine Pause haben und man darüber nachdenkt, was damit sein kann.

Welche Möglichkeiten bietet die künstlerische Arbeit mit Licht?

Hausig: Wir machen kein Kunst-am-Bau-Projekt, das für die nächsten zwanzig Jahre einen Ort ästhetisch belegt. Wir sind sehr flüchtig, weil wir auf die vorhandene Architektur eine Lichtstruktur projizieren und hiermit die Gebäude auf eine andere Weise lesbar machen. Wir verändern sie lediglich temporär und erzeugen eine andere Sichtweise. Als Künstler begleiten wir so ein Projekt der Stadtentwicklung.

Ein Objekt für die Lichtinstallationen ist die Berliner Promenade, also ein Ort, den viele nicht schön fanden, der sich aber gerade verändert. Ein anderes Objekt sind die Häuser am Ludwigsplatz mit dem Gebäude der Kunsthochschule, also das Postkartenmotiv. Nach welchen Kriterien wählen Sie aus?

Hausig: Ein repräsentatives Gebäude wie das der Kunsthochschule am Ludwigsplatz strahlt eine institutionelle Repräsentanz aus. Was im Gebäude selbst stattfindet, in dem junge Designer und junge Künstler an Bildern von morgen arbeiten, dass hier produziert wird, kann diese Architektur gar nicht vermitteln. Wenn ich eine solche Barockarchitektur mit Zeichnungen, Grafiken und Bildern der Studierenden überlagere, wird etwas von dem, das in der Kunsthochschule stattfindet, tatsächlich nach außen transportiert. Vielleicht verändert sich dadurch auch die gewohnte Sichtweise auf eine solche herrschaftliche repräsentative Architektur.

Wie entstehen die Muster, die Sie über die Häuser legen?

Hausig: Es gibt Studenten, die schauen, was es schon gibt. Zum Beispiel ein textiles Muster hat horizontale und vertikale Strukturen. Das kann mit horizontalen Fensterbändern und vertikalen Architekturelementen korrespondieren. Dadurch entwickelt sich eine strukturelle Verwandtschaft zu einer Fassade als Gebäudehülle, hinter der die nicht sichtbaren Funktionen des Gebäudes liegen.

Wie lange arbeiten Sie mit Ihren Studenten an den Installationen?

Hausig: Wir haben im Wintersemester begonnen, uns damit auseinanderzusetzen, wie Zeichnung, Architektur und Grafik zusammenkommen können. Die Technologie, die wir einsetzen und mittels derer Grafiken raum- oder architekturbezogen durch Maskierung und Verzerrung elektronisch angepasst werden, ist eigentlich in der Club-Szene entstanden, wo Musik und Videomapping zusammengehören. Wir sind noch dabei herauszufinden, welche Art von Bildsprache bei Architektur am besten funktioniert. Wir sind noch am Herantasten. Wir müssen mehrere Projektoren synchronisieren, was ja auch ein technologischer Aufwand ist.

Sie müssen alles ausprobieren?

Hausig: Von verschiedenen Hausfassaden werden Farben unterschiedlich absorbiert und reflektiert. Wir müssen ausprobieren, welches Gebäude wie viel Lichtintensität braucht. Wir projizieren ja von der anderen Saarseite auf die Häuser der Berliner Promenade. Dabei kann man die Lichtstärke ein Stück weit berechnen und eine Prognose stellen. Das prüfen wir derzeit empirisch durch nächtliche Testprojektionen.

Sie wollen im Herbst das Projekt der Öffentlichkeit vorstellen, bieten es also der Stadt Saarbrücken an.

Hausig: Für eine Hochschule ist es ein sehr großes Projekt. Wenn die Stadt es bei einer professionellen Agentur beauftragen würde, wären die dabei entstehenden Kosten wahrscheinlich nicht finanzierbar. Bei dieser Projektrealisierung ist die Hochschule, insbesondere das hier angesiedelte xm:lab als Institut für forschendes Lehren, ein Mega-Dienstleister. Ein großer Aspekt ist die Organisation der administrativen Abstimmungsprozesse mit den Anrainern.

Der öffentliche Raum teilt sich ja in ganz verschiedene Zonen und Rechtsgebiete. Für das eine ist die Stadt zuständig, für das andere das Wasser- und Schifffahrtsamt, dann ist die Autobahnpolizei zuständig. Dann stößt der öffentliche Raum auf den privaten Raum. Da gibt es Verwaltungsgebäude, da gibt es Wohnungen. Es werden Vorstellungen und Handlungsweisen entwickelt, mit denen man einen komplexen Kommunikations- und Abstimmungsprozess mit den beteiligten Akteuren gestalten kann, um Einverständniserklärungen von Privatpersonen und Genehmigungen von öffentlichen Institutionen zu erhalten. Kein Mensch könnte einfach losgehen und mit Hochleistungsbeamern auf Tausende von Quadratmetern projizieren.

Das ist ein sehr hoher Verwaltungsaufwand.

Hausig: Wenn Künstler mit Großinstallationen in den öffentlichen Raum gehen, dann braucht das wegen der Abstimmungsprozesse mit der Stadt seine Zeit. Das Kulturamt hat die Wertigkeit dieser Lichtinstallation erkannt und uns frühzeitig logistisch unterstützt, indem ein "Runder Tisch" mit den entsprechenden Behörden und Ämtern organisiert wurde. Neben diesen Genehmigungsverfahren arbeiten wir parallel an den technologischen und künstlerischen Aufgabenstellungen.

Wie wird das Projekt finanziert?

Hausig: Es ist ein originäres Projekt der Hochschule, die es der Stadt zur Realisierung vorgeschlagen hat. Zur Finanzierung kann ich momentan noch nichts sagen, weil die Gespräche mit der Landeshauptstadt und möglichen Sponsoren noch laufen.

Das Projekt passt gut zum Umbau der Berliner Promenade.

Hausig: Ich habe mich sehr gefreut, dass die Stadt aktiv Stadtentwicklung betreibt. Persönlich finde ich es toll, dass der Kontakt zum Wasser durch die Treppe hergestellt wurde. Das ist eigentlich das Naheliegende. Ich finde es sehr gelungen. Es ist sinnvoll, eine solche Großmaßnahme künstlerisch zu begleiten, denn dann setzt man immer wieder eine andere Brille auf. Wenn man es ein paar Mal macht, schleicht sich vielleicht irgendwann ein, dass diese Berliner Promenade gar nicht so hässlich ist. Kulturdezernent Erik Schrader (FDP) gefällt die Idee, die Berliner Promenade als innerstädtischen Ort "ins öffentliche Licht zu rücken". Von der Lichtinstallation ist Schrader "sehr angetan", hält sie für ein "wichtiges temporäres Projekt". Nur: Ein solches Kunstprojekt hat seinen Preis. Den allerdings will noch niemand nennen. Schrader spricht von einem "mittleren fünfstelligen Betrag", den die Stadt Saarbrücken zahlen müsse, damit im Herbst Häuser an der Berliner Promenade angestrahlt werden können. Derzeit sucht die Stadt Saarbrücken nach einem Weg, die Summe aufbringen zu können. Sponsoren oder gar Mäzene müssten gefunden werden. Der Kulturdezernent ist "zuversichtlich", dass dies glücken wird. Als Termin für die Installation wird der November angestrebt. So könnte die Stadt Saarbrücken dann noch in diesem Jahr unterstreichen, dass Kunst und Kultur einen besonderen Stellenwert haben: Stadtmarketing durch Kunst im öffentlichen Raum nennt der Kulturdezernent das. Die Probephasen von Light_Act", dem Hochschulprojekt unter Leitung von Professor Daniel Hausig, Ingo Wendt und Henrik Elburn, werden in einer Ausstellung in der Saarbrücker Stadtgalerie dokumentiert (bis zum 1. September).

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