Wenn die "Dicke Berta" ins Keuchen kommt

Zickereien kann sich die "Dicke Berta" nicht verkneifen - obwohl ihr bei der Probefahrt nicht alles abverlangt wird. Drei Tage lang sind die Jakobsbrüder auf Tour, um die korpulente Dame, 2.30 Meter lang, auf Herz und Nieren zu prüfen - einer von mehreren Tests für 2014. Am 6. April wollen die Keßlinger mit ihren Traktoren den Jakobsweg bezwingen

 Den Schnappschuss ließ sich der kleine Koreaner nicht entgegen: die Traktorfahrer mit "Berta".

Den Schnappschuss ließ sich der kleine Koreaner nicht entgegen: die Traktorfahrer mit "Berta".

Zickereien kann sich die "Dicke Berta" nicht verkneifen - obwohl ihr bei der Probefahrt nicht alles abverlangt wird. Drei Tage lang sind die Jakobsbrüder auf Tour, um die korpulente Dame, 2.30 Meter lang, auf Herz und Nieren zu prüfen - einer von mehreren Tests für 2014. Am 6. April wollen die Keßlinger mit ihren Traktoren den Jakobsweg bezwingen. Dafür bauen sie zwei rollende Hotels: die "Dicke Berta" und den "Langen Hans". "Berta" ist geländegängig, "Hans" soll in den nächsten Monaten Leben eingehaucht werden.Eine der Fragen bei der Tour durch Luxemburg: Kommt die Lady, die locker fünf Tonnen Kampfgewicht auf die Waage bringt, am Berg ins Keuchen oder gar ganz aus der Puste? Um das zu testen, haben Pierrot Lahr, Jürgen Pierrags, Hermann Kütten, Paul Michels, René Fettes, Wilfried Mölders und Werner Ackermann ihre Hürlimans, Güldners, Fordsons und Eicher Mammuts angeschmissen. "Berta" - das Muschelhotel, im Schlepp. Auf den 300 Kilometern stellt sich heraus: Die Elegante mit Fünf-Sterne-Wohnkomfort wird ihrem Ruf gerecht: mondän, gemütlich, ein bisschen aufmüpfig zwar, aber schnell zufriedenzustellen. Ein paar Handgriffe des Monteurs, ein paar Streicheleinheiten, und schon läuft sie wieder - und zwar wie geschmiert.

Aufsehen erregen die Keßlinger mit ihrer rollenden Unterkunft allemal - nicht nur wegen deren Funktionalität, Gemütlichkeit und Schönheit. Großformatige Fotos aus der Heimat zieren die Außenwände: Schnappschüsse von der Saarschleife, der Porta Nigra, von Schengen, Luxemburg und eine Landkarte vom Dreiländereck - und natürlich Abbildungen von Jakobsmuscheln. Versteckt hinter der Landkarte von der Saar-Lor-Lux haben sie "Berta" an der Außenseite eine Kochmöglichkeit installiert. "Die Freiluftküche probieren wir erst im kommenden Jahr aus", schmunzelt Paul Michels. Dieses Mal bleibt die Küche kalt.

Längst sind "Berta" und ihre Erbauer Berühmtheiten geworden - bekannt durch Fernsehen, Radio und Zeitung. Die Folge der Popularität: Die Saarländer und ihre Gefährte stehen im Blitzlichtgewitter, müssen unzählige Fragen beantworten. "Die Leute sind von unserem Projekt begeistert", freut sich auch "Boss" Pierrot Lahr. "An und für sich wollte ich nach meiner Pensionierung die Tour über 5000 Kilometer allein angehen", gesteht er. Doch Vereinskollegen machten ihm da einen Strich durch die Rechnung. Schnell hatte sich die Idee unter seinen Leuten verbreitet - aus der Einmann-Aktion wurde eine Gemeinschaftssache.

"Es soll eine Pilger- und Genussreise werden", sind sie sich über die Tour einig, die sie rund in 17 Monaten angehen wollen. "Am 2. April feiern wir den 70. Geburtstag von René Fettes, unserem Senior. Vier Tage später fahren wir von der Jakobus-Kapelle Keßlingen ab", erzählt Jürgen Pierrags. Vor der großen Reise haben sich die Jakobsbrüder einige "Trainingslager" verordnet. Eines davon: die Tour durch das Großherzogtum.

Von dem Ausflug, organisiert von René Fettes, können die Sieben nicht genug schwärmen - von der herrlichen Landschaft, der Herzlichkeit der Leute, dem guten Essen, der Männerfreundschaft und dem Wetter, das den Fahrern an den drei Tagen alle Varianten lieferte. Regen, Sonne, Wind, Wolkenbruch, Kälte: Alles war dabei. "Für uns hervorragendes Testwetter", meint Michels. Von Keßlingen aus führte sie die Fahrt nach Esch sur Sure weiter nach Vianden.

Dem Zufall hat "Reiseführer" Fettes nichts überlassen. Er hat just das Wochenende ausgewählt, an dem in der idyllischen Gemeinde im Norden des Großherzogtums Nessmoort - Nussmarkt - gefeiert wird. Ob leckerer Kuchen, knuspriges Brot, Likör, Wurst, flambierte Pfannkuchen, Waffeln, Pastete, Likör oder Schnaps: Ohne Nüsse geht da nichts. Mittendrin die Pilger von der Obermosel, die sich bei der Auswahl so vieler Spezialitäten im siebten Himmel fühlen. Die Fahrt führt sie weiter nach Merzkirchen. In dem kleinen Saargau-Dorf, der letzten Etappe der Reise, machen sie in der Jakobsherberge Station, lassen bei einer zünftigen "Chaucroute"-Platte ihre erste Testfahrt mit "Berta" und den Traktoren hochleben - eine leckere Sauerkraut-Spezialität, bevor es nach Hause geht.

Die kleinen Pannen und Zickereien von "Berta" stecken sie locker weg - niemand ist perfekt. Sie soll noch einen Feinschliff erhalten. Ebenso wollen sie das Fahren im Konvoi über einen größeren Zeitraum optimieren, den Funk, über den sie sich während der Fahrt verständigen, verbessern. Auch in Sachen Wetterschutzkleidung sind die Sieben nach der Tour ein bisschen schlauer. An den Traktoren wollen sie ebenfalls noch ein bisschen schrauben und werkeln. "Nicht auf alle Fragen gab es eine voll befriedigende Antwort, sodass noch einiges an Feinabstimmung erforderlich ist", zieht Paul Michels eine Bilanz der Jungfernfahrt. "Dafür haben wir ja noch genügend Zeit." Vorbereitung schafft Sicherheit.

Für Michels und seine Mannen steht fest: Im kommenden Jahr soll es wieder eine Testfahrt geben - dann mit "Berta" und dem "Langen Hans". Das männliche Pendant zu der schwergewichtigen Dame, 7.50 Meter lang und 2.30 Meter breit, soll sobald als möglich folgen. "Sein Unterbau ist schon vorbereitet", verrät die eingeschworene Clique. "In der einen Hälfte richten wir vier Schlafplätze, Dusche und Toilette ein. Für die andere Hälfte ist ein Aufenthaltsraum mit Bar für schlechtes Wetter vorgesehen." Auf eine zünftige Einweihung wollen sie auch nicht verzichten - ebenso wie bei "Berta". Die Fete für die Lady stieg Anfang August auf dem Terrain von Pierrot Lahr. Und was seine Adresse angeht, so scheint der Name Vorbestimmung: Am Jakobsbrunnen.

Auf einem ausgedienten Erntewagen haben die sieben Handwerker mit Hilfe von Freund Rudi Huber aus Metall und viel Holz die kuschelige wie hochmoderne Unterkunft hochgezogen: mit vier Schlafplätzen, einer Dusche mit Toilette, einem Kühlschrank, einer Waschmaschine, einem Trockner - und der Außenküche. "Ein 400-Liter-Frischwassertank und ein 600-Liter-Abwassertank garantieren uns für drei Tage Autonomie", plaudert Pierrot Lahr aus der Schule. "Die Stromversorgung erfolgt über Batterien, deren Spannung auf 220 Volt Wechselstrom gewandelt wird. Die Batterien werden per Zapfwelle geladen. Für größeren Strombedarf beim Waschen und Trocknen wird ein Stromaggregat mitgeführt." Natürlich darf es auch nicht an Warmwasser und Heizwärme fehlen. "Die werden mit einer Gas-Etagenheizung, die wir auf Propangas umgerüstet haben, produziert."

Noch Vieles wollen die Jakobsbrüder bis zur großen Tour auf den Weg gebracht haben - den Anschluss an die weltweite Datenautobahn während der Fahrt eingeschlossen. Schließlich wollen sie den Daheimgebliebenen Tag für Tag von ihren Erlebnissen berichten. Angepeilt haben sie, 100 bis 150 Kilometer auf ihren Traktoren pro Tag zurückzulegen. Auch die Route haben sie sich schon ausgeguckt: von Perl über Frankreich über die Pyrenäen nach Santiago de Compostela. Natürlich wollen sie mit "Berta" und "Hans" ans Kap Finisterre. Am sogenannten "Ende der Welt", einer kleinen Landzunge, die weit in den Atlantik hinein reicht, schließen sie ihre 5000 Kilometer lange Reise nicht ab. Über Porto und Lissabon geht's bei der dreimonatigen Reise zurück nach Perl.

Auf einen Blick

Sie kommen aus aller Herren Länder und haben dasselbe Ziel: das Grab des heiligen Jakobus in Santiago de Compostela. Nicht erst seit Hape Kerkelings Bestseller "Ich bin dann mal weg" strömen Pilger auf die traditionellen Pfade: "Ultreia - immer weiter", wie sich die Jakobspilger zurufen.

 Leckerer Abschluss: Deftiges mit Sauerkraut. Fotos: Jakobsbrüder

Leckerer Abschluss: Deftiges mit Sauerkraut. Fotos: Jakobsbrüder

 Fünf der sieben Hotelbauer: Jürgen Pierrags, Rudi Huber, René Fettes, Wilfried Mölders, Pierrot Lahr (v. r.). Foto: Rolf Ruppenthal

Fünf der sieben Hotelbauer: Jürgen Pierrags, Rudi Huber, René Fettes, Wilfried Mölders, Pierrot Lahr (v. r.). Foto: Rolf Ruppenthal

Der Camino führt vorbei an prächtigen Kathedralen und Klöstern, steinerne Zeugen des einstigen Wohlstands von Spanien. Herrliche Naturerlebnisse bietet der Weg außerdem: die Pyrenäen, die ertragsarmen Weiten des kastilischen Hochlandes, die grünen Hügel von Galicien, die sich bis zur Atlantikküste ziehen. red

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