Walter Sittler zieht den Hut vor Erich Kästner Kästner, nicht nur für Kinder

Merzig. Im Bühnenstück "Als ich ein kleiner Junge war" taucht Walter Sittler als Erich Kästner auf der Bühne in dessen Kindheitserinnerungen ein. Der erwachsene Autor schaut im gleichnamigen autobiografischen Buch auf seine Kindheit und ein Weihnachtsfest zurück

 "Gestatten, Kästner": Walter Sittler schlüpft in die Rolle des bekannten Kinderbuchautors. Foto: VA

"Gestatten, Kästner": Walter Sittler schlüpft in die Rolle des bekannten Kinderbuchautors. Foto: VA

Merzig. Im Bühnenstück "Als ich ein kleiner Junge war" taucht Walter Sittler als Erich Kästner auf der Bühne in dessen Kindheitserinnerungen ein. Der erwachsene Autor schaut im gleichnamigen autobiografischen Buch auf seine Kindheit und ein Weihnachtsfest zurück. Es sind Erinnerungen des jungen Erich Kästners aus dem Blickwinkel eines Kindes, die gleichzeitig einen Blick auf die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Situation im damaligen Deutschland frei geben. Die Kulisse dazu ist ein Raum Ende der 40er Jahre in irgendeiner deutschen Stadt. Um in die Rolle des Autors schlüpfen zu können, befasste sich Walter Sittler intensiv mit Kästner.Der erfolgreiche Autor, der oftmals rein als Kinderbuchautor gesehen wird, fasziniert bis heute. Seine Bücher "Emil und die Detektive", "Pünktchen und Anton", "Das doppelte Lottchen" und "Das fliegende Klassenzimmer" sind bestens bekannt. Weniger bekannt ist die Literatur, Prosa und Lyrik, die Erich Kästner für Erwachsene schrieb. Darin übt er teils scharfe Kritik an Politik und Gesellschaft. Wie brisant die Inhalte in diesem Zusammenhang sind, zeigt die Tatsache, dass Kästner in der Zeit des Nazi-Regimes nicht publizieren durfte. Seine Bücher wurden mit vielen anderen während der großen Bücherverbrennung vernichtet.

Walter Sittler ist seit mehreren Jahren mit dem Bühnenstück unterwegs und sehr erfolgreich. Mit Martin Mühleis und Libor Sima wurde er dafür mit dem renommierten Erich-Kästner-Preis ausgezeichnet. Mit wenig Kulisse, aber viel Wissen und Sensibilität gelingt es Walter Sittler, Erich Kästner wieder lebendig werden zu lassen.

"Als ich ein kleiner Junge war" findet am Samstag, 24. November, ab 20 Uhr in der Stadthalle Merzig statt. Die Karten kosten 20 Euro. Info: Kreiskulturzentrum Villa Fuchs, Bahnhofstraße 25, Merzig, Tel. (0 68 61) 9 36 70, E-Mail: info@villa-fuchs.de.

Herr Sittler, Sie spielen im Bühnenstück den erwachsenen Autor Erich Kästner, der sich an seine Kindheit erinnert. Was passiert dabei auf der Bühne?

Walter Sittler: Ich rede so, als wäre ich Erich Kästner. Seine Art zu schreiben ist sehr leicht zu sprechen. Der Text kommt einem entgegen. Es ist der Text aus dem autobiografischen Buch "Als ich ein kleiner Junge war". Es sind sechs Musiker und ich auf der Bühne. Die Musiker untermalen manche Stellen und spielen auch alleine.

Wie und wo haben Sie die Literatur Kästners kennengelernt?

Sittler: Ich habe Kästner erst in der Schule kennengelernt. Ich kam erst mit sechs Jahren mit meinen Eltern von Amerika nach Deutschland. Wir haben im Gymnasium ein bisschen Kästner gelesen und an der Schauspielschule, weil seine Lyrik so fantastisch ist. Aber dann kam Martin Mühleis auf mich zu und wollte einen Kästner-Abend machen. Das war ein toller Erfolg, wir haben es ein paar Mal gemacht und dann den Abend daraus entwickelt, wie er jetzt ist.

Was ist für Erwachsene aus Ihrer Sicht das Spannende oder Lehrreiche an den Büchern Erich Kästners?

Sittler: Es lohnt sich immer als Erwachsener, Erich Kästner zu lesen. Seine Sprache ist sehr reich, aber immer verständlich. Das ist seine große Kunst. Es geht ihm darum, die Welt zu sehen, genau hinzuschauen, und sie für andere erlebbar zu machen. Er stellt sich die Frage: Wie kriege ich in einem Satz ein Bild hin? Seine Geschichten sind für Kinder spannend und lustig, aber Erwachsene finden beispielsweise einen sehr feinen Humor, Gesellschaftskritik und Gerechtigkeitsempfinden.

Wie sehen Sie ihn als Autor?

Sittler: Als guter Autor geht Kästner nicht nur in die Vergangenheit, sondern blickt mit seinen Texten auch auf die aktuelle Situation und nach vorne. Er beschreibt zum Beispiel den Untergang Dresdens aus seiner Sicht als Kind. Das gibt aber gleichzeitig ein Bild über die Menschen ab, die der Politik ausgeliefert waren damals. Oder er erzählt vom Untergang des Handwerks - sein Vater war ja Sattlermeister - aus der Sicht seines Vaters. Zeigt damit aber auch den Wandel in der Gesellschaft.

Gibt es etwas, dass Sie gerne von Erich Kästner lernen würden?

Sittler: Was ich gerne besser könnte, was mir aber noch nicht immer gelingt, ist der große Respekt, die Offenheit, mit dem er die Menschen betrachtet. Und selbst wenn er negative Eigenschaften entdeckt, so wertet er nicht, sondern beschreibt. Er will nur erkennen, nicht verurteilen. Das Bild können sich die Menschen selbst machen.

Was haben Sie sich zum Vorbild genommen haben?

Sittler: Sich nicht so wichtig zu nehmen. Das ist eine tolle, beneidenswerte Eigenschaft. Zuhören und Hinschauen, das zu vervollkommnen lohnt sich heute mehr denn je. Gerade zuhören ist nicht mehr gefragt. Es geht, gerade in der Politik, fast nur noch darum, Statements abzugeben, egal zu was.

Worin liegt Ihrer Meinung nach der Erfolg Ihres Bühnenstücks begründet?

Sittler: Ich glaube, dieses Bühnenstück wird deshalb so gemocht, weil die Menschen es genießen, dass sie einfach nur entspannt dasitzen und zuhören dürfen. Sie werden nicht belastet, es gibt keinen Lärm, keinen Knall, kein Donner oder anstrengendes Licht. Man bekommt einfach eine Geschichte erzählt. Ich glaube, dass die Menschen das heute wieder suchen und selten finden. Sie müssen keine Konzeption verstehen. Es ist ganz großartig, wie die Menschen oft reagieren. Sie kommen während der Kindheitserzählung Kästners in ihre eigene Kindheit. Das ist bei vielen Leuten sehr gewollt und sie genießen es. "Es lohnt sich immer als Erwachsener, Erich Kästner zu lesen."

Walter Sittler

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