"Wehen des Geistes"

Herr Neidhöfer, Sie waren in Sachen Verdi-Requiem gerade in Mannheim. Wieso?Neidhöfer: Ich habe dort, in einem Raum des Nationaltheaters, mit den Solisten für das Verdi-Requiem geprobt. Einer Ukrainerin, einer Israelin, einem Litauer und einem Deutschen. Das Verdi-Requiem ist eine große Herausforderung

Herr Neidhöfer, Sie waren in Sachen Verdi-Requiem gerade in Mannheim. Wieso?Neidhöfer: Ich habe dort, in einem Raum des Nationaltheaters, mit den Solisten für das Verdi-Requiem geprobt. Einer Ukrainerin, einer Israelin, einem Litauer und einem Deutschen. Das Verdi-Requiem ist eine große Herausforderung. Ich denke, das ist das letzte ganz große Werk, dessen Leitung ich übernommen habe. Groß vom musikalischen ebenso wie vom organisatorisch-finanziellen Anspruch her. Ich bin jetzt 65 - da darf man sich schon fragen, ob man das noch kann.Sie treten aus Altersgründen etwas kürzer?Neidhöfer: Nicht nur. Mit der Zeit kommt auch eine gewisse Skepsis, sagen wir, was die Korrespondenz zwischen Ensemble und Publikum betrifft, denen, die es machen, und denen, die es hören. Ich weiß nicht, inwieweit sie sich geändert hat. Und dann: Was ist heute ein Konzert? Sehr oft ein Event.Was meinen Sie konkret? Publikumsschwund?Neidhöfer: Ja. Wir kriegen so große Projekte mit dem Kammerchor hin, sicher. Aber bringen wir die Botschaft der Musik noch rüber in eine große Zuhörerschaft? Es ist aber nicht nur das. Verdis Requiem ist grandios, aber sollte man es als Event bezeichnen? Was macht denn ein Konzert zu einem Event?Neidhöfer: Das Stück, das in einem Konzert gegeben wird, erfordert geistige Konzentration, Auseinandersetzung, während das Event in erster Linie ein Erlebnis ist. Aber was die Musik betrifft: Ich selbst bin immer noch voller innerer Begeisterung.Haben Sie Verdis Requiem bewusst als Abschluss-Stück ausgewählt? Ist es das anspruchsvollste bisher?Neidhöfer: Das Requiem gehört zu dem dutzend Stücke, die ich immer schon gerne aufführen wollte. Es ist als Kunstwerk hoch anspruchsvoll. Aber es gibt Stücke - Bachs h-Moll-Messe, zum Beispiel, die wir aufgeführt haben - die einem Chor größere Schwierigkeiten machen. Das Requiem ist extrem dramatisch, aber nicht theatralisch. Da lautet die Frage: Wie realisiert man das Dramatische?Wie arbeiten Sie so etwas mit dem Chor heraus?Neidhöfer: Ein Beispiel: Im Requiem, im Dies Irae, dem Tag des Zorns, heißt der Text: Quando iudex est venturus, deutsch: Wenn der Richter kommt. Ich habe dem Chor dazu gesagt: Stellt euch vor, ihr seid irgendwo im Dunkeln und wisst nicht, was euch da blüht. Allein Sprechen geht nicht, und einfach singen darf man das auch nicht. Mit minimaler Tongebung, aber ansonsten erschrocken gesprochen. Das geht nicht gleich bei jedem - viele fangen dann an, so richtig schön zu singen. Das war jetzt gerade auch eine Anleitung fürs Publikum, genau hinzuhören. Haben Sie noch eine - zum Lernen?Neidhöfer: Ganz anderes Beispiel. Der Gefangenen-Chor von Nabucco: "Va pensiero", fängt er an. Ich habe das einmal mit einem Orchester geprobt - es fing an zu schunkeln! Aber auch wenn es ein Ohrwurm ist: Man darf da nicht leiern. Kein Walzer. So hat Verdi das nicht gedacht. Gemeint ist ein zartes Wehen des Geistes. Ich habe das einmal bei einem Chor an der Adria gehört: Da war dieses Wehen, da haben die Augen der Sänger geleuchtet, die haben von innen heraus gesungen.

Auf einen BlickGiuseppe Verdis Requiem wurde 1874 uraufgeführt. Ein Requiem ist die musikalische Begleitung einer Totenmesse. Verdi komponierte zum ersten Mal ein Requiem, das nicht für den Gottesdienst gedacht war, sondern nur fürs Konzert.Der Kammerchor Dillingen führt das Requiem im Saardom Dillingen zum 30-jährigen Bestehen des Ensembles auf: am Freitag, 12. März, 19.30 Uhr. Mit Solisten und Mitgliedern des Orchesters des Saarländischen Staatstheaters. Die Gesamtleitung hat Franz Neidhöfer. Karten: 25, (20) Euro (Erwachsene), 15 Euro (Schüler/Studenten), im Albert-Schweitzer-Gymnasium Dillingen, Tel. (0 68 31) 97 65 47; Buchhandlung B, Lotteriestraße 5; Abendkasse. red

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