"Wir hören oft die Frage: Was soll ich jetzt machen?"

Herr Herrmann, Herr Soester, macht sich die laufende Finanzkrise bei Ihren Kunden bemerkbar?Herrmann: Das macht sich bemerkbar. Die Leute sind verunsichert. Sie machen sich Sorgen um die Währungsstabilität, sie fragen nach alternativen Anlagemöglichkeiten und wollen am liebsten das Patentrezept, das es nicht gibt. Das macht die Beratungen schwieriger

 Horst Herrmann, Vorstandsvorsitzender der KSK Saarlouis

Horst Herrmann, Vorstandsvorsitzender der KSK Saarlouis

Herr Herrmann, Herr Soester, macht sich die laufende Finanzkrise bei Ihren Kunden bemerkbar?Herrmann: Das macht sich bemerkbar. Die Leute sind verunsichert. Sie machen sich Sorgen um die Währungsstabilität, sie fragen nach alternativen Anlagemöglichkeiten und wollen am liebsten das Patentrezept, das es nicht gibt. Das macht die Beratungen schwieriger.

Soester: Wir spüren naturgemäß auch, das sich die Kunden Sorgen machen um ihre Ersparnisse. Sie beobachten die Staatsschuldenkrise besorgt, insbesondere die Frage nach inflationären Tendenzen, die man aus dieser Situation ein Stück weit ableiten kann und wohl auch muss. Das Thema ist aber im Moment noch gut im Griff, die Inflationsrate liegt bei 1,9 Prozent. Es ist aber durchaus möglich, dass es wegen der Ausdehnung der Staatsschulden perspektivisch zu höheren Inflationsraten kommen kann. Das Thema Geldentwertung treibt die Menschen um. Auch wir hören oft die Frage: Was soll ich jetzt machen?

Was geht denn gerade vor? Wieso ist die Rede von inflationären Tendenzen?

Soester: Eine Inflation ist in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass man zu viele Produktionskapazitäten hat, es zu viele nicht bezahlbare Arbeitsplätze gibt, zu viel Geld im Umlauf ist und somit auch zu hohe Schulden bestehen. Ein Stück weit haben wir diese Situation jetzt, wobei, wie gesagt, die Dinge noch sehr stabil sind. Aber: Es gibt bereits gewisse Anzeichen wie zum Beispiel hohe Tarifabschlüsse, die darauf deuten, dass möglicherweise eine inflationstreibende Lohn-Preis-Spirale in Bewegung kommt.

Das ist doch der ganz übliche Gang der Dinge?

Soester: Ja. Aber üblicherweise wird aufkeimende Inflationsgefahr eingegrenzt, indem die Europäische Zentralbank, die EZB, die Zinsen erhöht. Das Geld wird teurer und dadurch knapper. Das dämpft Konsum, Investitionsbereitschaft und Geldmenge. Das funktioniert aber in der jetzigen Situation nicht. Die EZB-Zinsen sind bei einem Prozent. Würde die EZB sie anheben, würden die südeuropäischen Patienten mit höheren Zinsen nicht umgehen können: wegen ihrer wirtschaftlichen Lage, und weil die Finanzierung ihrer Staatsschulden noch teurer würde. Also bleibt Geld billig. Für Deutschland birgt dies perspektivisch die Gefahr höherer Inflationsraten. Aber selbst Inflationsraten von 3,5 bis vier Prozent halten Experten für gut beherrschbar.

Herrmann: Wenn die Gesamtverschuldung der Länder steigt, wie jetzt durch die Rettungsmaßnahmen, dann hilft die Inflation beim realen Schuldenabbau. Auf der anderen Seite bremst eine zu starke Inflationierung den Konsum und würgt das Wachstum ab. Das ist ein Zielkonflikt. Im Ergebnis wird es meiner Meinung nach so sein, dass wir eine lang anhaltende Phase negativer Realzinsen behalten. Also Zinsen unter der Inflationsrate. Für den Normalsparer heißt das: Wer früher sicher unterwegs sein wollte, hat Bundesanleihen gekauft. Er hatte eine geringe, aber eine positive Rendite. Derzeit liegt die Rendite unter der Inflationsrate, ist also real negativ.

Was also tun?

Herrmann: Man wird angesichts von negativen Realzinsen verstärkt andere Anlagen ins Auge fassen. Risikolos und positive Rendite geht jetzt nicht mehr zusammen.

Soester: Risikolos bei leichtem Geldwertverlust angesichts der Differenz von Zinsen und Inflationsrate ist, denke ich, im Moment nicht die falsche Strategie. Der weitgehende Kapitalerhalt sollte ein vorrangiges Ziel sein, die Risikokomponente bei der Vermögensanlage würde ich derzeit klar untergewichten.

Herrmann: Man darf sich aber auch nicht allein von den kurzfristigen Entwicklungen der letzten Zeit leiten lassen. Es gilt wie bisher auch, in der Anlage Kapital zu streuen. Es ist deswegen heute notwendiger als früher, sich auch mit anderen als den für einen selbst gewohnten Anlageformen zu beschäftigen. Aktien zum Beispiel.

Soester: Da darf man dann aber nicht kurzfristig denken und nervös sein. Dennoch ist bei den aktuellen Rahmenbedingungen eine Investition in Aktien, also faktisch in Sachwerte, eine attraktive Anlageform. Viele Leute gehen derzeit aber auch in Immobilien oder Immobilienfonds.

Gibt es einen Immobilienboom?

Soester: Von einem echten Boom würde ich nicht sprechen. Aber es gibt eine deutliche Tendenz.

Herrmann: Wir verkaufen, aufs Jahr hochgerechnet, 30 Prozent mehr Baufinanzierungen. Das ist gewaltig, darunter sind aber auch Investitionen in die eigene Immobilie.

Wie stehen Sie zu einer Aussage wie: Das Geld verliert sowieso seinen Wert, ich lass mir lieber ein neues Dach aufs Haus setzen?

Herrmann: Die ist zunächst einmal emotional. Emotionalität gehört nicht zu diesem Thema.

Aber es geht doch um die Frage: Ist mein Geld dann überhaupt noch etwas wert?

Herrmann: Wir reden hier von einer schleichenden Inflation, mit negativen Realzinsen. Nicht von einer Hochinflation wie in den 20er Jahren.

Soester: Jetzt muss man ganz schnell sein Geld für Sachwerte ausgeben, das meinen Sie? Ich sehe das nicht so, wir müssen keineswegs von einem Horrorszenario ausgehen. Meiner Auffassung nach wird die Lage beherrschbar bleiben. Insofern sind panische Kurzschluss-Reaktionen überhaupt nicht angezeigt. Wenn sich abzeichnet, dass die Inflationsrate sehr deutlich ansteigt, kann man immer noch entscheiden, ob man in Sachwerte investiert.

Was bekommt man derzeit auf dem Sparbuch?

Soester: Das ist eine Frage der Laufzeit und des Volumens. Festgeld für ein Jahr bringt so um ein Prozent. Bei den häufig üblichen Vermögen von 20 000, 30 000 Euro macht es sicher keinen Sinn, die Anlagen groß zu streuen. Da würde man eher empfehlen, auch weiterhin in verzinsliche Bankeinlagen zu investieren. Mehr oder weniger kurzfristig, mit einer Laufzeit von einem, maximal zwei Jahren. Hier sollte man jedoch auf die Einlagensicherung der Bank achten, zu der man sein Geld bringt, insbesondere bei ausländischen Banken.

Herrmann: Die Zinsen sind historisch so niedrig, dass sie kaum noch sinken können. Taktisch gesehen also würde man sich auf nicht länger als ein, zwei Jahre festlegen.

Was ist mit der Altersvorsorge? Die leidet ja auch unter niedrigen Renditen. Fallen die Summen am Ende massiv niedriger aus als erwartet?

Soester: Die Anlagehorizonte sind hier sehr, sehr lang. Massiv geringer als erwartet werden die Summen kaum ausfallen. Im Moment liegt die Rendite der Lebensversicherung wegen der langfristigen Anlagen immer noch bei rund vier Prozent. Der gesetzliche Garantiezins ist allerdings auf 1,75 Prozent für neue Verträge gesunken. Mehr ist im Moment auch nicht drin. Aber es ist damit zu rechnen, dass die Versicherungsrendite in 20, 30 Jahren deutlich höher ausfallen wird. An der privaten Altersvorsorge würde ich nicht rütteln, zumal die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung stetig sinken.

Die krisenhafte Situation erleben wir nun seit 2008. Waren wir zu verwöhnt? Ist die Krise der Normalzustand?

Herrmann: Meine Meinung ist, dass die neue Normalität darin besteht, dass Krisen in kürzeren Zeiträumen auftreten werden.

Soester: Ich gehe auch davon aus, dass uns eine krisenhafte Situation über viele, viele Jahre beschäftigen wird. Die fast schon paradiesischen Zustände wie seit den späten 50er Jahren wird es in naher Zukunft sicher nicht geben.

Was ist das Wichtigste, um den Euro stabil zu halten?

Herrmann: Das ist die Frage nach der EZB-Politik. Die ist ja nicht identisch mit der Politik der Deutschen Bundesbank. Deren Ziel war früher klar als Geldwertstabilität definiert.

In einigen europäischen Ländern aber gilt die Tradition, mit der Zentralbank Arbeitsmarktpolitik zu machen. Das ist etwas ganz anderes. Diese nationalen Unterschiede bilden sich in der Politik der EZB ab. Deswegen muss man auf die Köpfe bei der EZB schauen. Wer ist gerade Präsident und welche Ziele verfolgt er? Ich sehe in der momentanen Situation zwar auch eine ökonomische, vor allem aber eine politische Frage. Es wird darauf ankommen, ob es die politisch Verantwortlichen in Europa schaffen, das Vertrauen der Finanzmärkte wieder zu gewinnen.

Das bedeutet?

Herrmann: Global gesehen agieren neue Wirtschaftsräume wie China, Russland, Indien oder Brasilien zentralbankpolitisch als Einheit, während sich Europa mit sich selbst beschäftigt. Die Währungsfrage wird hier nicht nur ökonomisch diskutiert, sondern auch politisch. Das ist das Neue an der Situation: Die entscheidende Frage wird sein, wie schnell Europa zu einer einheitlichen Linie kommt, zu einer einheitlichen Zentralbankpolitik, die weltweit wahrgenommen wird. Das würde sich in der Konsequenz positiv auf die Stabilität des Euro auswirken.

Richtung einheitlicher europäischer Wirtschaftspolitik?

Herrmann: Wir brauchen eine europäische Politik. Die spannende Frage ist, wie gesagt, wie lang braucht es bis dahin?

Soester: Die beste Lösung wäre, dass wir die Vereinigten Staaten von Europa hätten. Aber das wird angesichts von 17 Euro-Staaten nicht so einfach gehen, dafür sind die nationalen Interessen dieser Länder noch viel zu stark ausgeprägt. Andererseits haben wir nicht mehr so wahnsinnig viel Zeit, Lösungen zu finden. Die Effekte von Maßnahmen verpuffen ja immer schneller.

Das hat man an der Börse gesehen, als Spanien zur Lösung seiner Bankenkrise 100 Milliarden Euro bekam. Wenige Tage später waren die zinssenkenden Effekte wieder dahin.

Herrmann: Wir brauchen eine neue Theorie. Die Auswirkung des Finanzmarktes auf die Realwirtschaft ist gar nicht erforscht. In dem Umfeld eine Perspektive abzugeben, ist nicht einfach, weil nichts theoretisch untermauert ist. Auch das ist neu.

Was wäre der große Wurf?

Soester: Wir befinden uns aktuell in einer sehr spannenden, sehr entscheidenden Phase. Aber es ist dennoch nicht zu erwarten, dass der große Wurf kommt. Es gibt auch keine Patentrezepte. Ich persönlich glaube, dass die Position der Bundesregierung auf Dauer nicht durchzuhalten sein wird: Perspektivisch werden Eurobonds (Staatsanleihen, für die alle Euro-Länder gemeinsam haften, d. Red.) oder vergleichbare Instrumente nicht zu vermeiden sein, wenn man den Euro in seiner jetzigen Form erhalten will. Für mich ist das das kleinere Übel im Vergleich zu anderen denkbaren Szenarien.

Herrmann: Ich sehe die Eurobonds als problematisch an. Es muss einen Hebel geben von denjenigen, die Geld geben zu denjenigen, die es erhalten, dass die Reformen auch durchgezogen werden. Was aus dem Euro wird, hängt auch von denen ab, die in den einzelnen Ländern Verantwortung tragen. Halten sie es innenpolitisch durch, wenn Reformen angegangen werden? Es kann alles nur darauf zielen, dass die einzelnen betroffenen Länder in ihren unterschiedlichen Situationen so gefördert werden, dass dort aus sich heraus neues Wachstum generiert werden kann. Das wird sich langfristig stabilisierend auf den Euro auswirken. Alles andere ist gefährlich. "Risikolos und positive Rendite geht nicht mehr zusammen."

Horst Herrmann

"Es gibt kein Patentrezept."

 Edgar Soester, Vorstandssprecher der Volksbank Saar-West

Edgar Soester, Vorstandssprecher der Volksbank Saar-West

 Horst Herrmann: Es wird darauf ankommen, wie lange Europa für eine einheitliche Währungspolitik braucht.

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 Edgar Soester: Wir reden ja nicht von einem Horrorszenario. Die leichte Inflation wird beherrschbar bleiben. Fotos: Thomas Seeber

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Edgar Soester

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