Liebe zum Nachbarsland Wieso unser Herz für Frankreich schlägt

Liebe geht durch den Magen
Kaum ist man über die Grenze, sieht es schon irgendwie anders aus: andere Straßenschilder und Laternen, andere Häuser, andere Deko. Nur mal kurz rüber durch ein paar stille lothringische Dörfer zu fahren, fühlt sich direkt nach Ausland, nach Urlaub an (auch wenn da natürlich viele Deutsche wohnen).Ein Ausflug in einen französischen Supermarkt dient gut als Urlaubersatz: Auch wenn sich das Angebot in großen französischen und deutschen Supermärkten, zumindest in Grenznähe, inzwischen angleicht, findet man doch immer ein paar Produkte, die ein-fach auch zu Hause nach Urlaub schmecken: ein schöner Pastis, die Ein-Liter-Bombe Orangina, ein paar unwiderstehlich klebrige Eclairs, frischer Fisch, diese knuffigen Panache-Fläschchen, Baguette und Croissants, Cremant und Wein natürlich und das Wichtigste: Käse, Käse, Käse.Voller Einkaufswagen, leerer Geldbeutel – und ein bisschen Glücksgefühl, wie ein Tag Urlaub eben. Liebe geht halt durch den Magen. Nicole Bastong

Aufregen wie ein Franzose
Meckern können wir Deutschen ja ganz gut. Sobald es aber darum geht, aktiv etwas gegen den Grund für das Lamento zu tun, lässt die Motivation sehr schnell nach. Das allein ist noch verständlich. Ein bisschen gemein wird’s nur, wenn dann plötzlich gegen diejenigen geschossen wird, die eben doch Zeit und Energie für eine gute Sache opfern. Die Franzosen sind da anders. Streik, Demo und Protest – das liegt ihnen ja sozusagen in den Genen. Die französische Monarchie wurde schließlich nicht gestürzt, weil die Pariser Bürger sie freundlich darum gebeten haben. Ob alles, was unmittelbar danach kam, so blutig hätte ablaufen müssen, ist hier nicht die Frage. Fest steht einfach: Sieht ein Deutscher eine Demo, ist seine erste Frage höchstwahrscheinlich „Muss das denn sein?“, direkt gefolgt von „Die sollen erst-mal arbeiten gehen!“ Ein Franzose dagegen läuft einfach mit – selbst wenn es ihn gar nicht direkt betrifft. Sicher nicht immer die klügste Entscheidung. Aber für dieses Rebellentum kann ich unsere Nachbarn trotzdem einfach nur lieben. Aline Pabst

Plötzlich war Paris ganz nah
Warum Frankreich lieben? Weil es anders ist. Weil es neugierig macht. Als Kind haben mich als Erstes die gelben Autoscheinwerfer fasziniert, wenn wir zu einem Ausflug in Lothringen oder dem Elsass waren. Auch der Asphalt auf den französischen Straßen war anders; er knirschte etwas, wenn man da-rüber fuhr. Und wie groß war die Faszination, wenn ich ein Auto mit der Zahlenkombination 75 entdeckte – der war aus Paris, der Weltstadt, die plötzlich näher gerückt war. Warum Frankreich lieben? Weil als Kind schon Orangina besser geschmeckt hat als unsere Limonade. Und, weil französisches Nougat weiß war und nicht braun und furchtbar in den Zähnen klebte. Das lernten wir Kinder beim Tag der offenen Tür in der französischen Kaserne in St. Wendel kennen. Als ich fragte, wozu französische Soldaten eigentlich in St. Wendel waren, antwortete mein Vater mir: „Um uns zu beschützen.“ Das hat mich beeindruckt. Weil ich mehr über Frankreich wissen wollte, habe ich dort studiert und gelebt. Und nie bereut. Jörg Wingertszahn

Da ist so ein Gefühl
Essen, Strände, Paris, Elsass, Wein, großartige sportliche Leistungen im Mannschaftssport (fast immer): Herausfordernder wäre es beinahe aufzulisten, was nicht toll ist. Na ja, das Brot ist ausschließlich weiß, die Neigung, anders zu parlieren als in der Muttersprache hält sich in engsten Grenzen, aber sonst? Was also ist das Liebenswerteste an Land und Leuten hier gleich nebenan? Da ist so ein Gefühl. Übersetzt in etwa „wissen zu leben“, aber die Haltung des „savoir vivre“ lässt sich nicht in unsere Sprache übertragen. Vielleicht, weil es hier so kaum vorkommt. Und es ist damit nicht die Skihütte in den Savoyer Alpen gemeint, wo mittags Austern geschlürft und Champagner gepichelt werden. Das, was es ist, ist diesseits von Luxus. Etwas Leichteres. Bestimmt nicht immer und überall bei allen Franzosen. Aber selbst wenn es gar nicht so wahr sein sollte: Gut fühlt es sich an. Mathias Winters

Eine Architektur zum Verlieben
Klare geometrische Linien, die zusammenlaufen. Viele Pilaster und Skulpturen, die die Gebäude-Fassaden üppig verzieren und kostbare Materialien wie Marmor, die Häuser innen wie außen schmücken: Wer einmal vor und im Schloss Versailles gestanden hat, sieht den Prunk und dekadenten Lebensstil der französischen Könige auf den ersten Blick. Dieser ist aber auch an anderen ehemaligen Adelshäusern noch sichtbar. Und genau diesen Baustil verbinde ich mit und liebe ich an Frankreich (neben dem leckeren Essen). Es sind die gewaltigen Bauten mit den filigranen Stuckarbeiten des Barocks, die mich beeindrucken und die stellenweise auch bei uns im Saarland zu finden sind. Ursprünglich stammte der Barock aus Italien, aber Frankreich wäre nicht Frankreich, wenn es nicht seinen eigenen Stil mit mehr Ornamenten und Gefühl etabliert hätte. Chic! Tina Leistenschneider

Auf eine Kippe nach Paris
Dieses schöne Klischee: zum Frühstück nach Paris. Angeblich hat das ja jeder schon mal gemacht, aber die meisten lügen und wollen nur angeben. Egal. Der Kurztrip nach Paris, der war immer schon das Größte. Und das war total cool. Klar, man hätte auch für ein, zwei Tage nach Frankfurt oder Köln brettern können, aber auf die Idee wäre man mit 20 niemals gekommen. Paris war und ist nun mal eine wasch-echte Weltstadt. Wie New York, London, Tokio, nur eben in ein paar Stunden mit dem alten Peugeot 205 zu erreichen. Also ab ins Auto, Schlafsäcke in den Kofferraum und Vollgas. In Paris war alles schöner, größer, besser. Zwar wirkten die Leute arrogant, aber das mit jeder Menge Ausstrahlung und in schicken Klamotten. Und das Beste: Die Kippen waren in Frankreich viel billiger als bei uns. Also wurde geraucht, immer und überall. Wie es die Franzosen taten. Und Métro gefahren. Von Gambetta bis Défense. Und am Grab von Jim Morrison gab’s Wein. Ich muss echt mal wieder nach Paris. Nicht nur zum Frühstück. Marc Prams

Essen wie Gott in Frankreich
Wenn ich an Frankreich denke, denke ich ans Elsass, wenn ich ans Elsass denke, denke ich ans Essen. Wenn ich ans Essen denke, denke ich auch an Wein. Hört sich jetzt so an, als würde ich nur über die Grenze fahren, wenn ich Hunger und Durst hätte. Ganz so schlimm ist es nun auch nicht. Denn ich liebe nicht nur das französische Essen, sondern auch die französische Sprache. Finden Sie nicht auch? Bonjour, l’amour, Bonsoir, Madame, Monsieur, ich kann es gar nicht oft genug hören. Beim Lesen der Speisekarte läuft einem schon das Wasser im Mund zusammen, wenn man nur die Worte liest. Choucroute (Sauer-krautplatte mit Würstchen und gesalzenem Fleisch), Tarte flam-bée, Fromage, Baguette, Mousse au Chocolat, Crème brûlée. Auch ohne die französische Sprache zu beherrschen, würde man in Frankreich nicht verhungern. Wobei ich immer wieder gerne meine Kenntnisse dieser ach so schön klingenden Sprache auf-frische. Leider passiert das viel zu selten. Astrid Dörr

Die gallische Schule der Gelassenheit
Es gibt wirklich einiges, was ich bei unseren französischen Nachbarn als sympathisch empfinde. Zum Beispiel, dass sie gutes Essen schätzen und hervorragende Weine zu erzeugen imstande sind. Lange Zeit habe ich sie auch für ihren mir sehr unverkrampft erscheinen-den, authentischen Patriotismus geschätzt. Sie haben es lange verstanden, den Stolz auf ihre Nation zu kultivieren und gegenüber anderen zu demonstrieren, ohne dass es dem Gegenüber unangenehm erschien. Leider hat sich dies in den vergangenen Jahren in weiten Teilen der französischen Gesellschaft zu einem eher aggressiven Nationalismus gewandelt, den ich nun so gar nicht mag. Für eines aber muss ich unsere gallischen Nachbarn nach wie vor auf-richtig bewundern: für ihre Gelassenheit. Wo gerade wir Deutschen gerne das Leben und uns selbst viel zu ernst und wichtig nehmen, zeigen uns die Franzosen, was mit „Laissez-Faire“ gemeint ist. Und ich vermute, sie kommen damit um einiges besser durch den Alltag als so manch anderer. Christian Beckinger

So konnte nur Zizou abtreten
Ach ja, Frankreich. Mit der Freundin den ersten zweisamen Urlaub an der Biskaya erleben, als Saarbrücker im Cora Rotwein, Baguette und Garnelen kaufen, mit dem Rad unterwegs das schlechteste Bier der Welt, Kronenbourger, in rauen Mengen gegen das Dehydrieren runterspülen. Oder in Paris total orientierungslos als Fahranfänger nach dem Weg fragen und von einer älteren Dame als Deut-scher Nazi beschimpft werden. Alles kleine Erinnerungsfetzen an das große Nachbarland, das für uns junge Leute in den 80ern so unbedingt für Freiheit und guten Lebensstil, für einen Gegenentwurf zum starren und altbackenen Deutschland stand. Das aus der Sicht des männlichen Mittfünfzigers als erstes auf-ploppende Sprengsel ist aber – mal wieder typisch Kerl und gender-technisch jenseits von allem – das WM-Endspiel in Berlin 2006. Genau: Die Jungs wissen schon. Zi-dane schickt seinen Kontrahenten Materazzi per Kopfstoß zu Boden. Rote Karte. Elfmeterschießen. Italien setzt sich durch und irgend-wie war das Ergebnis ein Betrug am Turnier. War das richtig? War das falsch, wie Zidane sich damals von der Sportbühne verabschiedet hat? Es gab im Freundeskreis viele Meinungen. Aber: Es war ein großer, ein französischer Abschied! Michael Beer

Ein Pastis mit Voltaires Nachfahren in Marseille
Frankreich ist ein weites Feld. Es gibt Teile, die man schwerlich lieben kann: die Steuer-Gesetzgebung, die Bürokratie, autoritäres Gehabe höherer Beamter und das Essen bei Air France. Dem gegenüber steht die besorgte Frage des Kellners in Nizza: „Mon dieu, Sie sind mit Air France geflogen? Ich bringe Ihnen gleich mal ein Glas Rosé zur Erholung.“ Höhere Beamte, die man näher kennt, machen sich mit Voltaire-Spott über autoritäre höhere Beamte aus ihrem Dunstkreis lustig, Staatsangestellte umgehen mit geschickten Manövern die eigene Bürokratie, und die Steuer-Gesetzgebung sorgt bei Steueranwälten regelmäßig für distanzierte Erheiterung über den eigenen Staat. Kurzum, alles, was man nicht liebt, liebt man am Ende doch, wenn es von kultivierten Franzosen zum Spott freigegeben wird. Sitzt man dazu noch im Herbst am Vieux Port von Marseille und kriegt vom Kellner ein von Eis-würfeln klirrendes Glas Pastis auf den runden Marmortisch vor die Nase geknallt, während es nebenan nach Fisch riecht, ist das Glück so ziemlich perfekt. Christine Maack
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