Wie viel Debatte verträgt das Volk?

St. Wendel/Marpingen/Nohfelden. 15 Themen stehen im Schnitt auf der Tagesordnung. Der Stadtrat in St. Wendel ist oftmals binnen weniger Minuten durch. Im Marpinger Gemeinderat kann sich die Sitzung drei Stunden hinziehen. Die Kollegen in Nohfelden lassen die gleiche Anzahl Tagesordnungspunkte in anderthalb Stunden passieren

St. Wendel/Marpingen/Nohfelden. 15 Themen stehen im Schnitt auf der Tagesordnung. Der Stadtrat in St. Wendel ist oftmals binnen weniger Minuten durch. Im Marpinger Gemeinderat kann sich die Sitzung drei Stunden hinziehen. Die Kollegen in Nohfelden lassen die gleiche Anzahl Tagesordnungspunkte in anderthalb Stunden passieren. Drei Szenarien zum Ablauf in kommunalen Entscheidungsgremien. Wie kommt es zu solch zeitlich gravierenden Unterschieden im Landkreis? Themenlage? Politiker? Verschiedene Streitkulturen? Beispielhaft fragte die SZ in Nohfelden, St. Wendel und Marpingen nach. Der Nohfelder Bürgermeister Andreas Veit (CDU) geht davon aus, dass die Sachorientierung in seinem Gemeinderat verantwortlich dafür ist, dass die Sitzungslänge nicht ausufert. "Hier geht es nicht um parteipolitisches Denken und um Krachschlagen." Außerdem habe jedes Ratsmitglied die Chance, sich bei den entsprechenden Amtsleitern im Rathaus über Punkte, die auf der Tagesordnung stehen, zu informieren. "Das wird auch gemacht."Sollte über eine für Bürger wichtige Angelegenheit ohne Aussprache im Rat abgestimmt werden, "gebe ich nochmal ein paar Erläuterungen. Der Zuschauer soll schließlich nicht den Eindruck haben, hier werde etwas durchgeboxt." Zudem komme es nicht zu ausschweifenden Diskussionen, "weil wir keinen Politiker mit Profilneurose in unseren Reihen haben".St. Wendels Bürgermeister Klaus Bouillon (CDU) sieht den Grund für seine mit Abstand kürzesten Ratssitzung im Landkreis darin, dass es "kaum strittige Themen gibt". Was zu klären ist, werde vorher erledigt. Bouillon: "In den Ausschüssen wird diskutiert. Die Lösung, die dort gefunden wird, wird im Stadtrat in der Regel so beschlossen." Worum es im Detail geht, bleibt allerdings dem Stadtratsbesucher größtenteils unklar. Eine Zuschauerin, die der jüngsten Sitzung erstmals folgte, beklagte den Informationsfluss: "Ich weiß gar nicht, worüber abgestimmt wurde. Dafür hätte ich nicht kommen brauchen." Darum kündigt Bouillon eine Änderung an: "Das nehme ich gerne als Vorschlag auf. Sicher kann ich vor der Abstimmung ein paar erläuternde Worte zum Inhalt abgeben."Für den Marpinger Bürgermeister Werner Laub (SPD) gehören die häufig langen Debatten seines Rates zum "demokratischen Stil. Es ist nicht Sinn und Zweck, die Dinge in den Ausschüssen zu entscheiden." Das sei Aufgabe des Gemeinderates, der - anders als seine Ausschüsse - öffentlich tagt. So würden die Bürger stärker eingebunden. "Außerdem kann man die Ratsarbeit nicht daran beurteilen, ob es schnell geht oder nicht", nimmt Laub die Marpinger Kommunalpolitiker in Schutz. Wenn im Gemeinderat diskutiert werde, dann "gehe das teilweise vehement zu, um gute Ergebnisse zu erzielen, aber ohne Beleidigungen". Mit Selbstdarstellung einzelner habe das nichts zu tun. Meinung

Bringt es auf den Punkt

Von SZ-Redakteur Matthias Zimmermann Demokratie muss täglich erneut verteidigt werden. Allerdings schwindet das Interesse daran, für seine Rechte zu kämpfen, nicht allein durch die Macht der Gewohnheit, dass es immer so war. Eine langwierige Debatte, von Selbstdarstellung geprägt, erzeugt ebenso Desinteresse an demokratischer Einflussnahme wie bloßes Herunterleihern der Entscheidungen ohne Infos. Wenn es unerlässlich ist, Meinungen zu strittigen Themen auszutauschen, stellt das gelebte Demokratie dar. Aber langes Lamentieren bringt nicht weiter. Ein gesundes Mittelmaß ist ausschlaggebend, um es in Debatten auf den Punkt zu bringen.

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