Brandanschlag in Saarlouis Wende im Yeboah-Prozess? Zeuge soll mutmaßlichen Täter gesehen haben

Im Yeboah-Prozess gegen den 51-Jährigen Peter S. sind neue Akteure auf den Plan getreten. Es soll einen Zeugen geben, der möglicherweise einen Täter gesehen hat – und ihn auch wiedererkennen würde.

Wende im Yeboah-Prozess? Zeuge soll mutmaßlichen Täter gesehen haben​
Foto: dpa/Thomas Frey

Der Yeboah-Prozess ist vor dem Oberlandesgericht in Koblenz nach einem Schreckmoment am vergangenen Dienstag, am heutigen Montag fortgesetzt worden. Die Verhandlung gegen den 51-jährigen Peter S. wurde vergangene Woche unterbrochen, weil der Angeklagte vom Rettungsdienst abtransportiert werden musste. Was genau die Ursache dafür war, ist weiterhin unklar.

In Koblenz haben drei weitere Überlebende des Brandanschlags ihre Erinnerungen an die Tatnacht geschildert – und sich, wie die zwei Zeugen der vergangenen Woche, der Nebenklage angeschlossen. Außerdem soll es einen weiteren Zeugen geben, der damals einen möglichen Täter gesehen haben und ihn auch wiedererkennen könnte. Der mögliche Zeuge sei zum Tatzeitpunkt auf einer Party im Erdgeschoss gewesen. Der Mann soll nun für einen der künftigen Termine vorgeladen werden.

Weitere Opfer schließen sich Nebenklage an

Bislang gab es drei Nebenkläger. Ab jetzt sind es acht. Was hat sie dazu bewegt, sich im laufenden Prozess nun doch für eine Nebenklage zu entscheiden? Das sei auf Empfehlung des Verbands der unabhängigen Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) geschehen, erklärt Ursula Quack vom Saarländischen Flüchtlingsrat, die die Betroffenen an diesem Tag begleitet: „Das damals Erlebte ist auch heute noch so eine starke Belastung für die Überlebenden, dass sie den Verlauf des Prozesses mit einem anwaltlichen Beistand an ihrer Seite verfolgen möchten.“

Die Erinnerung geht den Zeugen bis heute sichtlich nahe. „Damals hat niemand gefragt, ob wir Unterstützung brauchen. Es hat sich niemand gekümmert, keiner hat mit uns geredet“, sagt einer der Männer. Nach dem Brand wurden die Bewohner in der Gutenbergstraße untergebracht. Ein Zeuge erinnert sich, dass er große Angst hatte, dass dort nochmal so etwas passieren könnte. Nicht zu Unrecht, wie sich zeigen sollte: Kein Jahr später wurde auch die Ersatz-Unterkunft der Geflüchteten angegriffen. Wir berichteten.

Forderungen nach Rechtsterrorismus-Opferfonds für das Saarland

Der VBRG ist bereits seit Anfang 2021 in den Fall involviert, betreut sieben Betroffene. Und fordert: „Die saarländische Landesregierung muss endlich Verantwortung übernehmen: Durch die Freigabe aller Verfassungsschutz-Akten an die Prozessbeteiligten und die Einrichtung eines Rechtsterrorismus-Opferfonds für die Hinterbliebenen und Überlebenden.“ Auch der Saarländische Flüchtlingsrat, Antifa Saar/Projekt AK und die Aktion 3.Welt Saar fordern schon länger eine finanzielle Entschädigung der Opfer. Und zwar für alle, wie Ursula Quack betont, „nicht nur für die, die noch hier sind.“

Prozess im Mordfall Yeboah nach 31 Jahren – Bilder aus dem Gerichtssaal
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Prozess im Mordfall Yeboah – Bilder aus dem Gericht

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Die Straflosigkeit stelle für die Überlebenden des rassistischen Brandanschlags vom 19. September 1991 eine andauernde Belastung dar, betont Antje Arndt vom VBRG. „Umso wichtiger ist es, dass die saarländische Landesregierung das Leid der Hinterbliebenen und Überlebenden endlich anerkennt und die materiellen und immateriellen Folgen durch einen Rechtsterrorismus-Opferfonds abmildert.“ Vorbilder hierfür seien etwa Bundesländer wie Bayern und Thüringen.

Das Saarland macht diesbezüglich bislang keine Anstalten. Zwar hat sich Ende vergangenen Jahres die Opferschutzbeauftrage des Saarlandes, Agata Schubert, in die Aufarbeitung des Falles eingeschaltet und – 31 Jahre nach der Tat – ihre Unterstützung angeboten. Anders als zunächst vom SR berichtet, gehe es dabei aber nicht um eine finanzielle Entschädigung, stellt Schubert gegenüber der SZ klar.

Zwölf Überlebende konnten bislang nicht ausfindig gemacht werden

Bis heute konnten nicht alle Betroffenen, deren Fall derzeit vor dem Oberlandesgericht in Koblenz verhandelt wird, ausfindig gemacht werden. „Vor Prozessbeginn wurden Schreiben an die Betroffenen verschickt, deren Adressdaten bekannt waren“, teilt Schubert mit. Das seien acht Personen. Darunter sei auch ein Familienmitglied des verstorbenen Samuel Yeboah. 20 Menschen überlebten damals das Feuer.

“Der Verbleib weiterer Betroffener ist mir nicht bekannt“, so die Psychologin Schubert. Auch Polizei und Senat ist es nicht gelungen, alle ausfindig zu machen, die sich in der Brandnacht in der damaligen Asylbewerberunterkunft in Saarlouis aufhielten, wie das Gericht am vergangenen Dienstag mitteilte. Der Senat habe aber diesbezüglich „alles getan, was man tun konnte“. Wegen „Unerreichbarkeit“ der Zeugen sollen die damaligen Aussagen der Betreffenden aus den Akten verlesen werden.

Bis heute sind zwölf der 20 Opfer nicht offiziell darüber informiert worden, dass in ihrem Fall – es geht um versuchten Mord – ein Verdächtiger ermittelt wurde, der nun in Koblenz vor Gericht steht. Einige sind nach dem Brand möglicherweise einfach abgeschoben worden. Ein solcher Fall sei ihr bekannt, berichtet Quack: Demnach ist ein Mann, der zum Tatzeitpunkt im Haus wohnte, kurz nach dem Brand nach Elfenbeinkünste abgeschoben worden. Ohne, dass er angemessen als Zeuge befragt worden wäre.

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