Was diese Männer trennt und eintPersonalabbau im Rathaus

Freisen · Wie wollen Michael Becker (parteilos) und Karl-Josef Scheer (SPD) Aufgaben bewältigen, wenn sie nach der Urwahl am 6. Mai als Chef im Freisener Rathaus sitzen?

Bürgermeisterwahl in FreisenFlugblattstreit im Wahlkampf, Konkurrenz zwischen Feuerwehr und Technischem Hilfswerk - bei diesen Themen ging's während der Podiumsdiskussion des Saarländischen Rundfunks und der Saarbrücker Zeitung zwischen beiden Kandidaten zur Sache. In anderen Punkten zeigten Michael Becker und Karl-Josef Scheer indes überwiegend große Übereinstimmung. Wer hat die Nase bei der Bürgermeisterwahl in Freisen am Sonntag, 6. Mai vorn - der parteilose Michael Becker (48) für die CDU oder das SPD-Mitglied Karl-Josef Scheer (51)? An die 600 Bürger machten sich am Dienstagabend während der 90-minütigen Podiumsdiskussion von Saarländischem Rundfunk (SR) und Saarbrücker Zeitung (SZ) in der Bruchwaldhalle ein Bild von den beiden Kandidaten.Gleich zum Auftakt wurde klar: Eine Männerfreundschaft zwischen den Wahl-Kontrahenten besteht sicherlich nicht. Denn ein Rechtsstreit trennt die zwei Anwärter auf den Rathaus-Chefsessel. Auslöser war ein Wurfzettel des CDU-Repräsentanten. Darin teilte Becker mit, das Interview des SPD-Manns in einem Gratisblatt sei selbst inszeniert gewesen, Fragen und Antworten stammten aus dessen Feder beziehungsweise aus der seines Wahlkampfteams. Gegen diese Behauptung ging Scheer per Anwalt vor und erwirkte von Becker eine Unterlassungserklärung. Das bedeutet: Becker wird dieses Flugblatt nicht weiter verteilen. Anderweitig drohen ihm laut Scheer 1000 Euro Strafe. Darauf Becker während der Debatte angesprochen: "Das Flugblatt habe ich geschrieben, ich stehe inhaltlich dazu. Dem ist nichts hinzuzufügen." Allerdings konterte er: "Eine Unterlassungserklärung heißt nicht, dass es nicht so wäre." Damit war zumindest für diesen Abend das Thema vom Tisch.

Ehrenamtswettstreit

Bei einem anderen offenbarte sich ein weiterer Konflikt: der Wettstreit zwischen Feuerwehr und Technischem Hilfswerk (THW) - präziser: das Duell in dieser Sache zwischen den Bürgermeisterkandidaten. Hintergrund: Becker ist nach eigenen Angaben seit seiner Jugend THW-Mitglied und über zwölf Jahre Bundesjugendleiter. Scheer ergriff auf dem Podium die Fahne der Feuerwehren, versicherte seine Unterstützung für deren ehrenamtliches Engagement, sogar oft unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Plötzlich dazu aus den Reihen des Publikums die provozierende Frage von Michael Engel, Vertreter des Ortsteils Oberkirchen an den CDU-Kandidaten: "Wie sind die negativen Konsequenzen, wenn sich THWler für die Feuerwehr entscheiden?" In diesem Zusammenhang hatte es kürzlich in der Gemeinde Reibungen gegeben. Daran sollte auch Becker beteiligt sein. Er habe Wechselwillige unter Druck gesetzt. Becker verteidigte sich: "Ich habe keine Repressalien angedroht. Und es ist auch nur ein Gerücht, mein eigener Sohn müsse deshalb ausziehen." Er habe mit zu drei jungen Leuten gezählt, die zur Feuerwehr übertreten wollten. Als Freisener THW-Chef sei Becker gegen "Beliebigkeit", sich heute hier und morgen dort zu engagieren. Darüber habe er auch mit den Feuerwehren gesprochen. Im Übrigen gebe es eine enge Zusammenarbeit zwischen dem THW und der Feuerwehr.

Filz bei Jobvergabe?

Ehrenamtliches Engagement hob auch Scheer hervor, insbesondere in einer Wehr. "Wenn jemand in seiner Bewerbung das angibt, hat er schon mal einen Pluspunkt." Was den Reitscheider Jürgen Hasenfratz veranlasste, sich zu erkundigen: "Nach welchen Kriterien wird bei der Gemeinde eingestellt?" Um dann spöttisch nachzulegen: "Es sind welche eingestellt worden, weil sie jemanden kenne, selbscht awwa nix kenne." Lautes Gelächter in der Halle.

Für die Vergangenheit wollte Scheer nicht ausschließen, dass es solche Fälle unqualifizierter Stellenbesetzungen gegeben habe: "Sie meinen, dass für das ausgeschriebene Berufsbild nicht eingestellt wurde. Dass zum Beispiel für das Berufsbild Gärtner kein Gärtner eingestellt wurde" - und ließ diese Aussage so im Raum stehen. Viele Zuhörer raunten im Saal.

- Wirtschaft: "Wie wollen Sie den Mittelstand in der Gemeinde stärken?", wollte Zuhörer Michael Schmitt aus Freisen erfahren. Scheer legte vor: "Wir brauchen überregionale Werbung", damit potenzielle Investoren wissen, wo Freisen überhaupt liegt. Zudem forderte er, dass sich Unternehmer in der Gemeinde zu einem Gewerbeverein zusammenschließen, um Stärke zu beweisen. Dies müssten Geschäftsleute allerdings aus eigener Kraft tun. Scheer: "Ein Bürgermeister kann den Verein nicht gründen." Zustimmung von Becker: "Das muss der Mittelstand machen, wir können nicht dem Verein vorsitzen." Aber als Moderator und Ansprechpartner könne er sich sehr wohl vorstellen.

Den Ausbau vorhandener Gewerbegebiete halten beide Kandidaten zurzeit für problematisch. An neuen Flächen hapere es laut Becker an bislang gescheitertem Verkauf freier Flächen sowie an einem mangelnden Landesplan (Scheer). - Tourismus: Hier verabschiedeten sich beide von Hotelgroßprojekten - trotz möglicher Mitnahmeeffekte durch Touristenströme des am benachbarten Bostalsee entstehenden Ferienparks. Aber sie setzen weiterhin auf sanften Tourismus unter anderem mit den vorhandenen Rad- sowie Wanderwegen. - Verwaltung: Hier werde es zum Personalabbau wegen der prekären Finanzlage kommen. Zurzeit sitzt Freisen auf 34 Millionen Euro Schulden. - Schnelles Internet: Becker und Scheer sind sich einig, dass dies sowohl für Private als auch Firmen wichtig ist. Doch die Bereitschaft seitens der Netzanbieter auf Grund der Erschließungskosten tendiere gegen Null. - Bevölkerungsrückgang/alternde Gesellschaft (demographischer Wandel): Damit alte Bausubstanz nicht verfällt, sollen Programme aufgelegt werden. Ältere Menschen sollen durch entsprechende Angebote im öffentlichen Personennahverkehr mobil bleiben, Vereinsmitglieder für ihre Gruppen werben, ebenso Initiativgruppen. hgn

Produktion dieser Seite:

Matthias Zimmermann, Hannelore Hempel "Wie bewältigen Sie den demographischen Wandel bei der Feuerwehr?"

Frank Müller (Freisen)

"Wie wollen Sie

den Mittelstand

in der Gemeinde stärken?"

Michael Schmitt (Freisen)

"Wie sind die negativen Konsequenzen, wenn sich THWler für die Feuerwehr entscheiden?"

Michael Engel (Oberkirchen)

"Politik ist

kein Hobby,

sondern ein Anspruch."

Karl-Josef Scheer (51)

"Mich reizt es immer, Dinge vorwärts

zu bringen."

Michael Becker (48)

"Wie steht es um das Netzwerk Freisen, in dem sich Bürger engagieren?"

Henry Kühn (Freisen)

"Wo liegen

Ihre großen Verwaltungs- erfahrungen?"

Armin Winkler (Oberkirchen)

"Nach welchen Kriterien wird

bei der Gemeinde eingestellt?"

Jürgen Hasenfratz (Reitscheid)

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