Welle der Unterstützung für Kassiopeia

Völklingen · Die Völklinger Stadtverwaltung hat vorgeschlagen, den Zuschuss für die Kinderkulturschule Kassiopeia stark zu kürzen. Im Oktober wird der Rat über den Stadt-Haushalt für die Jahre 2013 bis 2016 beschließen. Die Kassiopeia-Arbeit soll dann vom Sparen unberührt bleiben – in dieser Forderung an den Rat sind Fachleute aus den Bereichen Kultur, Integration, Soziales und Pädagogik sich einig.

Die möglicherweise bevorstehenden Zuschuss-Kürzungen für die Kinderkulturschule Kassiopeia finden Martina Scholer und Harald Trouvain, Koordinatoren des Runden Tisches Kinder, Jugend und Familien in Völklingen, "höchst bedenklich". Denn die Kassiopeia- Angebote hätten bisher viele Kinder - "auch bildungsferne Kinder" - in der gesamten Stadt erreicht. "Kulturelle Jugendbildung hilft Kindern, soziales Verhalten einzuüben", sagen Scholer und Trouvain. Kinder könnten so Toleranz gegenüber Fremdem lernen: "Inklusion, Begegnung, aber auch Migration braucht solche Aktionsräume."

Die aktuelle Zuschuss-Absage komme für die Kinderkulturschule "sehr kurzfristig". Und es verwundere, dass man Restmittel aus dem Jahr 2012 für das Saarfest verwendet habe: "Hier wird ein Event mit hohen Finanzmitteln unterstützt. Das kulturelle Highlight für Kinder und Jugendliche jedoch bleibt auf der Strecke." Scholer und Trouvain fordern den Rat auf, bei seiner Haushalts-Entscheidung "den Fortbestand der kulturellen Bildungsangebote von Kassiopeia in unserer Stadt sichern".

Willi Schirra vom Verein Baris - Leben und Lernen fordert ganz konkret, der Stadtrat möge "Mittel für die Arbeit der Kunstschule Kassiopeia in bisheriger Höhe in den Haushaltsplan 2013/2014 einstellen". Andernfalls seien ausgerechnet die Projekte bedroht, "die Kindern in Völklingen kreative und damit auch soziale Entwicklungschancen bieten"; das, so Schirra, wäre "kultur- und sozialpolitisch eine fatale Entscheidung". Einrichtungen zu unterstützen, "die Kindern und Jugendlichen Bildungschancen bieten und das soziale und kulturelle Zusammenleben fördern", sei "eine Investition in die Zukunft".

Franz Koenen und Johannes Schreiner vom Verein Multikultur sagen, dass Völklingen "aufgrund seiner besonderen wirtschaftlichen und sozialstrukturellen Hintergründe ein äußerst sensibles Gemeinwesen" sei. In der öffentlichen Diskussion heiße es oft, man müsse "die so genannten Modernisierungsverlierer beziehungsweise ‚bildungsferne' Familien" mitnehmen in eine sich rasant wandelnde Gesellschaft. Nach formalen Kriterien sei diese Gruppe in Völklingen groß. Und wenn ausgerechnet "eine Einrichtung wie Kassiopeia, die sich dieser Problematik seit 20 Jahren mit viel Engagement und Erfolg widmet, ganz oben auf der Streichliste steht", dann sei das "eine haushaltspolitisches Maßnahme ohne jegliches soziales und letztlich auch wirtschaftliches Fingerspitzengefühl" und "sozialpolitischer Kahlschlag".

Auch Doris Kiefer, Vorsitzende des Landesverbandes der Kunstschulen, hält den städtischen Streich-Vorschlag für "nicht nachvollziehbar", leiste Kassiopeia doch einen wichtigen Beitrag für die Kinder- und Jugendkultur. In diesen Bereich zu investieren, sei nötiger denn je: "Denn Kinder und Jugendliche brauchen Werte, die es ihnen ermöglichen, verantwortungsbewusst zu handeln. Man denke nur an den Umgang mit den viel zitierten neuen Medien." Kassiopeia nehme dabei unter den Kunstschulen eine Sonderrolle ein: Die Schule sei die einzige im Land, "die neben der Anerkennung als Bildungseinrichtung auch anerkannter Träger der Jugendhilfe ist". Fiele das Kassiopeia-Angebot - etwa in den Stadtteilen - weg, sei dies nicht nur für Völklingen ein Verlust: "Auch das Land verlöre ein Kinder- und Jugendprojekt kultureller Bildung mit Leuchtturmcharakter. Wenn die Politik ihr Versprechen, nicht an der Bildung zu sparen, ernst nehme, "können weder die Verantwortlichen der Stadt Völklingen noch das Land auf eine Einrichtung wie Kassiopeia verzichten". Mit einem listigen Ausflug in die Geschichte stärken Bob Ziegenbalg, Detlef Kraemer und Christoph Dewes vom Saarbrücker Kinder- und Jugendtheater Überzwerg der Kinderkunstschule Kassiopeia den Rücken. In Dänemark, schreiben sie, sei es 1813 nach dem Krieg mit England zum Staatsbankrott gekommen. "Die Ausgaben für Bildung wurden allerdings erhöht, insbesondere für die Akademie der schönen Künste. Auf den Protest seines Finanzministers antwortete König Christian VIII: ‚Arm und elend sind wir. Wenn wir jetzt auch noch dumm werden, können wir aufhören, ein Staat zu sein.' In den folgenden Jahren und Jahrzehnten erlebte Dänemark übrigens eine einzigartige Blüte der Künste, Literatur und Wissenschaften." Kulturförderung, speziell für Kinder und Jugendliche, in wirtschaftlich schlechten Zeiten "sollte keine Utopie sein", schreiben die Überzwerge. Es sei falsch - und vor allem ein falsches Signal - "mit Sachverstand und Herzblut arbeitende Kultureinrichtungen" zu schließen oder ihnen das Geld so zu kürzen, dass qualitätvolles Weiterarbeiten nicht mehr möglich sei: "Kinder und Jugendliche brauchen Qualität, in der Erziehung, in der Bildung wie auch in Kunst und Kultur. Was uns wichtig ist, müssen wir Erwachsene ihnen zeigen und vor allem leben."

Politiker könnten sich von Kulturschaffenden allerhand abgucken, meinen die Überzwerge: "Wir sind Fachleute des ständigen Neubeginns, Spezialisten für Übergänge, Provisorien, Improvisation und Eigeninitiative." Wenn die Politik nun angesichts der Schuldenbremse Flexibilität und Umdenken fordere, "dann kann man nur rufen: Lernt von uns! Fragen kostet nichts!"

 Kinder-Kreativität beim Projekt „Ein Dach über dem Kopf“: Huthäuser. Foto: Kassiopeia

Kinder-Kreativität beim Projekt „Ein Dach über dem Kopf“: Huthäuser. Foto: Kassiopeia

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HintergrundIm Haushaltssanierungsplan für 2013 bis 2016 muss Völklingen rund 4,5 Millionen Euro sparen. Die Verwaltung hat vorgeschlagen, den Zuschuss für die Fantasieschule Kas siopeia von 75 000 auf 15 000 Euro jährlich zu kürzen. Dann, sagt Kassiopeia-Leiterin Anne Herzhauser, wäre nur noch die vom Regionalverband kofinanzierte Grundschul-Sozialarbeit möglich, nicht aber Projekte in den Stadtteilen (48 000 Euro) und die Medienwerkstatt (12 000 Euro). Im Oktober entscheidet der Stadtrat. dd

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