Telemedizin Wenn Ärzte auch mit den Ohren sehen

Saarbrücken · Kommt im Saarland bald die Arztbehandlung per Telefon und Videosprechstunde? Die rechtlichen Hürden könnten Mitte 2018 fallen.

 Die Telemedizin gilt als zukunftsträchtig und wird wohl auch bald im Saarland eingeführt.

Die Telemedizin gilt als zukunftsträchtig und wird wohl auch bald im Saarland eingeführt.

Foto: dpa/Marijan Murat

Ob Halsschmerzen, Bauchweh, Blasenentzündung, Hexenschuss, Windpocken oder Hautpilz: Der Patient der Zukunft braucht mit solchen Krankheitssymptomen bald nicht mehr selbst in die nächste Arztpraxis, sondern er kann sich per Handy oder Smartphone-App rund um die Uhr direkt an einen Teledoktor wenden. Dieser wird ihn nicht nur sofort beraten, sondern ihn auch gleich samt elektronischer Rezepterstellung und Medikation behandeln oder an einen Spezialisten weiterleiten. „Ärzte sehen auch mit den Ohren – Telemedizin in der Praxis“, lautete dazu der spannende Vortrag des Leitenden Arztes der Schweizer Medgate AG, Dr. Timo Rimner, beim Herbstempfang der Techniker Krankenkasse (TK) in Saarbrücken. In der Schweiz, so Rimner, ist die Arztbehandlung per Telefon und per Videosprechstunde jedenfalls längst eingeführt. In Deutschland darf der Arzt dagegen laut Berufsordnung am Telefon bislang nur beraten (wie auch der allwöchentliche Teledoktor der Saarbrücker Zeitung), aber eben nicht behandeln. Mitte 2018 könnte damit aber auch im Saarland Schluss sein.

 „Der Vorstand der Bundesärztekammer hat das Thema Telemedizin-Behandlung im Dezember auf der Tagesordnung und beim nächsten Deutschen Ärztetag im Mai 2018 in Erfurt könnte die rechtliche Öffnung dafür kommen“, sagte Saar-Ärztekammerpräsident Dr. Josef Mischo. Er, wie auch der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Saar, Dr. Gunter Hauptmann, deuteten an, dass die Saar-Ärzteschaft für eine Telemedizin-Öffnung bei entsprechender Qualitätssicherung für den Patienten zu haben sei. In der Schweiz werden die Telemedizin-Ärzte laut Rimner gesondert geschult. Sie können oft schon am Atmen, Schnaufen oder Husten des Patienten am Telefon erkennen, welche Krankheit jemand hat, stellen detaillierte Fragen zur Krankheitsvorgeschichte oder lassen sich per Handyfoto die mutmaßlichen Hauterkrankungen übermitteln. Vorteile für die Patienten: Keine langen Wartezeiten mehr wegen Bagatellfällen in überfüllten Arztpraxen, bessere gesundheitliche Versorgung auf dem Land, schnellere Terminvergabe zum Facharzt oder gezielte Einweisung in die Klinik. „Wer mit Verdacht auf schwere Herzerkrankung am Telefon über Thoraxschmerzen klagt, bekommt natürlich sofort einen Rettungswagen geschickt.“

 Laut Rimner haben in der Schweiz allein die Medgate-Ärzte und ihre Mitarbeiter mehr als 5000 Patientenkontakte pro Tag. 40 Prozent aller Fälle werden am Telefon erfolgreich behandelt, 60 Prozent werden zur Behandlung weiter verteilt an andere Ärzte, Kliniken oder Gesundheitseinrichtungen. 1000 SMS-Befragungen pro Woche zeigen: 80 bis 90 Prozent der Patienten sind zufrieden mit dem Teledoktor, der bei Behandlungsfehlern haftet wie jeder andere Arzt auch. Zudem sparen in der Schweiz Patienten, die das Medgate-System nutzen, laut  Rimner 18 Prozent Krankenversicherungskosten. „Das sind Riesenveränderungen, die da auf uns zukommen“, befand der neue Leiter der TK-Landesvertretung Saarland, Stefan Groh. Er und TK-Bundesvize Thomas Ballast kündigten zudem ab Mitte 2018 für ihre Versicherten die Einführung der elektronischen Patientenakte an, in der künftig alle Daten des Patienten vom Arzt bis zum Apotheker abrufbar sind. Der Patient soll über die Verwendung der Daten selbst bestimmen. Die TK ist im Saarland mit 91 000 Versicherten nach eigenen Angaben hinter der AOK, IKK, Knappschaft und Barmer fünftgrößte gesetzliche Kasse.

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