Weg frei für Märkte in der Rieffstraße"Merzig als Ganzes stärken"Gewerbeverein spricht von "unprofessioneller Arbeit"

Merzig. So angeregt die Debatte im Vorfeld der Abstimmung geführt wurde, so schnell ging am Donnerstag das Votum der im Stadtrat vertretenen Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Grünen, der Linken und den Freien Wählern (FWM) vor sich

 Auf dieser Fläche an der Rieffstraße in Merzig sollen neue Fachmärkte entstehen. Foto: Norbert Wagner

Auf dieser Fläche an der Rieffstraße in Merzig sollen neue Fachmärkte entstehen. Foto: Norbert Wagner

Merzig. So angeregt die Debatte im Vorfeld der Abstimmung geführt wurde, so schnell ging am Donnerstag das Votum der im Stadtrat vertretenen Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Grünen, der Linken und den Freien Wählern (FWM) vor sich. Auch wenn eine Mehrheit im Rat für die Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplan-Verfahrens votierte, so gab es innerhalb der Fraktionen auch Gegenstimmen und Enthaltungen. Aus dem Rathaus heißt es auf Anfrage der Saarbrücker Zeitung zum genauen Abstimmungsergebnis, dass aufgrund des zügigen Abstimmungsverlaufs nur festgehalten werden konnte, welche der Fraktionen mehrheitlich dafür oder dagegen gestimmt habe. Nachfragen der SZ ergaben dann folgendes Bild: Die Fraktionen von FDP und Grünen sowie die Vertreter der Linbkspartei stimmten geschlossen gegen die Einleitung des B-Plan-Verfahrens. Uneinheitlich war das Abstimmungsverhalten bei Freien Wählern, SPD und CDU. Auch in den beiden großen Fraktionen gab es Gegenstimmen und Enthaltunegn. Insgesamt votierte eine Mehrheit im Rat aber für die Einleitung des B-Plan-Verfahrens, was die Discounter-Ansiedlung planerisch auf den Weg bringt.Wesentlicher Aspekt beim Für und Wider waren die Lösung der Verkehrssituation und das Warensortiment der dort geplanten Märkte. Zu Beginn der Aussprache bezog Marcus Hoffeld (CDU) eindeutig für eine Erweiterung der Rieffstraße Position: "Wir haben heute Abend hier das Ziel zur Weichenstellung, bei uns Arbeitsplätze zu schaffen." Zusätzlich entstünden sowohl ein neues Kaufangebot als auch die Chance, die Merziger Kaufkraft zu stärken, so Hoffeld weiter. Aber: "Die Bürger dürfen nicht unter der Verkehrssituation leiden." In diesem Punkt sei die CDU sich mit dem Merziger Verein für Handel und Gewerbe (VHG) einig, der unter dem Vorsitz von Bernhard Kiesel für die Interessen der inhabergeführten Geschäfte in der Innenstadt eintritt. Auch solle sich der Investor um die Etablierung eines Spielwarengeschäftes bemühen. "Das ist uns offen gesagt wichtiger als ein KiK-Markt." Man hoffe, so Hoffeld, dass die Kunden der Rieffstraße auch in "das Herzstück von Merzig", die Innenstadt, kommen werden. Die SPD sprach sich mehrheitlich ebenfalls für das Projekt aus. Der Fraktionsvorsitzende Dieter Ernst bemühte sich, die Debatte zu beschleunigen: "Es ist nicht Aufgabe des Rates, einen Konkurrenzschutz für existierende Geschäfte zu schaffen." Und: "Sind wir tatsächlich diejenigen, die einem Investor sagen sollten, das Geschäft A kommt hin, das Geschäft B kommt hin, aber C nicht, J nicht und K auch nicht?" Sein Fraktionskollege Manfred Klein betrachtete die Ansiedlung neuer Märkte als eine Aufwertung des Standortes Merzig, weil das Warenangebot attraktiver werde. Klein ergänzte, die SPD sehe dringenden Handlungsbedarf bei der Gestaltung des Bahndamms und der Unterführung an der Stadthalle. Die müssten so gestaltet werden, dass eine Anbindung von der Gewerbefläche Rieffstraße zur Innenstadt entstehe. Darum spreche sich die SPD für den Bau einer separaten Bahnunterführung für Radfahrer und Fußgänger unmittelbar neben der bestehenden Straßenunterführung aus. Die Grünen-Fraktion lehnt die Marktansiedlung ab. Ihr Vertreter Michael Rauch sprach sich in der Debatte zwar für die Erschließung der Rieffstraße aus, aber unter der Bedingung, bestimmte Märkte, die der Investor im Auge habe, nicht zuzulassen. Konkret nannte Rauch den Textildiscounter KiK und Das Depot, ein Geschäft für Haushalt, Glas und Porzellan: "Wir stimmen dem Ganzen nur zu, wenn diese beiden rausfliegen", betonte Rauch. Diese Forderung der Grünen stand später zur Abstimmung, wurde aber mehrheitlich abgelehnt. Daher kam folgerichtig das Nein der Grünen-Fraktion zur geplanten Rieffstraßenbebauung.Hans-Dieter Heinrich (Linke) lehnte das Projekt ab: "Es wird in dieser Debatte so oft von mehr Käuferpotenzial gesprochen, dies ist aber nicht beliebig vermehrbar." Ruth Müller (Linke) äußerte grundsätzliche Bedenken angesichts der geplanten Ansiedlung eines Friseurgeschäfts, der KiK-Filiale sowie eines Fastfood-Lokals. "Unternehmen müssen zu Merzig und seinem guten Image passen. Billig-Discounter haben bei uns keine Tradition, sondern schädigen unser Ansehen." Auch die FDP-Fraktion war gegen die Rieffstraßen-Erschließung. Ihr Sprecher Patrick Maurer sagte: "Den demografischen Wandel berücksichigend, kann es nicht der Sinn sein, Kaufkraft auf der grünen Wiese stattfinden zu lassen, sondern in der Innenstadt." Die FDP glaube nicht, dass das, was in der Rieffstraße geplant werde, neue Kunden nach Merzig locken werde. Was jetzt diskutiert werde, sei ein "konventionelles Konzept", das "wenig Charme für die Stadt" biete. Maurer: "Wir provozieren Leerstände in der Innenstadt. Unter dieser Ansiedlung werden die Händler in Merzig leiden."Bei den FWM herrschte keine Einigkeit innerhalb der Fraktion. Bernhard Morbe, der gegen das Projekt gestimmt hat, sagte auf Anfrage der SZ: "Aufgrund der nicht vorherrschenden einheitlichen Meinung innerhalb der Fraktion haben wir uns auch nicht an der Diskussion beteiligt." Sein Fraktionskollege Andreas Frech erklärte gegenüber der SZ, er persönlich möchte eine solche Ansiedlung nicht verhindern, sondern freue sich über jeden Investor, "der Merzig städtebaulich bereichert und gleichzeitig noch Arbeitsplätzeund Gewerbesteuereinnahmen beschert". Er hätte diese Ansiedlung aber lieber an anderer Stelle der Innenstadt gesehen.Mit der Abstimmung im Rat verbunden war noch eine andere Entschiedung: Die von dem bestehenden Lidl-Markt in der Rieffstraße beantragte Erweiterung der Verkaufsfläche von 800 auf 1200 Quadratmetern hat der Stadtrat nicht mitgetragen. Der Rat stimmte mehrheitlich nur einer Erweiterung um 100 Quadratmeter zu.Merzig. Investor Robert Kunz (Fundus Immobilien GmbH; Foto: Wagner) hat nach der Abstimmung im Stadtrat die von ihm betriebene Markt-Ansiedlung in der Rieffstraße gegen Kritik verteidigt. "Diese Ansiedlung hat das Ziel, Merzig als Ganzes zu stärken und damit auch die Innenstadt", sagte Kunz. Das lasse sich auch an Zahlen belegen: "Als die erste Ansiedlung Rieffstraße vor acht Jahren vollendet wurde, gab es in Merzig 32 Leerstände, heute gibt es keine."Er teile nicht die Befürchtungen, dass durch die neuen Märkte die Verkehrssituation am Knotenpunkt Kaufland-Kreisel zusätzlich verschärft werde. Diese Behauptung sei "grober Unfug". Was den Verkehr an dieser Stelle ins Stocken bringe, sei der Andrang von Autofahrern, vorwiegend Berufspendlern, die von der A8 her kommend durch die Stadt wollen. Die künftigen Kunden des neuen Discounter-Geländes würden sich auf mehrere Routen verteilen. Kunz: "Die Zufahrt auf das Gelände erfolgt von dem kleinen Kreisel zwischen Kaufland und Aldi her." Hierüber würde ein Großteil des Kundenverkehrs auch abfließen, wobei viele den Weg über die ehemalige B 51 nutzen könnten und somit gar nicht Richtung Merziger Stadtmitte fahren müssen. "Nur wer gezielt die Innenstadt möchte, muss über den Kaufland-Kreisel fahren", so Kunz.Auch die Kritik an dem geplanten Sortiments-Mix für das Discounter-Gelände ist für den Investor nicht nachvollziehbar. Kunz verteidigte die Planungen für einen KiK-Textildiscounter: "In Merzig gibt es bereits ein breit gefächertes Textilsortiment, aber überwiegend im gehobenen Preissegment." Preisgünstige Bekleidung, wie sie vor allem von jungen Leuten gesucht werde, sei dagegen nicht so leicht zu finden. Das Gleiche gelte für preisgünstige Geschenkartikel. Die im Rat diskutierten Vorwürfe gegen die Bedingungen der Herstellung von KiK-Produkten in Entwicklungsländern lassen sich nach Ansicht von Kunz "auf jede Edelmarke übertragen". "Überhaupt nicht einverstanden" sei er damit, dass der Rat die Erweiterung des bestehenden Lidl-Marktes auf 100 statt der geforderten 400 Quadratmeter Verkaufsfläche limitiert hat, sagte Kunz. Er werde weiter versuchen, für die vorgesehene Vergrößerung politische Unterstützung zu finden. Der Investor bekannte, er bekomme in anderen Gemeinden mehr Unterstützung für seine Vorhaben: "Merzig verhindert die Ansiedlung moderner Umsatzbringer, man lässt hier nicht gern neue Dinge zu." Nach Darstellung von Kunz plant er, bereits im Oktober mit dem Abriss der bestehenden Gebäude auf der Fläche in der Rieffstraße zu beginnen. Die Eröffnung des neuen Discounter-Geländes sei nach seinen Planungen für November 2011 vorgesehen. Merzig. Der die Rieffstraßen-Entscheidung betreffende Teil der Stadtratssitzung war öffentlich. Daher hat auch Bernhard Kiesel (Foto: Wagner), Vorsitzender des Merziger Vereines für Handel und Gewerbe (VHG), die engagiert geführte Debatte verfolgt. Im Gespräch mit der SZ kommentierte Kiesel die Entscheidung so: "Man hat den Eindruck, hier wird in der Urlaubszeit unprofessionell gearbeitet, schlecht recherchiert und im Fraktionszwang schnell, schnell entschieden. Die Interessen der Bürger und Kunden werden hier nicht vertreten, sondern mit Füßen getreten." Im Vorfeld habe man die Merziger Bevölkerung um Stellungnahme gebeten und sehr viel Rückhalt für die eigene Position, also gegen eine Neuansiedlung und somit Erweiterung der Gewerbezone an der Rieffstraße, erhalten. "Merzig ist eine wunderschöne Stadt mit viel Historie und gemütlichem Flair. Die Entscheidung, hier vor den Toren der Stadt ein Fachmarkt-Zentrum zu bauen, wird Merzig mehr schaden, als viele es sich heute träumen lassen", ergänzt Kiesel. Da man - als innenstädtischer Unternehmer - über kurz oder lang nicht von Flair alleine leben könne, befürchtet der VHG in drei bis fünf Jahren eine "beginnende Verödung" der Innenstadt. "Es ist nicht Aufgabe des Rates, einen Konkurrenzschutz für existierende Geschäfte zu schaffen."Dieter Ernst, SPD"Wir provozieren Leerstände in der Innenstadt."Patrick Maurer, FDP

Auf einen BlickIn der Rieffstraße sind laut Verwaltung folgende Läden geplant: ein Elektronik-Fachmarkt (Medi-Max, 1200 Quadratmeter Verkaufsfläche), ein Möbel-/Einrichtungs-Markt (Dänisches Bettenlager, 1000 qm), ein Haushalts-Glas-Porzellan-Geschäft (Das Depot, 700 qm), ein Discounter mit Waren aller Art (Tedi, 400 qm), ein Fachmarkt für Tierfutter und -bedarf (800 qm) sowie ein Textil-Discounter (KiK, 500 qm). Diese Planung ergänzen ein Fast-Food-Lokal (Subway) und eine Kfz-Prüfstelle.hcr

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