Sommerinterview „Wir brauchen gleichwertige Bedingungen“

Saarbrücken · Die CDU-Landesvorsitzende über Investitionen, medizinische Versorgung und wie sich die Bundestagswahl gewinnen lässt.

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer beim Sommerinterview im Zentrum für IT-Sicherheit, Cispa, an der Saar-Uni.

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer beim Sommerinterview im Zentrum für IT-Sicherheit, Cispa, an der Saar-Uni.

Foto: Iris Maria Maurer

Pünktlich zum Sommerinterview fängt es zu regnen an. Das Foto wird kurzerhand ins Zentrum für IT-Sicherheit, Cispa, verlegt. Die CDU-Landesvorsitzende und saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (55) ist motiviert, lässt den Aufzug links liegen. Die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs kann beginnen.

Sie haben sich das Cispa als Treffpunkt ausgesucht. Es ist ein Beispiel für gelungenen Strukturwandel, hier soll das neue Helmholtz-Forschungszentrum mit 500 Arbeitsplätzen entstehen. Wie gut hat das Saarland insgesamt den Strukturwandel gemeistert?

KRAMP-KARRENBAUER: Wir sind auf einem guten Weg. Aber unsere Schuldenproblematik zeigt, dass wir immer noch an den Auswirkungen des Strukturwandels leiden. Deshalb setzen wir alles daran, dass die gegenwärtig spürbaren Veränderungen ein organischer Prozess werden und wir nicht wieder Brüche erleben, wie dies bei Kohle und Stahl der Fall war.

Die zusätzlichen Mittel aus dem Länderfinanzausgleich ab 2020 sollen überwiegend für Investitionen ausgegeben werden. Welche Investitionen sollen Vorrang haben?

KRAMP-KARRENBAUER: Die Leitfrage muss immer sein: Was trägt diese Investition zur Zukunftsfähigkeit des Landes bei? Da spielt sicherlich die Infrastruktur eine große Rolle. Damit meine ich aber nicht nur Straßen und Brücken, sondern vor allem den Breitband-und Glasfaserausbau sowie die Bildungsinfrastruktur an Hochschulen, Schulen und Kitas. Zudem müssen wir die kommunale Infrastruktur mit unterstützen. Wir wollen in den nächsten beiden Jahren diese Investitionsoffensive so optimal vorbereiten, dass ab 2020 das Geld auch verbaut werden kann. In einer interministeriellen Arbeitsgruppe legen wir jetzt fest, wo die Prioritäten liegen. Aber wir müssen auch schauen, was sich nach der Bundestagswahl eventuell ändern wird: Gibt es neue Programme, werden alte fortgesetzt? Unser Ziel ist es, im Frühjahr 2018 ein komplettes Szenario mit allen Prioritäten vorzulegen.

Sie haben zu mehr Gelassenheit im Umgang mit der AfD geraten. Aber wie umgehen mit einer Partei, in der Personen wie ein Björn Höcke, die immer wieder polarisieren, kein Einzelfall sind?

KRAMP-KARRENBAUER: Im Saarland müssen wir die Auseinandersetzung mit der AfD führen gemessen an dem, was die Partei im Landtag einbringt und wie sie sich im Land selbst darstellt. Da gibt es Gelegenheiten genug, um den Wählern deutlich zu machen, welche Positionen diese Partei vertritt, die aus unserer Sicht nicht akzeptabel sind. Auf nationaler Ebene hat sich die AfD von ihrem eigenen Anspruch eine „bürgerliche Protestpartei“ zu sein, in der Fläche immer weiter entfernt. Die sehr fragwürdigen Elemente am rechten Rand haben erkennbar mehr Einfluss in der Partei gewonnen.

Werden Innenminister Klaus Bouillon und Gesundheitsministerin Monika Bachmann die volle Legislaturperiode im Amt bleiben?

KRAMP-KARRENBAUER: Wir haben jetzt erst die neue Regierung gebildet. Deswegen beschäftige ich mich nicht mit einer Regierungsumbildung. So etwas hängt übrigens immer auch von der Frage ab, wie die persönliche Lebensplanung einer Person ist und wie es ihr gesundheitlich geht. Ich gehe davon aus, dass wir fünf Jahre vor uns haben, in denen wir gemeinsam arbeiten.

Sie haben sich im Wahlkampf unzufrieden mit der Arbeit des Bildungsministers gezeigt. Macht Ulrich Commerçon inzwischen wieder seinen Job aus Ihrer Sicht ordentlich?

KRAMP-KARRENBAUER: Es geht nicht um die Frage, ob ich zufrieden bin, sondern die Bürger. Viele von ihnen sind mit ihrer Unzufriedenheit an mich und die CDU herangetreten. Dort, wo aus unserer Sicht Handlungsbedarf bestand, sind in diesem Sinne im Koalitionsvertrag Korrekturen vorgenommen worden, etwa beim Leistungserlass oder bei der Inklusion. Auch die freiwilligen Ganztagsschulen, für die die Eltern Beiträge zahlen, werden wir verbessern statt weiter zu verschlechtern. Die SPD hat das in den Verhandlungen akzeptiert.

Dem Krankenhaus in Wadern droht das Aus. Müssen sich die Saarländer auf weitere Krankenhausschließungen einstellen?

KRAMP-KARRENBAUER: Die Entscheidung der Marienhaus GmbH in Wadern hat alle Beteiligten überrascht. Grundsätzlich gilt: Schließungen von Krankenhäusern liegen nicht in der Verantwortung der saarländischen Landesregierung, sondern in der Verantwortung der Träger. Unsere Aufgabe als Landesregierung ist es, Rahmenbedingungen für gleichwertige Lebensbedingungen im Saarland zu schaffen. Nicht nur in den Städten, sondern auch in den ländlichen Regionen muss die medizinische Versorgung vernünftig sichergestellt werden. Dabei dürfen wir nicht die Träger aus ihrer Verantwortung entlassen. In einem Diskussionsprozess mit allen Beteiligten werden wir ausloten, in welchen Strukturen dies stattfinden soll.

Das neue Waldgesetz wird den Ausbau der Windenergie bremsen. Wissen Sie schon, welche Windparks nicht genehmigt werden?

KRAMP-KARRENBAUER: Jeder Standort wird einzeln vom Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz untersucht und genehmigt. Aber es war das Wahlziel der CDU, dass wir dem Schutz von historischen Wäldern mehr Bedeutung zumessen und nicht mehr Windräder an jedem Standort ermöglichen werden.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat seine Regierungserklärung vorab an VW geschickt. Haben Sie jemals Ihre Regierungserklärung Externen zum Autorisieren geschickt?

KRAMP-KARRENBAUER: Nein. Es ist bei Regierungserklärungen üblich, dass sie mit dem Koalitionspartner abgestimmt werden und mit den Ministerien, weil diese auch sachlich zuarbeiten. Damit hat es sich auch.

Wie lässt sich die Bundestagswahl 2017 gewinnen, was sollte das Hauptthema sein?

KRAMP-KARRENBAUER: Das ist zum einen die gute Leistungsbilanz: starke Wirtschaft, niedrige Arbeitslosigkeit und die Tatsache, dass wir neue Schulden vermeiden und trotzdem investieren. Gleichzeitig werden wir herausstellen, dass wir mit Kanzlerin Angela Merkel in all den unruhigen außenpolitischen Zeiten eine wirkliche Führungskraft an der Spitze haben, die bewiesen hat, dass sie dieses Land durch alle Untiefen erfolgreich und stabil führen kann. Aber vor allen Dingen werden wir zeigen, dass wir als CDU ein Wahlprogramm haben, das gerade im Bereich Investitionen und Digitalisierung die besseren Antworten gibt. Wir werden unsere eigenen Ideen und Stärken, unsere Kandidatinnen und Kandidaten und natürlich auch die Person der Kanzlerin in den Vordergrund stellen. Wir müssen das engagiert tun, denn die Wahl ist noch lange nicht gewonnen.

Falls die Kanzlerin nach der Bundestagswahl sagt: Wir brauchen Sie in Berlin. Könnten Sie dann nein sagen?

KRAMP-KARRENBAUER: Ich bin mir ganz sicher, dass wir zurzeit als Saarland in Berlin, insbesondere mit Peter Altmaier, hervorragend vertreten sind, so dass sich diese Frage nicht stellt.

Sie haben im Interview mit der Rheinischen Post zur ,Ehe für alle’ gesagt: „Man muss aber im Blick behalten, dass das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts dadurch nicht schleichend erodiert.“ Was genau meinen Sie damit?

KRAMP-KARRENBAUER: Meine Haltung und die ihr zugrunde liegenden Argumente zu dieser Frage sind klar und haben sich durch die Abstimmung im Bundestag nicht verändert.

Ist die ablehnende Position zur ,Ehe für alle’ Mehrheitsmeinung in der Saar-CDU?

KRAMP-KARRENBAUER: Wir haben dazu keine Abstimmung durchgeführt. Ich weiß, dass meine Meinung von vielen in der CDU Saar geteilt wird. Es gibt aber auch viele, die hier eine andere Position vertreten.

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