Weniger Ärzte für mehr PatientenSpontane Antworten von Dr. Bethscheider

Neunkirchen. Was im Großen vielleicht noch weit weg erscheint, wird im Kleinen ganz konkret. Ende Oktober hat Dr. Jürgen Bethscheider aus Schiffweiler, seit einem Jahr an der Spitze des Saarländischen Hausärzteverbandes, beim Hausärztetag in Saarbrücken alarmierende Zahlen vorgetragen: In zehn Jahren wird die Hälfte der 682 Hausärzte das Rentenalter erreicht haben

 Dr. Jürgen Bethscheider legte beim Redaktionsbesuch (auf dem Foto mit SZ-Redakteurin Claudia Emmerich) den Finger in die Wunde. Foto: Willi Hiegel

Dr. Jürgen Bethscheider legte beim Redaktionsbesuch (auf dem Foto mit SZ-Redakteurin Claudia Emmerich) den Finger in die Wunde. Foto: Willi Hiegel

Neunkirchen. Was im Großen vielleicht noch weit weg erscheint, wird im Kleinen ganz konkret. Ende Oktober hat Dr. Jürgen Bethscheider aus Schiffweiler, seit einem Jahr an der Spitze des Saarländischen Hausärzteverbandes, beim Hausärztetag in Saarbrücken alarmierende Zahlen vorgetragen: In zehn Jahren wird die Hälfte der 682 Hausärzte das Rentenalter erreicht haben. 27 neue Ärzte pro Jahr würden gebraucht, um diese Entwicklung aufzufangen. Zehn zähle man jedoch nur. In Schiffweiler, wo Bethscheider seit 31 Jahren seine Praxis betreibt, leben in den vier Ortsteilen rund 18 000 Menschen. "Dort haben wir aktuell zwölf Ärzte", sagt Bethscheider beim Besuch in unserer Redaktion. "Eine Gynäkologin, eine Kinderärztin, einen Gastro-Enterologen, die anderen Allgemeinmediziner. In zehn Jahren werden von diesen zwölf Ärzten nur noch vier unter 65 sein. Und die anderen nahe dran." Parallel dazu verliere die Gemeinde zwar Einwohner, so Bethscheider weiter, aber die seien älter und morbider, also krankheitsbelasteter. Ein Klientel, das medizinisch intensiver zu versorgen sei."Es kann ja nicht sein, dass wir bis über 70 die Zügel ziehen", sagt Bethscheider, heute 63. Aber wer soll sie in die Hand nehmen? Nachwuchs fehlt. Der Hausärzteverband sucht Lösungen. Ansätze: "Wir werben um Quereinsteiger aus anderen Fachbereichen", sagt Bethscheider. Solch Quereinsteiger leisten zwei Jahre Zusatz-Qualifikation in einer Allgemeinpraxis. Impulse erhoffen sich Bethscheider und Kollegen auch vom neuen Lehrstuhl Allgemeinmedizin im Land (die SZ berichtete). "Es ist eine Investition, um die hausärztliche Versorgung zu sichern", sagt Bethscheider. "Wenn wir weg sind, wird es für die Kassen auch richtig teuer." Bethscheider schränkt ein: "Für mich findet sich da kein Nachfolger. Das dauert elf Jahre, bis Studenten, die jetzt beginnen, frei praktizieren können." Nach sechs Jahren Medizinstudium sieht die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin zunächst drei Klinik-Jahre vor, anschließend zwei Jahre in einer Allgemeinpraxis.

Bethscheider hat derzeit eine so genannte Weiterbildungsassistentin, also eine Ärztin in diesen beiden letzten Praxis-Jahren, bei sich im Team: "Ich würde gern mehr ausbilden. Aber es gibt keine." Bethscheider wünscht sich deshalb für alle Medizinstudenten verpflichtend ein mehrwöchiges Praktikum Allgemeinmedizin während des Studiums. Entlastung für den Arzt bei Hausbesuchen bringt bereits das Qualifizieren einer medizinischen Fachangestellten, also der Arzthelferin, zur so genannten Versorgungsassistentin. Zucker messen, Verbände wechseln und vor allem reden, zuhören und sich umschauen. Bethscheider: "Viele Alte sind allein. Wenn ich da einen Hausbesuch machen, achte ich auch darauf: Wie riecht es in der Wohnung? Ich öffne auch schon mal den Kühlschrank. Ich schaue mir die Haut an: Trinkt der Mensch ausreichend? Das kann auch die Versorgungsassistentin. Auch sie kennt den Menschen und das Umfeld." Das geringe Ansehen des Fachs Allgemeinmedizin, eine als ungerecht empfundene Honorarverteilung, überbordende Bürokratie und familienunfreundliche Arbeitszeiten nennt Bethscheider als Gründe, warum sich so wenige angehende Ärzte für seine Fachrichtung entscheiden: "Dabei ist der Beruf des Allgemeinmediziners ein abwechslungsreicher, breitgefächerter und befriedigender Beruf." Wir haben Jürgen Bethscheider Satzanfänge vorgegeben. Unser Redaktionsgast sollte die Sätze spontan zu Ende zu bringen.

Die wichtigste Erfindung war . . .

. . . das Rad.

Die größte Aufgabe der Gegenwart ist . . .

. . . die Umwelt im Zaum zu halten.

Meine beste Eigenschaft ist wohl . . .

. . . dass ich zuhören kann.

Andere schätzen an mir, dass ich . . .

. . . verlässlich bin.

An mir stört mich am meisten, dass ich . . .

manchmal zu ungeduldig bin.

Ein Kompromiss ist . . .

. . . aus zwei konträren Meinungen eine vernünftige Lösung zu finden, mit der beide Seite leben können.

Unter lebenden Persönlichkeiten in Deutschland imponiert mir am meisten . . .

. . . Helmut Schmidt und Helmut Kohl.

Wenn ich eine Person der Geschichte wäre, wäre ich am liebsten . . .

. . . Albert Einstein.

Wenn ich Bundesgesundheitsminister wäre, würde ich . . .

. . . diesen Job wollte ich nicht haben.

Mein Lieblingstier . . .

. . . sind meine beiden Hunde Inaja und Yassirah.

Ein Glas Wein . . .

. . . am Abend ist was Göttliches.

Wenn man meine Arbeit eines Tages bewerten müsste, wäre es schön, wenn die meisten denken würden . . .

. . . er hat ein ordentliches Stück Arbeit abgeliefert. mk

"Ich würde gern mehr ausbilden. Aber es gibt keine."

Dr. Jürgen Bethscheider

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