Walter H. bleibt noch eingesperrt

Saarbrücken. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe muss jetzt am Fall von Walter H. (63) grundsätzlich klären, wann das teilweise mehrdeutig formulierte Gesetz zur Unterbringung gemeingefährlicher Straftäter in Zwangstherapie angewandt werden darf und wann nicht

 Walter H. (l.) mit Anwalt Michael Rehberger bei einem Gerichtstermin. Archivfoto: Becker und Bredel

Walter H. (l.) mit Anwalt Michael Rehberger bei einem Gerichtstermin. Archivfoto: Becker und Bredel

Saarbrücken. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe muss jetzt am Fall von Walter H. (63) grundsätzlich klären, wann das teilweise mehrdeutig formulierte Gesetz zur Unterbringung gemeingefährlicher Straftäter in Zwangstherapie angewandt werden darf und wann nicht. In einem so genannten Vorlagebeschluss hat das Saarländische Oberlandesgericht den obersten deutschen Strafrichtern diese Frage vorgelegt. Bis dahin bleibt H. eingesperrt.Die Bundesrichter hatten in einem anderen Fall angemerkt, dass ihrer Ansicht nach besagtes Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) im Fall des unter anderem wegen Mordes vorbestraften H. nicht anwendbar sein dürfte. Gestützt darauf fordert der Verteidiger des mehrfach wegen schwerster Gewaltdelikte mit sexuellem Bezug verurteilten 63-Jährigen die Entlassung seines Mandaten aus der Forensischen Psychiatrie. Walter H. sitzt dort auf der Grundlage von Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Saarbrücken nach dem ThUG.

Das Regelwerk war Ende 2010 geschaffen worden, um die Allgemeinheit vor gemeingefährlichen Straftätern zu schützen, die nach einem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2009 nicht länger in Sicherungsverwahrung eingesperrt werden dürfen. Walter H. war einer dieser Fälle. Er hatte nach Verbüßung mehrjähriger Strafen vorläufig in Verwahrung gesessen und musste auf Entscheidung des Bundesgerichtshofes hin Mitte 2010 freigelassen werden. Daraufhin wurde er zunächst über Monate rund um die Uhr von Polizisten überwacht, bis er auf Basis des neuen Gesetzes zur Therapieunterbringung in der Forensik eingesperrt wurde.

Seitdem wird gestritten, ob diese Unterbringung zulässig ist oder nicht. Dreh- und Angelpunkt ist eine mehrdeutige Regelung im ThUG. Dass diese mehrdeutig ist und im Fall Walter H. in die eine oder die andere Richtung ausgelegt werden kann, war dem Gesetzgeber bewusst. Er hat das Regelwerk - trotz entsprechender Anregungen saarländischer Politiker in Bundestag und Bundesrat - bislang nicht geändert. Unter anderem deshalb, weil man ein weit voran gebrachtes und abgesprochenes Gesetzesvorhaben nicht wegen eines Einzelfalles ändern wollte. Also landete das Problem auf den Tischen der Richter. Und die teilen sich in zwei Lager. Die Richter an Land- und Oberlandesgericht halten das ThUG für anwendbar, stufen H. als gemeingefährlich ein und verwahren ihn hinter Gittern. Der Bundesgerichtshof hält das Gesetz im Fall H. nicht für anwendbar. Und wenn er auch nach dem aktuellen Vorlagebeschluss aus Saarbrücken dabei bleiben sollte, muss er Walter H. freilassen.

Politiker in der Verantwortung

Von SZ-RedakteurWolfgang Ihl

Der Fall Walter H. ist eine Schande für die Bundespolitik. Dort reden alle zwar immer davon, dass die Menschen vor gemeingefährlichen Straftätern geschützt werden müssen. Aber gleichzeitig duldet der Gesetzgeber im Therapieunterbringungsgesetz sehenden Auges Mehrdeutigkeiten, die dazu führen, dass in Grenzfällen wie dem von Walter H. keiner richtig weiß, ob ein Straftäter eingesperrt werden darf. Und geändert daran wird von der Bundespolitik nichts. Auch deshalb, weil man wegen eines Einzelfalles an der Saar nicht ein allseits abgesegnetes Gesetz ändert. Motto: Wenn die Karawane weiterzieht, bleiben Einzelne halt zurück. Das ist zynisch und verantwortungslos.

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