Wenn Glocken läuten für die Kunst

Für manchen wird es ein Überraschungs- und Schreckmoment sein - wenn plötzlich, nach vier Jahren, in St. Martin in Fechingen die Glocken wieder läuten. Nicht um zum Gottesdienst zu rufen, sondern um ein Signal neuer Vitalität zu setzen, einen Glockenruf zur Eröffnung: Wir sind jetzt am Start, wir, das Kunsthaus St. Martin. Schon im Mai könnte das sein

 Die St.-Martin-Kirche von außen (links) und von innen: Martin Meyer zeigt stolz, wie Gemälde in dem ehemaligen Gotteshaus zur Geltung kommen. Fotos: Iris Maurer

Die St.-Martin-Kirche von außen (links) und von innen: Martin Meyer zeigt stolz, wie Gemälde in dem ehemaligen Gotteshaus zur Geltung kommen. Fotos: Iris Maurer

Für manchen wird es ein Überraschungs- und Schreckmoment sein - wenn plötzlich, nach vier Jahren, in St. Martin in Fechingen die Glocken wieder läuten. Nicht um zum Gottesdienst zu rufen, sondern um ein Signal neuer Vitalität zu setzen, einen Glockenruf zur Eröffnung: Wir sind jetzt am Start, wir, das Kunsthaus St. Martin. Schon im Mai könnte das sein. Es ist dies die Galerie und Kunstagentur des früheren Glas-Fabrikanten Martin Meyer (60) aus Wallerfangen, heute Privatier. Er malt selbst, ist seit 30 Jahren Kunstsammler, suchte Räume für Vernissagen. Ein Bankberater brachte ihn auf die Idee, Geldanlage, Herzensangelegenheit und Hobby zu verbinden. Wie wär's mit einer Kirche als Immobilie und Ausstellungsraum?, fragte er. Und so wurde Meyer 2010 Eigentümer von 600 Quadratmetern Kirchen-Raum. St. Martin war damals erst relativ kurz, erst ein Jahr, profaniert. Es handelte sich um ein typisches 60er-Jahre-Sakral-Gebäude mit einem 30 Meter hohen, eckigen Glockenturm. Meyer wusste, was an Sanierungsaufwand auf ihn zukommen würde. Deshalb zählt er heute auch nicht zur Gruppe der frustrierten, finanziell überforderten Bauherren unbequemer Gebäude. "Der Raum inspiriert mich!", freut er sich immer noch. Der Saarbrücker Bauingenieur und Architekt Albert Dietz hat ihn 1964 entworfen: viel Glas und Sichtbeton, eine klare, spröde, schöne Optik. Hinzu trat "Kunst am Bau" eines der berühmtesten Saar-Künstler, von Oskar Holweck: blaue Keramik-Lamellen außen, Lichtbänder und Bleiglasfenster. Außer den Lichtbändern ist nichts mehr davon da. Der raue, authentische Gebäude-Charakter ging verloren. Denn die Lamellen-Haut wurde abgeschlagen, die Holweck-Fenster verschwanden hinter einer 18-Zentimeter-Dämmung samt Putz. Das ging, denn der Bau stand nicht unter Denkmalschutz. Alles sieht sehr fesch aus, weiß und hell strahlt der Innenraum, in dem Empore und Altar samt Stufen erhalten blieben. Über 100 farbenfrohe, figürliche Ölgemälde aus Kuba, Fernost oder Alaska hängen an den Wänden. Frevel an einem sakralen Meister-Bau? Die Friseurin von schräg gegenüber zitiert Volkes Stimme: "Die Kirche war hässlich und baufällig, die hat nie jemand gemocht. Jetzt sieht sie endlich wieder sauber aus."Meyer ist stolz auf den "mordsmäßigen Bau", den er hinter sich gebracht hat. Über Erwerbs- und Sanierungskosten will er keine Angaben machen. "Ich habe das nicht nur aus Liebhaberei in Angriff genommen, es muss sich amortisieren." Meyers Sohn soll das Kunsthaus St. Martin managen. Dem Eigentümer ist wichtig: "Wir wollten nicht einfach nur eine Halle, sondern eine Stätte der Kunst, wir wollten den Kirchen-Charakter erhalten und der Gemeinde sollte das Gotteshaus nicht ganz verloren gehen." Meyer erzählt von der Zusage des Pfarrers, dass ab und zu auch wieder Gottesdienste gehalten werden könnten.

Freilich ohne den Kunst-Verkauf zu gefährden. Damit die Kunden sich wohlfühlen, möchte Meyer im Untergeschoss der Kirche, wo einst der Kindergarten untergebracht war, Gastronomie unterbringen. Ganz frei ist er, wie alle, die Sakralgebäude erwerben, in der Nutzung nicht. Im Kaufvertrag wurde festgelegt, dass keine würdelose Nutzung installiert werden darf. Ansonsten drohen eine Einstweilige Verfügung und Geldstrafen.

Am Rande

Zum Thema "Wohin mit den leer stehenden Gotteshäusern?" veranstaltet die Union Stiftung am Dienstag, 5. Februar, um 18.30 Uhr in der Steinstraße 10 in Saarbrücken eine Podiumsdiskussion. Teilnehmer sind Christoph Freitag, Diözesanbaumeister Trier; Christian Weyer, Superintendent im Kirchenkreis Saar-West der Evangelischen Kirche; Benedikt Welter, Dechant der Katholischen Kirche in Alt-Saarbrücken; Thomas Frings, Autor des Buches "Gestaltete Umbrüche". Moderation: Oliver Schwambach (SZ). Anmeldung (06 81) 70 94 50. ce

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort