Selbsthilfegruppe Anonyme Messies Wenn die Sammelwut zur Krankheit wird

Saarbrücken · Unordentlich sind viele Menschen. Wer aber mit der täglichen Organisation des Alltags völlig überfordert ist, Dinge kauft, sammelt und hortet, bis die Wohnung kaum mehr begehbar ist, der hat ab einem bestimmten Punkt ein psychisches Problem und leidet womöglich unter dem „Messie-Syndrom“, das in seiner extremen Form zur Vermüllung der eigenen vier Wände führt.

Bei Wikipedia heißt es, das „Messie-Syndrom“ sei eine „Störung der Wertbeimessung.“

Conny N. weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn man „nicht loslassen kann.“ Die 61-Jährige Saarbrückerin ist Sprecherin der Selbsthilfegruppe „Anonyme Messies Saar“. Sechs bis acht Betroffene, in der Mehrzahl Frauen, kämen regelmäßig zu den Gesprächskreisen, um über ihre Probleme mit der strukturierten Bewältigung des Alltags zu sprechen, sich gegenseitig zu unterstützen. „Es ist ein sehr schambesetztes Thema und viele Betroffene sehen das Problem bei sich erstmal gar nicht“, weiß Conny N.

Dabei geht es nicht um ein paar vollgestopfte Regale und verteilte Wäsche im Wohnzimmer. „Messies“ – die eigentlich despektierliche Bezeichnung stammt aus dem Englischen und bedeutet „unordentlich“ – leiden oft unter lähmenden Depressionen, Verlustängsten, auch Zwangsstörungen. Was andere durch Überwindung des inneren Schweinehundes ausmisten und aufräumen können, verursacht bei den Betroffenen schier unüberwindbare Probleme. „Selbst wenn man es eine Zeit lang geschafft hat, die Gefahr des Rückfalls lauert überall“, weiß Conny N. „Das ist wie bei trockenen Alkoholikern.“ Sie berichtet von Menschen, die nicht mit den Unwägbarkeiten des alltäglichen Lebens klar kommen, Verluste nicht verkraften können, von ihrer eigenen Kauf- und Sammelsucht. Aus der fehlenden Struktur erwächst eine sich verstärkende Lebensuntüchtigkeit. Dann ist professionelle, psychotherapeutische Hilfe gefragt. „Leider gibt es im Saarland fast keine Therapeuten, die sich auf das Messie-Syndrom spezialisiert haben“, sagt Conny N.

Die Selbsthilfegruppe „Anonyme Messies Saar“ trifft sich jeden zweiten und vierten Donnerstag in Saarbrücken. Info: Kontakt- und Informationssstelle für Selbsthilfe Saar, Tel. (06 81) 9 60 2130 oder email an: ronja307@gmx.de

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