Ottweiler Wer rettet ein Handwerker-Imperium?

Ottweiler · In Ottweiler hat Bernd Philippi historische Werkstätten gesammelt. Wie macht man daraus das erste saarländische Handwerker-Museum?

Es gibt einen Satz, der ihn immer wieder schwach macht. „Horscht, du kannscht alles hann!“, sagte vor etwa sieben Jahren die Witwe des Malermeisters Hopf aus Ottweiler zu Horst Philippi (79). Zuvor hatte bereits eine Schuhmacher-Familie aus der Nähe von Kusel bei ihm angeklopft, und danach kamen die Erben von Bodenbeläge Roth und dann auch noch vom Tabakwarenhandel Hess zu ihm, dem Ottweiler Nachbarn. Es hat sich rumgesprochen, dass Philippis auf zwei Grundstücke verteilte Gebäude eine ähnlich unerschöpfliche Aufnahmekapazität haben wie sein übergroßes Sammlerherz. In der Bahnhofstraße 27 und 31 liegt Philippis Elternhaus, das er bewohnt, dahinter die alten Zimmerei- und Holzhandel-Werkstätten der Familie, nebenan erstand er Lagerhallen für den längst geschlossenen Antiquitätenmarkt eines seiner beiden Söhne. Hier hat Philippi dann sein Imperium errichtet, denn anders lässt sich kaum beschreiben, was unter dem Namen „Handwerkerhof“ existiert, eine wilde, schräge, imponierende Mischung aus Technikmuseum, Kunsthandwerk-Galerie und Heimatstube.

Philippi, selbst gelernter Schreiner, war bis zu seiner Pensionierung Justizvollzugsbeamter, dann ehrenamtlicher Ausbilder in Entwicklungsländern und Weltreisender, immer aber blieb er eins: ein unermüdlicher Tüftler und Intarsien-Künstler, besessen vom Basteln, Reparieren, Recyclen. Deshalb stapeln und türmen sich bei Philippi nicht nur einzelne Flohmarkt-Stücke, sondern komplette Betriebsinventare von Auflösungen. Sie füllen mehrere Geschosse in seinen Hallen und Geräteschuppen. Keine Maschine war diesem Mann zu sperrig, kein Fabrikhallen-Inhalt zu kleinteilig, kein Werkzeug zu kaputt, dass er all dies nicht in Obhut genommen hätte: Rollen mit Linoleum, Furniersägen und Hobelmaschinen, Rechenmaschinen, Schlitzschrauben in Originalkästchen.

Dazu gestellt hat Philippi auch noch eine Menge eigener über Jahrzehnte gefertigter Möbel sowie Reisesouvenirs. So mischen sich historisch aussagekräftige Stücke mit banalem Trödel, museal Erhaltenswertes mit nostalgischem Kitsch. In Ottweiler lagert ein unsystematisch gewuchertes Depot, in dem sich Technik- und Heimathistorie auf das Schönste verzahnen – solange die Fundstücke erklärt werden. Doch wie lange wird dies noch möglich sein? „Wenn ich tot bin, kommt der Schrotthändler“, prophezeit Philippi. Weil er bei seinen Söhnen kein Erhaltungsinteresse erkennt, sorgt er sich um seine Sammlung. Und ist damit nicht allein.

Der Saarländische Museumsverband hat den Ottweiler „Handwerkerhof“ als akuten und vordringlichen Problemfall auf seine „rote Liste der gefährdeten Sammlungen“ aufgenommen. Museumsverbands-Präsident Rainer Raber sagt: ,,Diese Sammlung ist von Landesinteresse. Wir müssen das Wissen über die Exponate sichern.“ Raber nahm Gespräche mit dem Landkreis Neunkirchen und der Handwerkskammer auf, er arbeitet an einer Stiftungslösung. Philippi sei bereit, nicht nur die Exponate einzubringen, sondern auch die Gebäude, so Raber. Nicht abschätzen könne er, inwieweit dies bereits mit den Erben geklärt sei, vordringlich müsse jetzt Rechtssicherheit hergestellt werden.

Vom Neunkircher Landrat Sören Meng (SPD) fühlt Raber sich unterstützt. In einem Brief bekennt Meng sich zum Erhalt der Sammlung und bietet an, an einem „tragfähigen Konzept“ mitzuarbeiten. Positive Signale kommen auch von Handwerkskammerpräsident Bernd Wegner (CDU). „Wir haben ein hohes Interesse daran, dass historische Produktionsweisen erhalten bleiben“, sagt Wegner auf SZ-Nachfrage. Er befürwortet eine finanzielle Beteiligung der Stiftung Saarländisches Handwerk sowie der Metallbauer- und Schreinerinnung. Allerdings hält er eine attraktive Präsentationsform und eine Professionalisierung für wichtig. „Wir sollten über die Konzentration aller historischen handwerklichen Sammlungen in Ottweiler nachdenken.“

Tatsächlich scheint die Stadt dafür wie gemacht. Es gibt hier bereits ein Bäckereimuseum, eine original erhaltene Alte Apotheke von 1911 und das Schulmuseum. Dieses reiche, bislang ungeordnete Puzzle ergibt noch kein Bild. Letzteres könnte mal ein anderes – dörfliches und mittelständisches – Saarland zeigen, jenseits von Kohle und Stahl. Wobei das packendste Museum, das Philippi bieten könnte, bisher noch keiner auf dem Schirm hat, auch er selbst nicht. Es sind die baufällig wirkenden Holzscheunen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts hinter seinem Wohnhaus, mit Steinfußböden und schrägem Dach. In diesen Schreiner-Werkstätten arbeitet Philippi selbst. Sein Urgroßvater und danach sein Vater haben sie ihm genau so überlassen: mit ihren Sägen, den alten Bohrmaschinen, gebrauchten Lappen und historischen Bierflaschen. Diese frappierend authentische, mit Holzstaub überzogene Dornröschen-Arbeitswelt wartet auf ihre Erweckung.

Es gibt Führungen: Infos bei Horst Philippi unter Tel. (0 68 24) 38 79. www.handwerkerhof-otw.de.

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