Wenn das Reh plötzlich im Garten steht

Saarbrücken · Der Winter war lang und hart. Für Fleischfresser stellte das kein Problem dar, doch Insektenfresser wie das Rebhuhn hatten Mühe, ihre Jungen durchzubringen. Auch Wildschweine mussten auf der Suche nach Futter längere Strecken zurücklegen als sonst.

Der Frühling hat lange auf sich warten lassen. Das belastete nicht nur manche Menschen, sondern trieb zum Teil auch Wildtiere auf der Suche nach Nahrung in die Gärten. "Es ist problematisch, dass die Vegetation so spät ins Laufen kommt", urteilt der saarländische Landesjägermeister Daniel Hoffmann. "Normalerweise sprießt das Grün um diese Zeit und bringt frische Nahrung für Wildtiere." Nahrung finden insbesondere Pflanzenfresser wie Rehe oder Hirsche, indem sie Knospen, Blätter, Zweige und Rinde von Bäumen und Sträuchern knabbern. Die Folge seien Waldschäden. "Rehe stehen auch schon mal auf Getreidefeldern", sagt der Landesjägermeister. "Das Wild äst auf den Äckern, wenn es grünt", bestätigt Hans Lauer, Geschäftsführer des Bauernverbandes Saar. Unüblich sei das nicht, der lange Winter dagegen schon.

"Der Winter, den wir hatten, war für das Schalenwild keine Notzeit", sagt dagegen Detlef Reinhard vom Naturschutzbund (Nabu) Saar. Die Tiere stellten sich auf die nahrungsfreie Zeit ein, indem sie ihren Stoffwechsel anpassten und die Energie zurückführen. In Hausnähe kämen Rehe, wenn sie merkten, dass sie dort nicht gejagt würden und im Garten etwas für sie abfalle.

"Rehe haben kein Problem mit Menschen. Sie stehen immer in Siedlungsnähe", erklärt Hans-Albert Letter, Leiter des Saarforst-Landesbetriebes. Wer nahe dem Wald wohne und einen Garten habe, der nicht eingezäunt ist, könne die Tiere öfter sehen. Auch auf Friedhöfe kämen die Tiere zuweilen. Hirsche dagegen gingen eher auf Abstand. Problematisch - vor allem für Wildschweine - sei, dass es im vergangenen Herbst kaum Eicheln, Bucheckern und Ähnliches gegeben habe. Auf der Futtersuche habe das Schwarzwild daher große Strecken zurückgelegt und die Waldbestände durchwühlt. "Klar ist, dass die Wildtiere an das mitteleuropäische Winterwetter seit Jahrtausenden angepasst sind", betont Letter. Deshalb empfänden die Tiere den vergangenen Winter nicht als schlimm.

Fleischfresser hätten kaum Schwierigkeiten gehabt, in der kalten Jahreszeit genug Nahrung zu finden, erörtert Daniel Hoffmann. "Problematisch ist es für Tiere, die Insekten fressen, da es wegen der fehlenden Vegetation kaum Insektenflug gab", sagt er. Bei den Rebhühnern beispielsweise seien die Jungen in den ersten drei Wochen auf Insektennahrung angewiesen, ansonsten sterben sie. "Aber wir können die Auswirkungen des Winters schlecht bewerten, weil wir in den vergangenen 20 Jahren keinen vergleichbaren Winter hatten", resümiert Hoffmann.

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