Was es bedeutet, wenn das Gedächtnis schwindet

Völklingen. Gut, dass keiner zusieht. Beim Demenzparcours in der Völklinger SHG-Klinik will der Schreiber dieser Zeilen auf einem vorbereiteten Malblock einen Stern nachzeichnen. Normalerweise ein Klacks. Aber hier läuft die Wahrnehmung über einen Spiegel

 Rita Spurk testet den Demenz-Parcours, der bei der Woche der Vorsorge in den Völklinger SHG-Kliniken aufgebaut war. Hier versucht sie, mit einer so genannten Rauschbrille das passende Kleingeld im Geldbeutel zu finden. Foto: Becker & Bredel

Rita Spurk testet den Demenz-Parcours, der bei der Woche der Vorsorge in den Völklinger SHG-Kliniken aufgebaut war. Hier versucht sie, mit einer so genannten Rauschbrille das passende Kleingeld im Geldbeutel zu finden. Foto: Becker & Bredel

Völklingen. Gut, dass keiner zusieht. Beim Demenzparcours in der Völklinger SHG-Klinik will der Schreiber dieser Zeilen auf einem vorbereiteten Malblock einen Stern nachzeichnen. Normalerweise ein Klacks. Aber hier läuft die Wahrnehmung über einen Spiegel. Wie zittrig auf einmal die Finger werden, wie krumm die Linien! "Also, ich hab' mir besonders viel Mühe gegeben und komm' aus dem Staunen nicht mehr heraus: Ich kann diesen Stern nicht zeichnen. Wahnsinn", wundert sich Thomas Gansen, Küchenchef der Klinik. Beim Mensch ärgere dich nicht-Spiel vorzurücken, wird, ebenfalls mit Hilfe eines Spiegels, zur beinahe unlösbaren Aufgabe. Euro-Münzen zu erkennen, wenn man eine so genannte Rauschbrille aufsetzt, ist allenfalls mit Glück beim Tasten zu schaffen. Besonders dusselig wirkt der Selbstversuch bei der Aufgabe, kleine Steinchen aus der Flasche auf ein Löffelchen zu schütten - ebenfalls im seitenverkehrten Experiment.Michael Cervenka, Leiter des Pflegestützpunktes im Regionalverband, beruhigt: "Wenn Sie diese Aufgaben nicht schaffen, bedeutet das nicht, dass Sie dement sind." Anders herum formuliert: "Wir wollen mit diesen scheinbar einfachen Aufgaben nur zeigen, wie schwer Demenzkranke sich im gewohnten Alltag zurecht finden. Deshalb sind sie auf das besondere Verständnis ihrer Umwelt und besonders der pflegenden Angehörigen angewiesen", sagt Cervenka. Denn die betagte Dame, die mühselig an der Supermarktkasse ihre Euros und Cents zusammenklaubt, halte ja nicht aus Bosheit die Schlange auf, sagt Gerald Zieder, Vorsitzender des 1992 gegründeten Seniorennetzwerkes Völklingen. Oder der in die Jahre gekommene Vater, der auf einmal nicht mehr sagen kann, was er will. Wenn aus Schuhputzmittel Puhmutzschüttel, aus Marmelade Nabane wird, fällt die Verständigung schwer. Noch schwieriger wird's, wenn Patienten nicht mehr formulieren können, wo es sie drückt, etwa bei: "Ich habe Schmerzen in der Brust", "ich habe Durst" oder "ich will nach Hause".

Eindrucksvoll kann man Beeinträchtigungen, wie sie Demenz-Erkrankte erfahren, beim Parcours nachvollziehen, im "Verflixten Reisekoffer", in der "Merkkiste" oder beim Versuch, den Vorgang des Kaffeekochens zeitlich anhand von Bildern zu ordnen. "Wenn sich bei den Angehörigen die Erkenntnis durchsetzt: Verständnis ist alles, Konfrontation auf jeden Fall der falsche Weg, dann ist schon viel gewonnen", betont Cervenka.

Er ist, wie sein Kollege Zieder vom Seniorennetzwerk, insgesamt sehr zufrieden mit der Resonanz auf die Woche der Vorsorge: "Wir hatten im Schnitt an jedem Tag etwa 60 Besucher in unseren Vorträgen. Das ist mehr als zufriedenstellend", sagen beide übereinstimmend.

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