Wenn Politik zur Pop-Art wird

Neunkirchen. Auffallen ist Politikerpflicht, will man nicht Hinterbänkler bleiben. Auffallen aber ist schwierig, will man Landrat werden. 35 Prozent betrug die Beteiligung bei der Landratswahl 2004 im Kreis Neunkirchen. Noch respektabel, schaut man auf die kärglichen 21 Prozent im Regionalverband Saarbrücken 2009. Eine Wahl fast ohne Wähler

Neunkirchen. Auffallen ist Politikerpflicht, will man nicht Hinterbänkler bleiben. Auffallen aber ist schwierig, will man Landrat werden. 35 Prozent betrug die Beteiligung bei der Landratswahl 2004 im Kreis Neunkirchen. Noch respektabel, schaut man auf die kärglichen 21 Prozent im Regionalverband Saarbrücken 2009. Eine Wahl fast ohne Wähler. "Man muss was tun, um die Bürger zu mobilisieren", sagt Cornelia Hoffmann-Bethscheider. Um klar zu machen, was auch der Landkreis bewegen könne. Die Rechtsanwältin und SPD-Vize-Fraktionschefin im Landtag will am 19. September ins Landratsamt Ottweiler einziehen - als Nachfolgerin von Parteifreund Rudolf Hinsberger. Und sie fällt auf mit ihrem Wahlkampf. 1000-fach hängen ihre Plakate im Kreis. Alle namenlos. Nur der Slogan "Es ist deine Wahl: mehr miteinander!" sticht ins Auge. Und natürlich Hoffmann-Bethscheiders Konterfei. Im Look der berühmten Drucke Andy Warhols, der Filmstars, Rockheroen, aber auch die Kennedys zu Ikonen der Zeitgeschichte, zu Pop-Art (v)erklärte. Sieht die rote Conny, wie sie ob ihrer Partei- und Haarfarbe genannt wird, sich schon als Politart? "Das nicht", wehrt sie lachend ab. Aber die Plakate "werden enorm diskutiert", sagt die 42-Jährige. Und freut sich am "Hoppla, was ist das denn?"-Effekt. Das Polarisierende sei erwünscht. Schließlich bedeute auch das, dass die Leute sich mit der Landratswahl beschäftigen. Tatsächlich sind Politikerbilder meist schöner als die Wirklichkeit, Fältchen werden retuschiert, Mundwinkel geliftet. Eben das wollte Hoffmann-Bethscheider nicht, sondern Ehrlichkeit - auch im Bild. Im Gegenteil: Grün im Gesicht wirke frau ja nicht direkt attraktiver. Klar gebe es Diskussionen in den Ortsvereinen, sagt sie. Friedel Läpple, Schiffweiler Urgestein und früherer SPD-Innenminister, der ihren Wahlkampf mitorganisiert, habe auch gestutzt, dann aber gesagt: "Wir machen das jetzt so." In einer zweiten Plakatwelle Ende August, verspricht Hoffmann-Bethscheider, stehe dann auch ihr Name zu lesen.Das Unkonventionelle war auch der Ansatz der Saarbrücker Agentur "+ 310", die für Hoffmann-Bethscheider das Konzept entwickelte. "Sie ist eben keine Person, die in eine Schublade passt", skizziert Manuela Simon von "+ 310" ihren Eindruck von ihrer Kundin. Darum war für sie klar, der übliche Kopfwahlkampf kommt nicht in Frage. Vor allem der Mensch interessierte sie. Schon, weil ihre Agentur sonst mit Politik nichts zu tun hat; Banken, Unternehmen zählen zu ihren Kunden. Auch das Klischee von der roten Conny war Simon zu schlicht, "man muss sie bunt darstellen", weil sie so vielfältig ist. Von dort war es zum poppigen Warhol-Stil nicht mehr weit. Überrascht ist Simon aber doch, wie stark die Reaktionen ausfallen: "Dass ein Plakat noch solche Emotionen hervorruft, hätte ich nicht gedacht." "Mutig" findet im Übrigen auch Thomas Thiel die Plakate seiner Mitbewerberin. Für ihn wäre ein solcher Auftritt aber keine Option. "Für mich geht es ja auch darum, mein Gesicht im Kreis bekannter zu machen", sagt der 39-jährige CDU-Mann. In Spiesen, wo der Referatsleiter im Finanzministerium seit 2004 Ortsvorsteher ist, hat er Heimspiel. Anderswo im Kreis aber ist die in der Landespolitik seit Jahren präsente Hoffmann-Bethscheider wohl im Bekanntheitsvorteil. Klassisch hat Thiel seine Kampagne angelegt, setzt bei den rund 1000 Plakaten und 30 Großplakaten auf ein normales Bild. Sympathisch, offen soll es sein, eben "echt!". So lautet auch die Kürzestbotschaft auf seinen Postern. Die spiegele auch den Eindruck, den andere von ihm haben, sagt der Diplom-Kaufmann: ein unverfälschter Mensch, der noch nicht verbraucht ist im Politikbetrieb. Anders als seine Konkurrentin hat Thiel vieles in Eigenregie gemacht. Der CDU-Landtagsabgeordnete Tobias Hans war sein Sparringspartner beim Ideenfinden und Gestalten. So verschieden der Wahlkampf, so gleich aber, was beide Kandidaten investieren um Landrat von 138 000 Bürgern zu werden. Rund 40 000 Euro werde ihr Wahlkampf kosten, schätzt Hoffmann-Bethscheider. Etwas weniger will Thiel ausgeben. Und was passiert nach der Wahl mit den Plakaten? Cornelia Hoffmann-Bethscheider weiß es: "Mein Mann hat eine Serie gesichert und einen Platz ausgesucht, wo sie hinkommen." Zumindest daheim wird sie also Pop-Art sein.

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