Welchem Befehl sollen wir folgen?

Saarbrücken. Die Ausstellungen im Saarländischen Künstlerhaus nehmen sich derzeit dem Thema "Die Masse und der Einzelne" in mehreren Variationen an

Saarbrücken. Die Ausstellungen im Saarländischen Künstlerhaus nehmen sich derzeit dem Thema "Die Masse und der Einzelne" in mehreren Variationen an. Während Jürgen Liefmann im Studio die Spuren des Malers in Zeit und Raum sichert, stellt ein Stockwerk tiefer, im Keller des Hauses, der Brite Tim Coe im "Studioblau" die Frage nach dem Mensch als Teil der Masse und Summe der Teile. Der Raum öffnet sich nun für Videoinstallationen wie der des in Berlin lebenden Animationsfilmemachers und Videokünstlers Coe. Von der Decke hängende Flachbildschirme bilden die Form eines Dreiecks. Einer zeigt einen wirbelnden Fischschwarm im dezenten Blau, ein anderer emsig über Waben laufende Bienen, ein dritter das Porträt des Künstlers selbst, das sich wiederum aus vielen Bildern seines Gesichtes zusammensetzt. Coe hat eindrückliche und präzise Bilder für den Übergang vom gerade noch erkennbaren Einzelnen zum Teil einer großen Form gefunden. Folgerichtig trägt seine Bestimmung des Verhältnisses von Individuum und Masse den Titel "Metaforms", Form, in der andere Formen aufgehen. Ganz ohne dezente Komik kommt Coe dabei nicht aus, wenn er in Endlosschleife den Satz von der die Individualität formenden Einzigartigkeit von einem Chor der Coe-Kopien sprechen lässt. Da erinnert man gerne den einst im Monty Python-Klassiker "Das Leben des Brian" von der Masse skandierten Ruf "Wir sind alle Individuen. Wir sind alle verschieden." Vom Mensch als Objekt zwischen Marschbefehl und Lesegebot erzählt Josef Dellegs Rauminstallation "Tempi cresendi" in den beiden Galerieräumen des Hauses. Auch das eine wohlerwogene Arbeit, die in einem Raum die Seiten des Alten und Neuen Testaments auf Schnüren über den Köpfen wehen lässt. Den Boden des anderen Raums füllt ein Heer von Lautsprechern. Aus ihnen erklingt die Liedzeile "Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg ...", begleitet vom Rhythmus marschierender Soldaten. Welchem Befehl soll man folgen, welchem sich verweigern? Die Antwort scheint klar, doch muss sie jeder selbst finden. Delleg macht klugerweise ein Angebot und gibt keine Antwort vor. Im Flur zwischen den beiden Räumen bietet er gut ausgewählte Entscheidungshilfen an: ein Objekt mit Weihwassertöpfen starr wie Foltergerätschaften und ein "Brutkasten" mit Wachsfigürchen als Massenprodukt. Dazu Zeichnungen, die Kopf und Körper Nägeln gleichsetzen. Es bleibt die Entscheidung jedes Einzelnen, wie bewusst er Teil des Ganzen ist.Ausstellung bis 20. April. Öffnungszeiten von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr. Katalog Josefh Delleg: 7 Euro.

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