"Wir sind Saargummi"

Büschfeld. Mit deftigen Worten wurde nicht gespart, als am Freitagnachmittag Beschäftigte und Arbeitnehmervertreter ihrem Unmut über den soeben bekannt gewordenen Insolvenzantrag beim Büschfelder Saargummi-Werk Luft machten

Büschfeld. Mit deftigen Worten wurde nicht gespart, als am Freitagnachmittag Beschäftigte und Arbeitnehmervertreter ihrem Unmut über den soeben bekannt gewordenen Insolvenzantrag beim Büschfelder Saargummi-Werk Luft machten. Dietmar Geuskens, Bezirksleiter der Gewerkschaft IGBCE sprach mit Blick auf die Geschäftsführung, die vom Saargummi-Eigner Odewald & Compagnie eingesetzt worden war, von "gescheiterten Existenzen", die eine "lange Blutspur" hinter sich her zögen. Geuskens: "Dabei stehen die Mitarbeiter zu ihrem Werk. Sie waren stets loyal, haben geschuftet und die Lieferfähigkeit aufrecht erhalten." In die Wut über die Vorgänge der letzten Wochen und Monate, die in der Insolvenz mündeten, mischte sich aber auch Hoffnung. So sagte der Saargummi-Betriebsratschef Arno Dühr, dass die Insolvenz aus Sicht des Betriebsrates die Chance auf einen Neubeginn eröffne: "Wir wissen, dass wir gute Mitarbeiter am Standort Büschfeld besitzen, und wollen die gewohnte Qualität unserer Produkte auch in Zukunft aufrecht erhalten." Dühr räumte freimütig ein, dass er einige schlaflose Nächte hinter sich habe. "Im Laufe des Donnerstagabends haben sich die Gerüchte verdichtet, dass der Insolvenzantrag unmittelbar bevorstehen könnte. Am Freitagmorgen bin ich zusammen mit einem weiteren Vertreter des Betriebsrates um 9.15 Uhr zur Geschäftsführung gerufen worden, wo wir über den Insolvenzantrag informiert wurden." Doch jetzt gehe es darum, den Blick nach vorne zu richten. "Es bringt uns nichts, wenn wir den Kopf in den Sand stecken." Mit Blick auf die Suche nach einem neuen Eigentümer für das insolvente Werk sagte Dühr: "Ein strategischer Investor, der selbst in der Branche tätig ist, ist uns eindeutig lieber als ein weiterer Finanzinvestor. Wir haben in den letzten beiden Jahren erlebt, was einem mit denen passieren kann."Just am Tag seines 53. Geburtstags hat Hans-Joachim Barth aus Noswendel von der Insolvenz seines Arbeitgebers erfahren. "Das ist schon ein tolles Geschenk", kann auch er sich beißenden Spott nicht verkneifen. "Meine Schuld ist es nicht, ich habe immer alles für das Unternehmen gegeben. Aber schlaflose Nächte wird mir das Ganze schon bereiten", meint Barth, der auch schon 24 Jahre bei Saargummi arbeitet. "Auf dem absoluten Nullpunkt" sei die Stimmung gewesen, als die Mitarbeiter von dem Insolvenzantrag erfuhren, erinnert sich Jörg Graus, Mitarbeiter im Versand und seit 35 Jahren bei Saargummi beschäftigt. Für ihn bleibt erst einmal das Prinzip Hoffnung: "Vielleicht findet sich ja ein branchenkundiger Investor."In der Insolvenz eine Chance sieht Gerhard Zimmer: "Es ist für uns Arbeitnehmer die beste Lösung, um das Bestmögliche herauszuschlagen", findet der 53-jährige Nunkircher, der in der Schuhsohlen-Produktion arbeitet. Für ihn stehen die Verantwortlichen für die Zahlungsunfähigkeit fest: "Die Beschäftigten können nichts für diese Situation, die Ursachen liegen eindeutig in den Management-Fehlern der Vergangenheit." Die Belegschaft habe immer, durch alle Krisenzeiten hindurch, gut zusammengehalten und müsse das auch jetzt tun, findet Zimmer: "Wir sitzen alle in einem Boot." Wie viele andere auch an diesem Nachmittag scheint er sogar erleichtert darüber zu sein, dass die bisherigen Eigentümer bei Saargummi nicht mehr viel zu sagen haben werden: "So wie bisher kann es nicht weitergehen."Das sieht auch Andrea Seimetz so, die als Vorsitzende der Vertrauensleute im Werk und Betriebsratsmitglied den Dauerkonflikt zwischen Geschäftsführung und Belegschaft um die Sanierung von Saargummi aus nächster Nähe erlebt hat: "Diese Herren wird hier kaum einer vermissen", so das vernichtende Urteil der Frau aus Buweiler. Das Verhältnis zwischen Geschäftsführung und Belegschaft sei in den vergangenen Monaten durch die geforderten harten Einschnitte sehr angespannt gewesen: "Was in den letzten Monaten hier gelaufen ist, das war ein Kleinkrieg seitens der Geschäftsführung, um uns zu zermürben." Aber die Belegschaft habe große Solidarität bewiesen: "Wir haben sehr diszipliniert unsere Arbeit weitergemacht." Das gebe ihr auch Zuversicht für die derzeit so ungewiss erscheinende Zukunft: "Wir sind Saargummi. Das ist unser Werk."

Auf einen blickDie CDU-Abgeordnete Helma Kuhn-Theis sieht den Insolvenzantrag als Beleg dafür, "dass sich die Saargummi-Eigner rücksichtslos mit öffentlicher Hilfe durch die Krise haben bringen lassen, um anschließend den Rahm abzuschöpfen". Die Arbeitnehmer müssten die Zeche für gescheiterte Spekulationsgeschäfte zahlen. Die Geschäftsführung habe grob fahrlässig gehandelt und müsste zur Verantwortung gezogen werden. CDU-Kreischef Jürgen Schreier sagte, das Wort Insolvenz höre sich schlimm an, "kann aber auch eine Wende zum Guten sein - das hat sich bei Saarstahl oder Halberg Guss gezeigt". Im Mittelpunkt müsse nun stehen, die Arbeitsplätze zu erhalten. redStichwortDer Geschäftsbetrieb im Saargummi-Werk in Büschfeld soll trotz des Insolvenzantrags vom Freitag aufrecht erhalten werden. Dies geht aus einer Mitteilung der Saargummi-Gruppe hervor. Zu vorläufigen Insolvenzverwaltern wurden vom zuständigen Insolvenzgericht die Saarbrücker Rechtsanwälte Udo Gröner, Heimes & Müller, sowie Jean-Olivier Boghossian, Schultze & Braun, bestellt. Beide hätten noch am Freitagnachmittag ihre Arbeit in Büschfeld aufgenommen und in Kooperation mit der Geschäftsleitung der SaarGummi Gruppe sowie einem Vertreter der großen Automobilkunden (OEM) über die für eine Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlichen Sofortmaßnahmen entschieden. "Priorität hat für uns zunächst die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs und eine möglichst reibungslose Belieferung der Kunden aus der Automobilindustrie", wird Udo Gröner in der Mitteilung zitiert. red

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