Wir sind die Guten – und „eine wahre Katastrophe“

Wir waren die Guten. Immer.

Egal, ob wir beim Wild-West-Spielen die Indianer oder die Cowboys waren. Wir waren Batman und Superman, Asterix und Obelix, Tim und Struppi, Winnetou und Old Shatterhand in einer Person. Wir waren auch die Kavallerie, die in höchster Not zu Hilfe eilt. Und irgendwie sind wir es immer geblieben.

Und zum Glück gibt es ja auch Menschen, die uns daran erinnern, dass wir auf der richtigen Seite stehen. Die Welt-zum-Guten-Veränderungsorganisation Attac zum Beispiel. Die eröffnet heute Abend um 19.30 Uhr im Saarbrücker Filmhaus in der Mainzer Straße ein bis zum 17. Dezember dauerndes globalisierungskritisches Festival mit vielen Spiel- und Dokumentarfilmen, Diskussions- und Infoabenden. Es geht heute los mit dem Spielfilm "Robin Hood. Die Zeit der Könige endet", der bereits beim Max-Ophüls-Festival gezeigt wurde und in dem ein Polizist zum Bankräuber wird.

Das wird im Kinositz fast wie früher sein. Da waren wir selbst als Räuber die Edlen, wenn uns die, die gerade die Gendarmen waren, durch die Spiele unserer Kindheit jagten. Die Gewissheit, dass wir die Guten sind, trägt uns seitdem durchs Leben.

Aber Vorsicht, während das Kino uns in Sicherheit wiegt, kommt Philippe Djian, dieser französische Schriftsteller, der "Betty Blue" geschrieben hat und all die anderen Romane, denen ich mich nie entziehen konnte, weil sie eine Wucht sind, und fragt so ganz nebenher: "Wann waren wir in diesem Spiel die Bösen geworden, wann hatten wir die Seiten gewechselt?"

Die Frage lässt er den Protagonisten seines gerade auf Deutsch erschienen Romans "Wie die Wilden Tiere" stellen. Sie richtet sich an uns Erwachsene, die wir uns für so cool halten, dass wir nicht auf die Idee kommen, womöglich für unsere Kinder, wie es Djian formuliert, "eine wahre Katastrophe" zu sein.

Ja, ich erwische mich ab und zu dabei, dass ich Sätze sage, die ich als Kind oder Jugendlicher als Zumutung, Attacke auf meine Freiheitsrechte oder gar als Angriff auf die Menschenwürde gewertet hätte. Und wäre ich als Kind von der ein oder anderen Entscheidung, die ich heute voller Überzeugung durchsetze, betroffen gewesen, hätte ich mir (also dem Erwachsenen) einen immer leeren Kühlschrank, 1000 verregnete Urlaube oder auf ewig geschlossenen Kneipen gewünscht.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir Erwachsene manchmal ziemlich danebenliegen. Aber irgendwie werde ich trotzdem den Verdacht nicht los: Wir sind die Guten.

"Wie die wilden Tiere" ist bei Diogenes erschienen und kostet 19,90 Euro. Den Autor dieser Kolumne erreichen sie unter E-Mail m.rolshausen@sz-sb.de.

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