Wenn das Klassenzimmer zum Kreißsaal wird

Losheim. Um zwölf Uhr und vier Minuten setzt das erste Geschrei ein. Für einen Augenblick bringt es die Schüler der Klasse 7d zum Schweigen. Alle schauen sie auf die Puppe, die gerade zum Leben erwacht ist und jetzt gefüttert werden will. Für das Wohl von zwölf solcher High-Tech-Puppen ist die Klasse 7d an der Peter-Dewes-Gesamtschule seit gestern verantwortlich

Losheim. Um zwölf Uhr und vier Minuten setzt das erste Geschrei ein. Für einen Augenblick bringt es die Schüler der Klasse 7d zum Schweigen. Alle schauen sie auf die Puppe, die gerade zum Leben erwacht ist und jetzt gefüttert werden will.Für das Wohl von zwölf solcher High-Tech-Puppen ist die Klasse 7d an der Peter-Dewes-Gesamtschule seit gestern verantwortlich. Fünf Tage lang werden sie Eltern spielen, werden ihre Windeln wechseln, sie füttern und im Arm wiegen.

Puppen, die Bedürfnisse und Verhalten von Neugeborenen simulieren: Was zuerst nach Spielerei klingt, ist Teil des Projektes "Babybedenkzeit" - und hat einen ernsten Hintergrund, wie Carina Keßler-Baierschmitt vom Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) erklärt. "Viele junge Leute haben ein verklärtes Bild vom Leben mit Baby." Aus ihrem beruflichen Alltag erleben Keßler-Baierschmitt und ihre Kolleginnen immer wieder, wie überfordert junge Mütter mit dem Nachwuchs sind. Die Realität sehe eben anders aus.

Ziel des Projektes von SKF und Caritas organisierten Projektes sei es aber nicht, die 13- bis 14-Jährigen zu erschrecken. Aber sie sollen lernen, "verantwortungsbewusst das Leben zu planen", sagt Keßler-Baierschmitt. Das passiert während der Projektwoche auch mit Hilfe von Vorträgen, zum Beispiel zu Prävention. Aber wichtig sei das "Lernen mit allen Sinnen", wie es Keßler-Baierschmitt nennt: "Ich kann mich stundenlang vorne hinstellen und erzählen, aber die Praxis ist viel eindrucksvoller." Das belegen auch die Fragebögen, die vor und nach dem Projekt ausgegeben werden: "Der Kinderwunsch bleibt bestehen, aber fast alle Jugendliche wollen die Kinder zu einem etwas späteren Zeitpunkt - zum Beispiel wenn sie mit der Ausbildung fertig sind."

Etwa 1000 Euro kostet laut Keßler-Baierschmitt eine einzige Puppe. Die Zugehörigkeit zu ihren Eltern wird über ein elektronisches Armband hergestellt, dass die Schüler die Woche über tragen müssen. "Damit nicht die Eltern nachts das Füttern übernehmen", erklärt Carina Keßler-Baierschmitt. Eine Spanne von 15 Baby-Persönlichkeiten lasse sich vom Computer aus einstellen.

Ein bisschen Kreißsaal-Atmosphäre kam allein schon dadurch auf, dass sich die Schüler auch auf einen Namen für "ihr" Baby einigen mussten. Der stand dann auch prompt auf einer Geburtsurkunde. Und Minuten später füllte sich der provisiorische Kreißsaal mit Babygeschrei . . .

Bis Freitag begleiten wir die Schüler Maya, Laura und Colin durch das Projekt "Babybedenkzeit" und berichten von ihren Erfahrungen als frischgebackene Eltern.

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